Kommunales

Was die eigene Kommune an digitalen Leistungen bietet, ist der Bürgerschaft meist unbekannt. (Screenshot: BSZ)

26.03.2021

Dem E-Government Beine machen

Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung der Hochschule Hof ist gestartet

Wenn sich der Straßenbaum vor der eigenen Haustür via SMS meldet und sagt, „Ich habe Durst, bitte gib mir Wasser“ (ein Feuchtigkeitssensor macht es möglich), ist das nicht Science-Fiction, sondern bald Realität – zumindest in Karlsruhe. Dort hat Markus Losert, Leiter des Amts für Informationstechnik und Digitalisierung, mit seinem 58-köpfigen Team eine App entwickelt, die der Bürgerschaft die Segnungen des E-Government näherbringen soll. Denn in der Regel haben die Menschen nur ein bis zwei Mal im Jahr Kontakt mit ihrer Verwaltung. Was da inzwischen alles digital geht, haben die meisten gar nicht auf dem Schirm. Deshalb will Losert die App für den Alltagsgebrauch aufrüsten.

„Ob Jahreskarte für den ÖPNV, Ticket für den Zoobesuch oder als Bibliotheksausweis – wir wollen diese städtischen Angebote mit anderen digitalen Angeboten aus der freien Wirtschaft in Karlsruhe kombinieren“, erklärt Losert. Damit seien die Bürger*innen immer in Kontakt mit ihrer Stadt. So könnte man Rabatte auf Getränke gewähren, wenn man mit Bus oder Bahn zum Volksfest fährt. Das Smartphone macht es möglich, denn das hat man ja dabei, weil darauf das ÖPNV-Ticket gespeichert ist.

Wenn sich der Winterdienst per SMS meldet

Auch sogenannte Push-Notifications könnten laut Losert sehr hilfreich sein. So meldet sich zum Beispiel in der dunklen Jahreszeit der Winterdienst mit „Wir sind gleich bei dir“. Dann wissen die Menschen, wann die Straße vor ihrer Haustür geräumt wird.

Das ist nur eine von vielen Ideen für die digitale Verwaltung, die im Rahmen der Online-Kick-Off-Veranstaltung zum Start des Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung (KDV) der Hochschule Hof vorgestellt wurde. Damit derartige Innovationen wie in Karlsruhe möglich werden, müssen laut KDV-Chef Thomas Meuche Deutschlands Behörden komplett umgekrempelt werden. Nach Ansicht des Professors müssten allem voran die Hierarchien abgeschafft werden:. „Wir haben eine extrem starke Hierarchisierung. Die Menschen in der öffentlichen Verwaltung arbeiten nach dem Bürokratiemodell von Max Weber, das 100 Jahre alt ist. Wenn ich aber in Richtung agiles Arbeiten denke, geht das nicht in Hierarchien.“

Stattdessen benötigt man laut Meuche eine multidimensionale Organisation. „Wenn ich mit neuen Tools arbeiten möchte, dann geht es um prozessübergreifendes Arbeiten. Und das geht nicht zusammen mit einer Ein-Linien-Organisation, in der die Kommunikation von oben nach unten und wieder nach oben geht“, so der KDV-Chef. Das Kompetenzzentrum in Hof will eine Art „digitalen Zwilling“ von Behörden aufbauen, um zu zeigen, wie man Verwaltungsprozesse digital umsetzen kann. Zudem gibt es einen berufsbegleitenden Studiengang Digitale Verwaltung.

Gerade in Krisensituationen wie der derzeitigen Corona-Pandemie zeige sich das Problem der fehlenden Flexibilität in den Behörden. „Die Verwaltung ist in ihrer Grundstruktur nicht darauf ausgerichtet, mit Ad-hoc-Situationen umzugehen. Sie ist rein auf Standardprozesse ausgerichtet. Aber das Problem ist, wir haben in zunehmendem Maße Abweichungen vom Standard“, sagte Meuche.

Allerdings gibt es durchaus Verwaltungen, die agil sind und schnell auf Herausforderungen reagieren können. So hat zum Beispiel die Stadt Nürnberg allein im vergangenen Jahr wegen der Pandemie über 4200 Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet (Staatszeitung berichtete). Für dieses und nächstes Jahr ist laut Christine Meyer, Leiterin des Personalamts der Stadt Nürnberg, die Anschaffung von zusätzlichen 3900 Notebooks für das mobile Arbeiten geplant. Das ist einer der Bausteine, mit denen sich die Stadt laut Meyer als moderner Arbeitgeber platzieren möchte. Denn IT-affine Mitarbeitende seien immer stärker gefragt – und sie müssten auch als Arbeitskräfte der Kommune erhalten bleiben. „Darum versuchen wir, bei den jungen Menschen mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, neuen Bürokonzepten wie Open Space und Weiterbildungsangeboten zu punkten“, erklärte Meyer.

„Wir wollen wie ein Start-up denken!“

Damit die Digitalisierung bei der Stadt Nürnberg so richtig Fahrt aufnimmt, hat Albert Roesch, Leiter des Amtes für Informationstechnologie, eine Parole ausgegeben: „Wir wollen wie ein Start-up denken!“ Egal ob Bürgerpartizipation, Kita-Portal, digitales Langzeitarchiv oder Digitalisierung der Schulen, Roesch setzt auf das Know-how in den einzelnen Dienststellen der Stadt. Dort sollen die Fachstrategien für die digitalen Angebote von morgen entwickelt werden. Dank des Rückhalts durch den Stadtrat sei es auch möglich, die Verwaltung zu modernisieren.

Doch das alles funktioniert nur, wenn genügend personelle Ressourcen vorhanden sind. In kleineren Kommunen ist es viel komplizierter, dem E-Government Beine zu machen. So berichtete Katja Köhler, Teamleiterin Digitalisierung der AKDB-Gruppe (Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern), von einer Kleinstgemeinde mit insgesamt zehn Mitarbeitenden. Dort sei die Mitarbeiterin im Einwohneramt zur EDV-Beauftragten ernannt worden. Diese Aufgabe habe sie zusätzlich zu ihren angestammten Aufgaben zu bewältigen. Oft ist es dann laut Köhler so, dass jemand aus der Verwaltung an dem neuen Lehrgang Digitallotse des bayerischen Digitalministeriums teilnimmt. Sobald die- oder derjenige aber wieder im Tagesgeschäft steckt, sei keine digitale Weiterentwicklung in der Gemeinde mehr möglich, weil schlicht das Personal fehlt, so Köhler.

Das ist kein Wunder, wenn man die Relationen betrachtet. Die Stadt Nürnberg hat über 200 Mitarbeitende im IT-Bereich, die Stadt Karlsruhe knapp 60. Deshalb ist es gut, dass mit dem neuen KDV neue Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen wurden. Partner des KDV sind neben dem bayerischen Digitalministerium die Oberfranken Stiftung, die AKDB und drei Digitalunternehmen.

Die Verwaltungen schmoren zu sehr im eigenen Saft

Für KDV-Chef Meuche ist es wichtig, die Ausbildung zu verändern. Denn die öffentliche Verwaltung bilde ihren Nachwuchs selbst aus in eigenen Akademien und Hochschulen. Deshalb schmore man im eigenen Saft: „Die Ausbilder und Ausbilderinnen kommen aus den Organisationen und lehren das, was sie damals selbst gelernt haben. So dreht sich dieses Rad immer weiter. Das ist nicht unbedingt sehr produktiv.“ Ausbildungsinhalte würden von denen bestimmt, die schon immer in der Verwaltung gearbeitet haben.

Und überhaupt: Das Schlagwort Digitalisierung greife für die Verwaltung sowieso zu kurz, betonte Meuche. Digitalisierung sei kein Selbstzweck. „Es geht darum, den Nutzen für die Bürger zu erhöhen – und das bitte schön effizient. Das ist das eigentliche Ziel. Dafür muss man sich auch überlegen: Was wollen die Bürgerinnen und Bürger? Was erwarten sie eigentlich von einer Verwaltung – auch was das Thema Kommunikation anbelangt? Und was muss man in der Kultur eigentlich tun, um wegzukommen vom Gedanken: Der Bürger ist ein Bittsteller und hat dann zu kommen, wenn wir uns vorstellen, dass er kommt.“

Doch der Veränderungsprozess ist nach Meuches Ansicht eingeleitet. „In sieben bis zehn Jahren werden wir eine andere Verwaltung haben. Da spielt auch der demografische Wandel eine nicht unerhebliche Rolle.“
(Ralph Schweinfurth)

(Mehr unter: www.kdv-hof.de)

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