Kommunales

Der 59-jährige Dieter Reiter ist seit drei Jahren OB von München. (Foto: dpa)

12.09.2017

"Der Lohn fällt gerade sehr bescheiden aus"

Münchens OB Dieter Reiter (SPD) über bei der Bevölkerung unpopuläre Bauprojekte, die Notwendigkeit von Sicherheitspollern und "Scharmützel" im koalitionären Alltag mit der CSU

Wenn man gute Nachbarschaft wünscht, sollte man beizeiten mal auf einen Besuch vorbeischauen. Münchens OB Dieter Reiter (SPD), der von seinem Bürofenster gegenüber direkt auf die frisch sanierten Räume des Münchner Presseclubs schauen kann, tat das gestern beim brechend vollen "Tag der offenen Tür" - und gab in einer Fragerunde auch gleich ausgiebig Antwort zu aktuellen politischen Herausforderungen in der Landeshauptstadt. Der schwarze Kolaitionspartner bekam vom Rathauschef gleich mehrfach eine Watschn mit, für Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fand er eher freundliche Worte. Insgesamt lautete der Tenor: Was aktuell an notwendigen Infrastrukturmaßnahmen getan werden muss, wird durchgezogen - auch wenn es mitunter auf Unmut bei der Bevölkerung stößt.

Dramatischer Wohnungsmangel, überall Baustellen, übervolle Busse und Bahnen: Ob er den aktuell mehr ein Gestalter sei oder Krisenmanager? Gleich die erste Frage aus den Reihen der anwesenden Journalisten sollte den OB also provozieren. Ein klein wenig tat sie es dann auch, denn Reiter pampte zurück, warum denn so viele Menschen nach München drängten - 20 000 pro Jahr, und zwar keine Flüchtlinge sondern normale Zuzügler - wenn die Stadt angeblich so unattraktiv sei? Seine Antwort: "Wir wachsen eben - und da muss die Infrastruktur eben mitwachsen." Die Einwohner würden Fernwärme wünschen, Glasfaserkabel, neue U-Bahnverbindungen - aber das alles bitteschön ohne größeren Aufwand. "Wenn jemand herausfindet, wie man eine neue U-Bahn baut ohne ein Loch zu graben, dann soll er sich bei mir melden", ätzte der OB. In diesem Sinne sei er natürlich ein Gestalter - "aber der Lohn fällt gerade sehr bescheiden aus".

"Das wird aber auch der letzte Bürgerentscheid zur dritten Startbahn"


Einmal im Spott-Modus, mochte Reiter davon auch nicht gleich lassen. Natürlich sei auch niemand abstrakt gegen neue Wohnungen. Oder gegen weitere Schulen, weil man ja nicht immer mehr Kinder in eine Klasse quetschen könne. Alles richtig, alles nötig für die meisten Bewohner. Nur eben bitte nicht vor der eigenen Haustür. Einige Alteingessene wollten sich ungern durch neue Häuser "den Blick aufs Mittelmeer verbauen lassen". Man spürte, es brodelte im Rathauschef: "Wir müssen derzeit Lärmschutzwände um Schulen und Kitas errichten. Lärmschutzwände um Kitas!" Genervt schüttelte er den Kopf.

Zur Sprache kam auch das Thema "dritte Startbahn" am Münchner Flughafen. "Auch das ist eine wachstumsfördernde Maßnahme", sagte Reiter, "aber ob das die Mehrheit der Münchner freut - abwarten." Für Anfang des nächsten Jahres sei ein Treffen mit Vertretern der bayerischen Staatsregierung geben, bei dem man die Anzahl der Starts und Landungen aus den vergangenen drei Jahren analysieren werde und dann entscheide, ob die Bürger noch einmal über den Bau einer dritten Startbahn abstimmen sollen. "Aber das wird dann auch der letzte Bürgerentscheid zu diesem Thema", machte Reiter klar. Es werde nicht immer neue Voten geben, bis "einem das Ergebnis passt".

"Es gibt keine Koalition mit der CSU - nur eine Zusammenarbeit"


Womit schon der Bogen geschlagen war zur ja nicht immer harmonischen Zusammenarbeit in der Großen Koalition mit der CSU. Obwohl: Für Reiter ist das gar keine GroKo, weil ja die bayerische Gemeindeordnung - "Und an die halte ich mich!" - so etwas für Kommunen im Prinzip nicht vorsieht. "Es gibt mit der CSU im Rathaus eine Zusammenarbeit - und da spielt es keine Rolle, ob wir uns alle gern haben oder nicht." Aber richtige Dissense, so die Einschätzung des Oberbürgermeisters, die würden ohnehin "nur auftreten bei kleineren Verkehrsprojekten wie etwa neuen Straßenbahnlinien" - eine Anspielung auf den Bau einer Trambahnverbindung durch den Englischen Garten, was Reiter und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) befürworten, Münchens CSU-Chef und Kultusminister Ludwig Spaenle aber ablehnt.

Dass er mit Seehofer beziehungsweise der Staatsregierung generell besser zurecht kommt als mit den Schwarzen bei sich daheim ließ der Oberbürgermeister auch noch in einem anderen Zusammenhang durchblicken: den vor allem von der Münchner CSU ins Spiel gebrachten Pollern in der Innenstadt zum besseren Schutz vor möglichen terroristischen Anschlägen mit Lkw wie etwa zuletzt in Barcelona oder im vergangenen Jahr in Berlin. "Die Zusammenarbeit mit dem Ministerpräsident ist freundlicher", sagte Reiter und grinste. Und meinte kurz darauf, wieder ernst: "Solche Maßnahmen wie das Aufstellen der Poller bespreche ich lieber mit dem Innenminister oder dem bayerischen Polizeipräsidenten." Wenn diese zur Einschätzung kämen, dass es aus Sicherheitserwägungen notwendig wäre, dann würde er konform gehen. Doch eine solche Kompetenz scheint er der CSU-Rathausfraktion nicht zuzugestehen. (André Paul)


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