Kommunales

Formal darf auch Strom aus uralten Wasserkraftanlagen das "Öko"-Siegel tragen. (Foto: dpa)

21.04.2016

Schummelei mit dem Öko-Strom

Da der Begriff gesetzlich nicht geschützt ist, kann alles mögliche unter dem Label verkauft werden

Nach Recherchen des BR kaufen der Freistaat und zahlreiche bayerische Kommunen Ökostrom, der wegen zu lascher Kriterien nach Experten-Angaben keinen zusätzlichen Nutzen für Umwelt und Energiewende bringt. Hintergrund: Nach dem Reaktorunfall von Fukushima hatte sich der Freistaat Bayern verpflichtet, für seinen Eigenbedarf nur noch Ökostrom zu verwenden. Allerdings ignoriert Bayern dabei nach BR-Informationen die Leitlinien des Umweltbundesamts: Vor allem verlangt der Freistaat bei seinen Ausschreibungen für die staatlichen Liegenschaften keinen Ökostrom aus Neuanlagen. Das bedeutet, dass der Strom zum Beispiel aus uralten Wasserkraftanlagen stammen kann. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW in Berlin, kritisiert, dass die Energiewende so nicht vorankommt. „Der Strom muss aus Neuanlagen sein, so dass mit dem Ökostrom auch der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energiewende beschleunigt wird.“ Der Begriff Ökostrom ist gesetzlich nicht geschützt, bedauert der Geschäftsführer des wichtigsten deutschen Ökostrom-Gütesiegels OK-Power, Robert Werner: „Und deshalb ist das besonders kritisch zu sehen, wenn ausgerechnet die öffentlichen Einrichtungen Ökostrom beziehen, der effektiv keinen Beitrag zur Energiewende leistet.“ Das bayerische Innenministerium rechtfertigt sich mit Sparsamkeit: Ökostrom nach strengeren Kriterien hätte möglicherweise mehr gekostet, die Rede ist von 2,2 bis 3,3 Millionen Euro pro Jahr.

1,2 Prozent des in Bayern verbrauchten Stroms
geht an staatliche Liegenschaften

Der Freistaat ist mit 957 Gigawattstunden jährlich einer der größten Verbraucher im Land; 1,2 Prozent des in Bayern verbrauchten Stroms geht an staatliche Liegenschaften. Lieferanten sind Eon und die Regensburger REWAG, an der der Eon-Konzern beteiligt ist. Auch der Bayerische Gemeindetag hat seinen Mitgliedern in einer Sammelausschreibung, an der fast 1500 Kommunen teilnahmen, Ökostrom „in Anlehnung an die Kriterien des Umweltbundesamts“, aber ohne Neuanlagenquote offeriert. Beim Verband argumentiert man mit der Sorge vor Mehrkosten. Energiereferent Stefan Graf: „Der Preis ist ein wesentlicher Punkt. Wir sind ja damit angetreten, dass wir den Kommunen günstige Energiepreise vermitteln.“ Vielen bayerischen Gemeinden ist der Preis für Strom offenbar sehr wichtig. Über 60 Prozent der fast 1500 Kommunen haben gar keinen Ökostrom gewählt, sondern konventionellen. Andere Mitglieder sind umweltbewusster und wollen keinen „Alibi-Ökostrom“ beziehen. Aufgrund ihres Drucks will der Bayerische Gemeindetag bei der nächsten Ausschreibung allen Gemeinden Ökostrom mit Neuanlagenquote anbieten. In anderen Bundesländern ist das schon Standard. So schreiben die Gemeindetage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Ökostrom mit Neuanlagenquote aus. Und Nordrhein-Westfalen setzt beim Strom für den staatlichen Eigenbedarf auf Ökostrom mit Neuanlagenkriterium. Lieferant sind die übrigens Stadtwerke München. (BSZ)

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