Kommunales

Im Freistaat müssen dringend mehr Wohnungen gebaut werden. (Foto: dpa)

19.07.2018

Die Bayern nicht in riesige Hochhäuser pferchen

Vollversammlung des Bayerischen Städtetags in Coburg: Ministerpräsident Markus Söder fordert, den Wohnungsbau neu zu ordnen

Da mochten wohl einige der Bürgermeister und Oberbürgermeister im Coburger Konferenzzentrum Rosengarten ihren Ohren kaum trauen, als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Vollversammlung des Bayerischen Städtetags seine Ansprache hielt. Nahezu alle im Vorfeld von den Kommunalpolitikern geäußerten Wünsche griff der Regierungschef auf.

Beispiel Wohnen: Da hatte Thomas Jung (SPD), der stellvertretende Vorsitzende des Städtetags und Oberbürgermeister von Fürth, am Tag zuvor noch vor allem mehr Geld, aber „Steuerungsmöglichkeiten zu Mobilisierung von Flächen“ gefordert, „Handlungsspielräume für Flächenbevorratung“ und ein Vorkaufsrecht für Grundstücke auf eigenem Gebiet. Hintergrund: Die Bürgermeister wollen es sich nicht länger gefallen lassen, dass Spekulanten für den Wohnungsbau dringend benötigte Grundstücke zurückhalten, um auf noch höhere Preise zu warten.

Söders Reaktion: Er fordert einen neuen „Pakt für Wohnungsbau von Bund, Ländern und Kommunen“, der Wohnungsbau müsse „grundlegend neu geordnet werden“. Bauvorschriften müssten fortan „kooperativer ausgelegt“ werden, Baustandards stärker „vereinheitlicht werden“ – alles Wünsche, die den Städten seit Jahren auf den Nägeln brennen. Die Mietpreisbremse allerdings gehe „am Thema vorbei, die schafft nicht eine einzige neue Wohnung“. Und natürlich die gemeinsame Freude über das Aus für das Volksbegehren gegen Flächenfraß: „Sie als demokratisch gewählte Bürgermeister entscheiden, wie ihre Stadt aussehen soll.“ Lauter Applaus.

"Wir machen uns doch beim Bürger lächerlich"


Dingolfings Bürgermeister Josef Pellkofer, im Vorstand des kommunalen Spitzenverbands der Vertreter der Freien Wähler, hatte sich dafür ausgesprochen, dass beim Umwelt- und Lärmschutz die „Bedürfnisse von Pendlern und Wirtschaft“ stärker berücksichtigt werden müssen. Auch hier streckt der Ministerpräsident die Arme aus: „Fahrverbote in einzelnen Straßen sind nicht der richtige Weg. Hier in diesem Sitzungssaal ist inzwischen eine schlechtere Luft als auf mancher Straße, die gesperrt werden soll. Wir machen uns doch beim Bürger lächerlich.“

Eindringlich mahnte Markus Söder in seiner Rede einen anderen sprachlichen Umgang der politischen Akteure miteinander an, „und ich nehme mich selbst da nicht aus“. Den politischen Mitbewerber herabzusetzen – auch wenn man inhaltlich konträr sei – wäre ein falscher Weg. „Die Standards in Sprache und Umgang, die wir jetzt setzen, die werden uns viele Jahre begleiten.“

Im Anschluss kam es zu einer Podiumsdiskussion von führenden Landespolitikern. Das Thema Wohnen stand dabei klar im Mittelpunkt. CSU-Generalsekretär Markus Blume befand: „,Wohnungsbau kann nicht allein staatlich oder kommunal erfolgen, es muss auch private Initiativen geben.“ Blume versicherte, das schaffe man auch durch die vom Bund beschlossenen besseren Abschreibungsmöglichkeiten und die Möglichkeit, dass Familien wieder stärker Eigenheime bauen.

Stärker differenzieren


Die SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen will, dass „stärker differenziert wird zwischen bezahlbarem Wohnen und dem übrigen“. Es seien zuletzt viel zu viele Sozialwohnungen aus der Bindung rausgefallen. Der Bund hat seine Mittel dafür verdreifacht, der Freistaat hat seine halbiert.“ Und um fortan sinnvoll bauen zu können, ist Kohnen überzeugt, brauche Bayern überhaupt erst mal ein landesweites Kataster mit allen geeigneten Brachflächen.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann brach trotz allem noch mal eine Lanze für das von ihm geführte Volksbegehren. „Wir bauen aktuell 120 Wohneinheiten auf einem Hektar in München. Damit würden wir mit einem begrenzten Verbrauch von fünf Hektar am Tag in ganz Bayern 120.000 Wohnungen pro Jahr bauen können.“

FW-Fraktionschef Hubert Aiwanger fragte: „Wo wollen wir die zusätzlichen Menschen denn alle unterbringen? Man kann Städte wie München nicht endlos nachverdichten.“ Aiwangers Forderung: „Den Siedlungsdruck weg von Großstädten nehmen und stärker auf kleinere und mittlere Städte konzentrieren.“

Alle weiteren Diskussionsthemen des Quartetts – von der Integration über die Forcierung der Digitalisierung bis zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs – standen im Kontext des immer dramatischeren Wohnungsmangels im Freistaat. Wenn es Bayern aber nicht gelingt, seine schon Mitte des nächsten Jahrzehnts mutmaßlich 14 Millionen Einwohner adäquat unterzubringen – und niemanden in riesige Hochhäuser zu pferchen – werden alle anderen Herausforderungen irrelevant.
(André Paul)

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