Kommunales

Das bayerische Wetter bremst die Solarenergie häufig aus. (Foto: DAPD)

17.02.2012

Die Strom-Diät macht reizbar

Bei der Energiewende entdecken Städtetag und Wirtschaftsministerium immer neue Konflikte

Mit der Energiewende in Bayern ist es wohl ein wenig wie mit einer Diät: Der Entschluss dazu erfolgt aus Einsicht in die Notwendigkeit – aber rechte Begeisterung über den damit verbundenen Verzicht kommt naturgemäß nicht auf. Außerdem werden alle Beteiligten über kurz oder lang ziemlich reizbar, denn Hunger tut bekanntlich weh. Und der Energiehunger im Freistaat, der ist groß.
Auf landespolitischer Seite den Ball ins Feld geschossen hat bei der Energiewende zweifellos die CSU, besonders deren früherer Umwelt- und heutiger Finanzminister Markus Söder. Doch den reduzierten Speiseplan umsetzen, um im Bild zu bleiben, dass muss nun die FDP in Gestalt ihres Wirtschaftsministers Martin Zeil. Auf ihn richtet sich gerade der Zorn der Kommunen, die auf die Partei der Privatisierer und Gewerbesteuer-Gegner ohnehin nicht gut zu sprechen ist – und die in den eigenen Reihen keine Rolle spielt.
„Derzeit fehlt noch die ordnende Hand des Freistaats für die konkrete Umsetzung der Energiewende. Notwendig ist ein konkreter Projektplan, in dem die einzelnen Schritte und die jeweils Verantwortlichen benannt sind“, kritisiert Ulrich Maly, der sozialdemokratische Oberbürgermeister von Nürnberg und Vorsitzender des bayerischen Städtetags. Es genüge nicht, „die Energiewende den Kräften des Marktes und des Wettbewerbs zu überlassen“.
Der Adressat der Vorwürfe ist leicht auszumachen: das Wirtschaftsministerium. „Wir haben lange an den Wirtschaftsminister heran geredet“, stichelt Maly weiter, „damit die kommunale Seite stärker einbezogen wird“. Bisweilen aber dränge sich „der Verdacht auf, dass das Wirtschaftsministerium zur Energiewende gezwungen wird und erst mal abwartet“.
So geht es aggressiv und munter weiter: Die Energieagentur etwa „erscheint weniger als Treiber denn als Getriebener“; der „Paradigmenwechsel von einer zentralen zu einer dezentralen Energieversorgung“ sei „offenbar noch nicht ganz ins Bewusstsein“ gedrungen, Zeil sei noch „dem alten Versorgungssystem mit Großkraftwerken verhaftet“.
Die Replik ließ nicht lang auf sich warten: „Nur weil Herr Maly seine unbegründete und unverschämte Kritik an der Energiewende gebetsmühlenartig wiederholt, wird sie kein Stück wahrer“, keilt Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel, die für ihren erkrankten Parteifreund in die Bütt musste und bei der die Nerven erkennbar blank liegen: „Herr Maly selbst hat am Energiegipfel der Staatskanzlei – zumindest physisch – teilgenommen.“ Auch den geforderten Projektplan gebe es längst. „Das bayerische Energiekonzept kann seit Mai letzten Jahres auf den Internetseiten der Staatsregierung kostenlos heruntergeladen werden. Ich wundere mich sehr, dass sich das bis zu Herrn Maly noch nicht herumgesprochen hat.“
Es herrschen aber nicht nur schwere kommunikative Missverständnisse, sondern rein grundsätzlich scheinen liberale Landespolitiker etwas anderes unter Energiewende zu verstehen, als der Städtetag. Ulrich Maly hat da beispielsweise fast schon lyrisch klingende Visionen einer radikalen Dezentralisierung: „Das zentrale Energieversorgungssystem wird nun abgelöst von einem weit verzweigten Kapillarsystem. Mal läuft das Windrad, mal produziert der Sonnenkollektor, mal gibt es Strom aus Biomasse oder aus Wasserkraft.“
Für die FDP-Politikerin sind das Öko-Fantastereien: „Ein Industriestandort wie Bayern mit energieintensiven Branchen kann allein auf Basis dezentraler Versorgungseinheiten nicht bestehen. Wir brauchen große Kraftwerke, und zwar nicht nur wegen der notwendigen Energiemenge, sondern auch um die Stromnetze garantiert stabil zu halten. Eine sichere Energieversorgung ist für den Wirtschaftsstandort unerlässlich. Wer hier etwas anderes fordert, spielt mit unseren Arbeitsplätzen“, bangt Hessel. „Auch Nürnberg kann sich nicht nur aus Photovoltaik-Anlagen und Block-Heizkraftwerken versorgen.“ (André Paul)

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