Kommunales

Das Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip reduziert das Risiko von Unregelmäßigkeiten. (Foto: Getty)

21.09.2012

"Eine lückenlose Prüfung ist unmöglich"

Nach dem Millionenbetrug eines Kassenleiters steht die Rechnungsprüfung der Kommunen in der Kritik

Diesen Sommer ging es mehrfach durch die Presse: Im niederbayerischen Hauzenberg hat ein städtischer Kassenleiter über mehrere Jahre hinweg 2,1 Millionen Euro in seine private Kasse abgezweigt. Da drängt sich die Frage auf: Wie ist so etwas möglich? Ist das vorgeschriebene Kontrollsystem nicht ausreichend?
Das Prüfungsnetz ist verbindlich für jede bayerische Kommune vorgeschrieben: „Sobald Geld bewegt wird, gilt das Vier-Augen-Prinzip“, sagt Johann Keller, Finanzreferent beim Bayerischen Gemeindetag. Will heißen: Ein Mitarbeiter ordnet eine Überweisung oder Auszahlung an, ein zweiter zeichnet für die sachliche und rechnerische Richtigkeit gegen. „In der Regel hat ein Einzelner kaum eine Chance, Geld der Gemeinde für sich abzuzweigen“, so Keller.
In der Regel – doch in Hauzenberg wurden diese Regeln offenbar nicht eingehalten. Wie der Bayerische Kommunale Prüfungsverband feststellte, haben in der niederbayerischen Stadt Mängel und Kontrolldefizite die Unterschlagungen „erheblich erleichtert“: Es gab Barzahlungsverkehr in „völlig unüblichem Umfang“, Auszahlungsquittungen wurden von Mitarbeitern „ungeprüft und kritiklos mitgezeichnet“. Und es gab sogar Auszahlungsquittungen und Verrechnungsschecks mit Blankounterschriften – für Menschen mit krimineller Energie eine Einladung zum Betrug. Hätten diese Missstände nicht auffallen müssen?


Ohne Vorankündigung


Zunächst gibt es da die örtliche Kassen- und Rechnungsprüfung, die einmal im Jahr stattfinden – erstere ohne vorherige Ankündigung. Diese Prüfungen werden in kleineren Kommunen von einem Rechnungsprüfungsausschuss wahrgenommen, der aus Mitgliedern des Gemeinderats besteht. Größere Kommunen verfügen selbst über ein Rechnungsprüfungsamt.
Dass ehrenamtliche Gemeinderäte mit einer solchen Aufgabe überfordert sein könnten, das könne man pauschal so nicht sagen, meint Günter Heimrath, Geschäftsführender Direktor beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband. Eine mögliche Schulung hänge von den Vorkenntnissen an. „Grundsätzlich gibt es verschiedene Fortbildungsmöglichkeiten, die von den Spitzenverbänden, aber auch von der Bayerischen Verwaltungsschule und dem Bayerischen Selbstverwaltungskolleg angeboten werden“, sagt Heimrath. Auch parteinahe Stiftungen böten entsprechende Fortbildungen an. Letztlich obliege es aber jedem einzelnen Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses, diese Möglichkeiten zu nutzen.
„Eine solche Prüfung erfasst nie 100 Prozent“, weiß Johann Keller vom Gemeindetag. Und das sei durchaus in Ordnung so, bestätigt das Innenministerium: Die örtliche Rechnungsprüfung werde als ausreichend angesehen, wenn in angemessenen Stichproben unter anderem geprüft werde, ob Haushaltssatzung und Haushaltsplan eingehalten wurden, die Einnahmen rechtzeitig eingehen, Beschlüsse der Beschlussgremien richtig ausgeführt wurden, Buchungen ausreichend belegt sind, und die in den Nachweisungen erfassten Vermögensgegenstände vollständig vorhanden sind.
Dabei sei immer möglich, dass etwas übersehen wird, sagt Johann Keller vom Gemeindetag: „Wir sind alle nur Menschen.“ Aber es gibt ja noch eine weitere Prüfung, nämlich von außerhalb der Gemeinde. Sie findet alle drei bis vier Jahre statt. Kleine Gemeinden erhalten Besuch vom staatlichen Rechnungsprüfungsamt am jeweiligen Landratsamt, Kommunen ab 5000 Einwohnern sind zwangsläufig Mitglied beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband. Geprüft wird ohne Vorankündigung. „Da bleibt keine Zeit, irgendetwas beiseite zu schaffen“, sagt Keller.
Aber auch die überörtliche Prüfung muss sich auf Stichproben beschränken. „Eine lückenlose Prüfung ist weder zeitlich noch von den Kosten her möglich“, so ein Sprecher des Innenministeriums. Logisch, dass eine solche Prüfung an ihre Grenzen stößt, wenn es um die bewusste Verschleierung von Vorgängen und die Unterdrückung bzw. Manipulation von Unterlagen geht.
In Hauzenberg wurden allerdings bei der Prüfung der Jahre 2005 bis 2009 durchaus „Mängel und Unzulänglichkeiten im Kassenbereich“ festgestellt. Aufgeflogen ist der ganze Fall aber erst nach dem plötzlichen Tod des Kassenverwalters: In seiner Wohnung wurde Bargeld gefunden, das offensichtlich mit seiner dienstlichen Tätigkeit zu tun hatte. Daraufhin beauftragte die Stadt den Prüfungsverband mit einer Sonderprüfung. Dabei wurden Unterschlagungen rückwirkend bis 2001 nachgewiesen in Höhe von insgesamt 2,1 Millionen Euro. Wahrscheinlich war es jedoch wesentlich mehr Geld, das der Mann in die eigene Tasche gelenkt hat, um damit seine Spielleidenschaft zu finanzieren. Der Prüfungsverband bescheinigte dem Mitarbeiter ein „hochkomplexes System von Buchungen“, durch die er seine Taten verschleiern konnte. Begünstigt worden seien diese Taten durch Mängel und Kontrolldefizite der Stadt.
„Quittungen blanko zu unterschreiben, das ist ein klarer Verstoß gegen die Regeln“, meint Johann Keller vom Gemeindetag. Andererseits sei der Druck am Arbeitsplatz gewachsen, die Wahrscheinlichkeit für solche Verstöße steige mit der Arbeitsbelastung. „Die Leute sitzen nicht da und drehen Däumchen, die haben richtig Stress.“ Umso wichtiger sei eine solide Ausbildung. „Wir können nur an unsere Gemeinden appellieren, sich sorgfältig mit den Vorschriften auseinanderzusetzen“, sagt Keller. Eine Verschärfung dieser Vorschriften werde von den Gemeinden nicht gewünscht. „Wir haben 2056 Städte und Gemeinden in Bayern, und 2055 verhalten sich korrekt“, ist Keller überzeugt.
Auch das Innenministerium hält den Fall Hauzenberg für eine große Ausnahme, eine Verschärfung der Gesetze sei nicht notwendig. Und Günter Heimrath vom Prüfungsverband stimmt zu: „Der Fall Hauzenberg stellt in seiner Fallgestaltung, der Schadenshöhe und der Vorgehensweise des Täters einen Einzelfall dar.“ Die bestehenden Vorschriften böten ein ausreichendes Kontrollsystem – vorausgesetzt, sie werden auch beachtet.
Das vorhandene System sei voll und ganz ausreichend, meint auch Franz-Ludwig Knemeyer, emeritierter Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg. Gewiss seien die Mitarbeiter oft überlastet, dies dürfe aber nicht als Ausrede dienen für eine laxe Prüfung. Um die Mitarbeiter zu mehr Sorgfalt zu verpflichten, schlägt Knemeyer selbstvereinbarte Behördencodices vor - Regelungen, die zwar keinen gesetzlichen Status hätten, aber die Mitarbeiter bei der der Ehre packten. (Anke Sauter)

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