Kommunales

Zuletzt demonstrierten auf der Pegida-Veranstaltung in Dresden mehr als 15 000 Menschen. (Foto: dpa)

19.12.2014

"Eine Mischung aus Bequemlichkeit und Feigheit"

Der Politikprofessor Werner J. Patzelt über die Auswirkungen des Pegida-Phänomens auf die Kommunalpolitik und das spezielle Versagen der örtlichen Unionspolitiker

Erst waren es nur ein paar Hundert, zuletzt demonstrierten auf der Veranstaltung von Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Dresden mehr als 15 000 Menschen. Inzwischen gibt es auch Ableger in anderen Städten. Die meisten Politiker ergehen sich noch in Beschimpfungen oder wollen das Phänomen totschweigen. Aber Wissenschaftler wie der Dresdner Politikprofessor Werner Patzelt warnen, dass sich hier eine neue bürgerliche Protestbewegung jenseits rechtsradikaler Milieus formiert.

BSZ Herr Professor Patzelt, ist es ein Zufall, dass die Pegida-Demonstrationen gerade in Dresden entstanden sind – laut Erfolgsautor Uwe Tellkamp die „bürgerlichste Stadt“ der neuen Länder?
Patzelt Dass es speziell Dresden war, ist kein Zufall – wenngleich die Demonstranten wenig gemein haben mit dem gehobenen Bildungsbürgertum aus Tellkamps Roman Der Turm. Es handelt sich eher um „kleine Leute“, um Menschen aus der Mittelschicht und darunter. Aber für einen solch zahlreichen Protest braucht man ja eine ausreichend große Stadt, und da gibt es in den neuen Bundesländern außerhalb von Berlin nicht viele. Außerdem gilt Besorgnis über Einwanderung und Integration als ein „rechtes“ Thema; das aber hat in einer überwiegend rot-grünen Stadt kein großes Echo. Nun ist keine andere Großstadt in den neuen Bundesländern so wenig links wie Dresden – und eben das erklärt, warum Pegida gerade dort so große Chancen hat.

BSZ Die sächsische Staatskanzlei soll Gegendemonstranten bezahlt haben, die CDU-Oberbürgermeisterin beschimpft die Teilnehmer, der Union nahestehende örtliche Honoratioren rufen zu Gegendemos auf. Warum reagiert gerade die lokale CDU-Spitze so aggressiv?
Patzelt Die CDU-Führung saß einer falschen Lagebeurteilung auf und hielt die Pegida-Demonstranten mehrheitlich für Rechtsradikale. Solche muss man wirklich bekämpfen. Die Pegida-Demonstranten sind derlei aber gerade nicht. Sie sehen sich vielmehr mit ihren Sorgen – unter anderem denen ob der starken Einwanderung nach Deutschland – von der Union nicht mehr politisch repräsentiert. Die CDU wiederum hat es sich in der Mitte bequem gemacht und besitzt derzeit weder die analytische Kraft noch den Mut, das ganze politische Spektrum bis zum rechten Rand abzudecken und so an die Mitte anzubinden. Das ist eine Mischung aus politischer Bequemlichkeit und Feigheit. BSZ Vor 25 Jahren sind die Menschen an gleicher Stelle auch auf die Straße gegangen. Und damals wurden sie auch von Politik und Medien diskreditiert – ein Déjà-vu?
Patzelt Genau so fühlt sich das für viele Demonstranten an! Sie haben den Eindruck, als Störenfriede behandelt, als Andersdenkende nicht respektiert und in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt zu werden. Tatsächlich sollte man mit ausdrücklichen „Gegen“-Demonstrationen vorsichtig sein. Sie sind richtig, wenn die Prämisse stimmt, dass es sich bei Pegida um Rechtsradikale handelt. Sie sind aber ungehörig, wenn es sich bei Pegida um ganz normale Bürger mit bloß anderen Meinungen handelt, die ein diskutables Anliegen vertreten. Im Übrigen halte ich es für besser, nicht gegen, sondern für etwas zu demonstrieren – etwa für eine offene, liberale Gesellschaft.

BSZ In den Demonstrationen werden primär bundespolitische Probleme artikuliert, konkret betroffen sind aber die Kommunen. Wie soll sich ein Bürgermeister denn klugerweise verhalten, wenn Pegida in seiner Stadt demonstriert, erste Ableger aus Dresden gibt es ja schon?
Patzelt Er sollte zunächst genau hinschauen, wer da tatsächlich demonstriert, und nicht Urteile von außen ungeprüft übernehmen. Dann sollte er hinhören, welche konkreten Anliegen die Leute haben, etwa zum konkreten Standort eines Flüchtlingsheims. Anschließend sollte er intensive Gespräche führen – mit Arbeitgebern und Gewerkschaften, mit Kirchengemeinden und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen, um die Probleme vor Ort bestmöglich zu lösen. Außerdem sollten die Bürgermeister und Kommunalpolitiker der Bundespolitik klar machen, dass sie das schwächstes Glied in der politischen Kette sind, und deshalb darauf drängen, dass in Deutschland endlich ein Einwanderungs- und Integrationsgesetz beraten und beschlossen wird, das zu einem die Gesellschaft befriedenden Kompromiss über alle einschlägigen Regelungen führt.

BSZ Die Kommunalpolitik wird ja immer heterogener, Initiativen von so genannten Wutbürgern setzen sich meist kurz darauf auch im Stadtrat fest – könnte das bei Pegida auch der Fall sein?
Patzelt Das ist schwer abzusehen; bislang ist Pegida ja nur eine wöchentliche Zusammenkunft. Aber es spricht nicht viel dafür, dass daraus ein Freie Wählervereinigung oder eine Partei wird. Die Anhänger von Pegida stammen ja meist nicht aus Schichten, die sich stark in der Kommunalpolitik engagieren. Doch vielleicht tauchen bei der nächsten Wahl einige auf den Listen der Freien Wähler oder der AfD auf.
(Interview: André Paul)

Kommentare (4)

  1. Dresdnerin am 30.12.2014
    Es wäre schön, wenn die Bayrische Staatszeitung Legenden der Pegida nicht ungeprüft übernimmt. Es wurden keine Gegendemonstranten bezahlt, nur 12 Leute, die Luftballons aufgepustet haben, was bei an diesem Tag (8.12.14) 8.000 Gegendemonstranten nicht wirklich ins Gewicht fällt. Dazu wäre es schön, wenn nicht ständig AfD nahe Professoren interviewt werden, die Pegida verharmlosen, und man sich hinterher wundert, warum in DD so wenig Gegendemonstranten auf die Straße gehen. Mittlerweile hat ja selbst ein Herr Pazelt mitbekommen, dass selbst auf den Demos Volksverhetzung betrieben wird. Das war schon lange abzusehen, wenn man in die sozialen Medien geschaut hat. Für einige Professoren der TU Dresden scheint das Internet aber noch #Neuland zu sein. Hier rächt es sich, dass sich die zweite Garnitur aus dem Westen bei uns im Osten nach der Wende so festsetzen konnte.
  2. SuperHorsti am 29.12.2014
    PEGIDA ist die Antwort der Bürger auf die Arroganz der Politik. Diese hat es tatsächlich geschafft binnen weniger Jahre unsere Bundesrepublik in eine Art "DDR light" zu verwandeln. Schauen Sie sich die Herren im Bundestag doch an! Union und SPD haben doch sehnsüchtig darauf gewartet endlich wieder gemeinsam zu regieren. Die FDP wurde hinausgemobbt und die "Opposition" besteht aus zwei Protestparteien, den Grünen und den Linken. Die Große Koalition ist nichts anders als eine Einheitsliste, das wird die nächsten Jahre auch so bleiben. Die Alternative wäre nur eine Volksfrontregierung aus SPD und Linkspartei und das kann ja keiner ernsthaft wollen.

    Herr Gauck lebt als evangelischer Pfarrer im Ehebruch aber sagt über die Demonstranten, sie seien eine Schande für Deutschland. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Politik und dieses System ist eine Schande für Deutschland.

    In dem Deutschland, in welchem ich aufgewachsen bin gab es

    1. eine freie Meinungsäußerung in Wort und Schrift, da wurde man nicht entlassen wie Eva Herman
    2. ein Bankgeheimnis. Das Aufkaufen von Hehlerware durch den Staat wäre nicht mal diskutiert worden
    3. einen § 175 StGB, der Umtriebe wie den CSD verhindert hat. Heute marschiert der OB sogar noch mit
    4. der Zuzug war auf Gastarbeiter beschränkt bzw. auf Menschen die wirklich verfolgt wurden
    5. es gab keine Frauenquoten ect.
    6. wenn man ein Kind gezeugt hat bedeutete das nicht daß einen der Arbeitgeber2Monate freistellen muß
    7. Die vornehmste Aufgabe der Frau war die Mutterschaft, keine Indoktrination in Kinderkrippen
    8. Bildungspläne und Sexunterricht wie in Baden-Würtemberg gab es nicht mal am 1. April
    9. Wir waren ein christliches Land und der Islam gehört nicht zu Deutschland. Wir wollen ihn nicht!

    Die Herren im Bundestag müssen einsehen daß das Volk anders denkt und auch ein Recht hat gehört zu werden. Natürlich gibt es jetzt Diffamierungen und Verdrehungen nur um die Protestierenden schlecht zu machen. Aber irgendwann wird sich das Volk den ganzen Sumpf in Berlin nicht mehr bieten lassen.

    Die Chance der Politik wäre jetzt zuzuhören und vor allem mit Taten erst einmal vertrauensbildende Maßnahmen zu treffen um dann auch direkt mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen
  3. Christian am 19.12.2014
    Wen werden die Dresdner, wohl bei der nächsten Wahl wählen?
  4. Christian am 19.12.2014
    Ich sags mal so:
    Das Problem liegt doch darin, dass die Regierung das Asylproblem an die Länder weitergibt und
    die an die Kommunen.
    Hilfestellung ist keine vorhanden, Geld so wie so nicht.
    Der Bürger sieht nun im Hinblick darauf, dass die Renten sinken, dass
    die Renten nicht sicher sind und dass jeder für seine eigene Rente finanziell
    etwas tun muss, ansonsten seine Existienz den Bach runter läuft.
    Zudem nun mal die Turnhallen die belegt werden, die letztlich der Öffentlichkeit entzogen
    werden.
    Da fragt sich mancher, warum nutzt man für solche Zwecke nicht
    leer stehende Bürogebäude?
    Alles in allem steht letzt endlich der Bürger als der Dumme da, weil
    er die Zeche zahlen muss und dass in doppelter Hinsicht.
    Wir werden sehen, dass noch mehr Bürger auf die Straße gehen.
    Entspannung könnte man schaffen, wenn man die Asylverfahren
    beschleunigt, denn nach den aktuellen Zahlen sind von
    den 40 % Asylberwerbern, 14 % die es gar nicht betrifft,
    weil sie aus keinem Kriegsland kommen noch gar politisch
    Verfolgt sind.
    Nur man muss es dem Bürger auch mal verkaufen und sich
    nicht nur in Schweigen hüllen.
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