Kommunales

Konsequent marktwirtschaftlich oder doch lieber sozial-liberal: Der künftige Kurs der bayerischen FDP steht auch nach dem Landesparteitag nicht fest. (Foto: DPA)

17.01.2014

"Einkommens- statt Gewerbesteuer"

Erlangens dritte Bürgermeisterin Elisabeth Preuß (FDP) über die Chancen eines Comebacks der Liberalen zur Kommunalwahl im März

Im September 2013 flog die FDP aus dem bayerischen Landtag. Eine Chance, die Scharte auszuwetzen, sind die Kommunalwahlen am 16. März. Erlangens dritte Bürgermeisterin Elisabeth Preuß – die einzige mit FDP-Parteibuch in einer bayerischen Großstadt – setzt vor allem auf weniger Bürokratie in der Wirtschaft und mehr soziales Denken.

BSZ Frau Preuß, Ihre Partei erhielt bei der Landtags- und Bundestagswahl im September vergangenen Jahres eine brutale Klatsche, flog aus beiden Parlamenten. Warum soll zur Kommunalwahl im März ein Comeback gelingen?
Preuß Das Ergebnis war natürlich ein Schock. Aber Kommunalpolitik funktioniert völlig anders. Und wir haben als liberale Stadtratsfraktion in Erlangen in den vergangenen sechs Jahren Ergebnisse erzielt, mit denen wir beim Bürger punkten können. BSZ Was zum Beispiel?
Preuß Wir haben uns unter anderem stark gemacht für die Realisierung des Archivs im Museumswinkel und haben die Sanierung des Freibads West samt Erhalt des Sprungturms vorangetrieben. BSZ Das ehrt Sie und Ihre Stadtratskollegen – aber hilft das auch der FDP als solcher?
Preuß Wir können damit unser Profil schärfen. Aber es stimmt auch, dass die FDP in Erlangen schon immer überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte. Da wirkt noch nach, dass hier der ehemalige Bundestagswahlkreis von Hildegard Hamm-Brücher war. BSZ Bei vielen Bürgern gilt die FDP als Partei, welche die kommunale Daseinsvorsorge privatisieren möchte, aktuelles Stichwort: Trinkwasserversorgung.
Preuß Es stimmt, in Erlangen beispielsweise haben wir 1998 eine Privatisierung der Stadtwerke angeschoben. Den Bürgerentscheid darüber haben wir dann krachend verloren – und ich bin heute dankbar dafür! Es ist nämlich gut, wenn Städte solche grundlegenden Dinge weiter in eigener Regie betreiben. BSZ Aber auch mit den Plänen für eine Abschaffung der Gewerbesteuer machen Sie sich als FDP bei Bürgermeistern kaum Freunde – parteiübergreifend, einschließlich der ebenfalls nicht gerade als wirtschaftsfeindlich bekannten CSU.
Preuß Das hat auch mit der Angst zu tun, was stattdessen kommt. Dazu muss man aber sagen, dass unser Konzept in der Öffentlichkeit immer nur halb kommuniziert wird. Wir wollen vor allem die Finanzierung der Kommunen auf eine sicherere Grundlage stellen. Es gibt so viele neue und kostenintensive Aufgaben. Ich nenne als Beispiel den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Natürlich gibt es einen Investitionszuschuss vom Staat – aber der Großteil der Betriebskosten, die bleiben auf Jahre bei den Kommunen. BSZ Wie könnte eine Änderung denn ausschauen und was soll es den Städten bringen?
Preuß Die Gewerbesteuer unterliegt sehr vielen Schwankungen, viele Städte sind abhängig von wenigen großen Firmen. Wenn es denen schlecht geht, spürt das die Kommune. Wenn Siemens in Erlangen pro Arbeitnehmer soviel Gewerbesteuer zahlen würde wie ein durchschnittlicher Mittelständler, dann wäre unser Kämmerer seine Sorgen los. Ein größerer Brocken von der Einkommenssteuer wäre schon eine große Hilfe für die Kommunen, weil diese Steuer verlässlich planbar ist. BSZ Mit welchen Punkten möchte die FDP punkten im Kommunalwahlkampf?
Preuß Zunächst mit der Wirtschaftsförderung. Für mich als Liberale heißt das vor allem eine unternehmensfreundlichere Politik mit weniger Bürokratie. Da kann man manches einfacher machen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei uns in Erlangen wirbt ein Unternehmen für seine verschiedenen Produkte mit je einer Fahne für jedes Produkt vor dem Firmensitz – drei Fahnen für drei Produkte. Als sie dann ein viertes Produkt vertreiben wollten, wollten sie eine vierte Fahne aufstellen. Das war ein endloser Prozess in der Verwaltung. Aber Firmen sollten nicht jedes neue Detail extra beantragen müssen. Wichtig sind uns außerdem eine Willkommenskultur für Zuwanderer und bezahlbarer Wohnraum. BSZ Wow – jetzt will also auch die FDP Luxussanierungen verbieten?
Preuß Nein, da bin ich dann doch eine Liberale, von Verboten halte ich wenig. Ich denke eher an eine Erweiterung des Förderprogramms von Bund und Land für den Wohnungsbau. Und die Kommunen müssen einen stärkeren eigenen Beitrag leisten. Wo ein Investor den normalen Bodenpreis bezahlen muss, sind günstige Wohnungen vielerorts inzwischen schon nicht mehr realisierbar. Hier könnten die Städte einspringen, etwa über Erbpacht-Projekte. Gut ist außerdem eine Verpflichtung, bei jedem Wohnungsneubauprojekt mindestens 20 Prozent Sozialwohnungen zu errichten. BSZ Die Grünen erklären sich gerade zur neuen und besseren FDP. Wie schaffen Sie es, langfristig doch noch gebraucht zu werden?
Preuß Unter anderem dadurch, dass wir uns auf unsere sozial-liberalen Wurzeln besinnen. Und ich meine das nicht parteipolitisch in Bezug auf Koalitionen mit der SPD, obwohl wir diese Option wieder stärker ins Auge fassen sollten. Sondern auch in Bezug auf Inhalte. Die Bürger müssen uns wieder wahrnehmen als die Partei von Freiheit und Verantwortung. Freiheit ohne Verantwortung für das Gemeinwesen ist für Liberale nicht denkbar. Beides also gleich stark gewichtet. (Interview: André Paul)

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