Kommunales

Das Herz der Landeshauptstadt: die Mariensäule (links), die Frauenkirche und das neue Rathaus am Marienplatz. (Foto: dpa/Matthias Balk)

21.02.2020

Erstmals gibt es einen Dreikampf um den OB-Posten

Serie: Der Kommunalwahlkampf in den acht bayerischen Großstädten. Teil 7 – München

Zur Kommunalwahl am 15. März 2020 stellt die Staatszeitung die Kandidaten für den Posten des OB und die für den Stadtrat antretenden Listen in den acht Städten des Freistaats mit mehr als 100 000 Einwohnern vor. Sollte im rund 1,5 Millionen Einwohner zählenden München die SPD ihr wichtigstes verbliebenes politisches Amt in Bayern verlieren, wäre das für die Partei eine Katastrophe.

Die Oberbürgermeisterwahl in München am 15. März 2020 ist in zweierlei Hinsicht eine Premiere. Zum einen gehen alle Prognosen davon aus, dass sich erstmals in der Nachkriegszeit ein Dreikampf um den Chefposten im Rathaus entspinnt – was am Erstarken der Grünen in der Landeshauptstadt liegt. Zum anderen könnte München nach der Wahl erstmals in seiner Geschichte von einer Oberbürgermeisterin regiert werden. Ja mehr noch: Zwei der drei aussichtsreichen Bewerber sind Frauen, nämlich die Grüne Katrin Habenschaden und die amtierende Kommunalreferentin Kristina Frank, die für die CSU ins Rennen geht.

Dieses Duo – nebst einem Dutzend weiterer Kandidaten – fordert Amtsinhaber Dieter Reiter (SPD) heraus, der freilich als Favorit gilt. Schließlich verfügt der 61-Jährige nicht nur über den Amtsbonus und erntet für seine Politik konstant hohe Zufriedenheitswerte. Sondern Reiter ist auch der mit Abstand bekannteste und aus Sicht vieler Münchner sympathischste Kandidat, wie die Umfragen belegen. Von daher setzt der einstige Wirtschaftsreferent im Wahlkampf vor allem auf das bewährte Rezept vieler Amtsinhaber, das in seinem Fall lautet: Der Oberbürgermeister ist der Oberbürgermeister – und hält sich raus aus jeglichen Scharmützeln, um der Konkurrenz möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

Und doch ist der 15. März für den in zweiter Ehe verheirateten SPD-Mann keine „gmahde Wiesn“ – was vor allem an drei Gründen liegt. Erstens bekommt der Sozialdemokrat von seiner Partei, vorsichtig ausgedrückt, nicht eben Rückenwind. Vielmehr ist die SPD dieser Tage mal wieder vornehmlich mit sich selbst beschäftigt und hat in Bayern obendrein einen Stammplatz im Jammertal. Oder in Zahlen ausgedrückt: irgendwo zwischen gerade noch zweistellig und Fünf-Prozent-Hürde. Dass Reiter bei der Kommunalwahl besser abschneiden wird als seine Partei, ist so sicher wie ein volles Wiesnzelt am Samstagabend.

Zur Landtagswahl wurden die Grünen stärkste Kraft

Und doch bleibt die Frage: Gelingt dem amtierenden OB der schwierige Spagat, seine schwächelnde Partei auf Distanz zu halten, ihr aber zugleich nicht komplett den Rücken zu kehren? Zweitens – und das ist die große Unbekannte bei der Wahl – gibt es einen neuen Big Player in der Münchner Politik: die Grünen. Sie waren bei der jüngsten Landtagswahl 2018 mit 31,2 Prozent die stärkste Kraft in der Landeshauptstadt und ließen CSU (24 Prozent) und SPD (12,6 Prozent ) deutlich hinter sich. Auch bei der Kommunalwahl im März darf die Öko-Partei laut Umfragen mit satten Gewinnen rechnen. Und im Rennen ums Oberbürgermeisteramt dürfte Katrin Habenschaden ebenfalls besser abschneiden als 2014 ihre Parteikollegin Sabine Nallinger, die damals 14,7 Prozent der Stimmen holte.

Doch trägt der grüne Aufwind die 42-Jährige bis in die Stichwahl? Oder gar ins OB-Büro im zweiten Stock des Rathauses? Katrin Habenschaden setzt im Wahlkampf jedenfalls auf die klassischen Themen der Grünen. So fordert die Fraktionschefin im Stadtrat einen „radikalen Kurswechsel“ beim Klimaschutz – etwa durch die Abschaltung des Kohleblocks im Heizkraftwerk Nord bis 2023 und ein Ende aller Pläne für eine dritte Startbahn am Flughafen. Darüber hinaus wirbt die Bankkauffrau, die sich für den Wahlkampf ein Jahr von ihrem Job bei der Stadtsparkasse hat beurlauben lassen, für eine „Verkehrswende“ mit einem 365-Euro-Ticket für alle, dem Bau eines S-Bahn-Rings und einer Verdoppelung des Trambahnnetzes.

Um all dies geht es bei den zahlreichen Wahlkampfauftritten Habenschadens, die jedoch vor allem ein Ziel haben: Die Grünen-Kandidatin bekannter zu machen. Denn noch Anfang November 2019 war ihr Name laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts RIM bloß 35 Prozent der Münchner ein Begriff.

Nur jeder fünfte Einwohner kennt die CSU-Bewerberin

Gar nur etwas mehr als jeder fünfte Bewohner der Landeshauptstadt wusste unterdessen, wer Kristina Frank ist. Die Kommunalreferentin im Rathaus geht ins Oberbürgermeisterrennen als Kandidatin der CSU, die letztmals mit Erich Kiesl den Münchner OB stellte – von 1978 bis 1984. Mit der 38-Jährigen haben die Christsozialen – und das ist der dritte Grund, der Reiter gefährlich werden könnte – eine Bewerberin aufgestellt, wie sie die Partei bislang noch nie hatte: Kristina Frank ist jung und weiblich, gibt sich liberal und weltoffen, frisch und bunt. Kurzum: Sie steht wie kaum eine andere in der Partei für das moderne Großstadtprofil der CSU.

Die gelernte Juristin hat eine steile Karriere hingelegt: Erst seit 2014 sitzt Frank im Stadtrat, nur vier Jahre später stieg sie zur Kommunalreferentin auf. Nun will sie noch höher hinaus, in den Chefsessel im Rathaus – wobei sich der bekennende Yoga-, Fahrrad- und FC-Bayern-Fan im Wahlkampf inhaltlich oft vage zeigt. Sie wolle das Leben der Münchner verbessern, sagt sie gerne. Die Stadt „droht aus dem Gleichgewicht zu kommen“ – wegen hoher Mieten, voller Straßen und fehlender Betreuungsplätze. „Wir müssen wieder eine City-Life-Balance finden“, so formuliert sie das in einem der vielen Videos auf ihrer Homepage. Und weiter: „Wir brauchen ein Mehr an Lebensqualität.“

Das wiederum lässt sich als Seitenhieb auf den Amtsinhaber deuten, der derlei Spitzen aber an sich abperlen lässt. Schließlich kennt Dieter Reiter die aktuellen Umfragen, wonach ihn 86 Prozent der Münchner kennen – und ebenso viele sympathisch finden. Gut zwei Drittel sind demnach mit seiner Politik zufrieden. Und laut einer Erhebung des Insa-Instituts im Auftrag der Bild-Zeitung vom Frühjahr 2019 bekäme der SPD-Mann bei der Direktwahl satte 59 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang, müsste also nicht mal in die Stichwahl gegen Frank (20 Prozent) oder Habenschaden (17 Prozent).

FW, FDP, AfD, ÖDP, Linke, Bayernpartei: chancenlos

Voraussichtlich keine große Rolle spielen bei der OB-Wahl werden die Kandidaten der anderen Parteien. Für die Freien Wähler geht der pensionierte Berufssoldat Hans-Peter Mehling (61) ins Rennen. Sein Kollege im Stadtrat, der Hochschulprofessor Jörg Hoffmann (48), kandidiert für die FDP und setzt inhaltlich auf die Themen Wohnungsbau und Verkehr. Die Linke vertraut in dem Kulturveranstalter Thomas Lechner (57) auf einen parteilosen Bewerber, die Bayernpartei hat den langjährigen Stadtrat Richard Progl (40) nominiert, und für die ÖDP tritt Tobias Ruff (43) an, der bei der vergangenen OB-Wahl 1,1 Prozent der Stimmen holte. Die AfD hat Wolfgang Wiehle (55) aufgestellt; der Informatiker saß acht Jahre lang für die CSU im Münchner Stadtrat und ist inzwischen AfD-Bundestagsabgeordneter.

Dazu haben in den vergangenen Wochen fünf Kleinparteien ihre Kandidaten benannt: Stephanie Dilba kandidiert für die Partei Mut, die langjährige SPDlerin Ender Beyhan-Bilgin für die neue Liste „Freie Allianz für Innovation und Rechtsstaatlichkeit“, der Bühnentechniker Moritz Weixler für die Satire-„Partei“, Beate Lippmann für die Piraten/Demokratie in Bewegung und Dirk Höpner für die wachstumskritische „München-Liste“. (Patrik Stäbler) 

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