Kommunales

Noch immer verweigern sich viele Kommunen dem Auftrag des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, Abfälle weitestgehend getrennt zu erfassen. (Foto: Christ)

18.11.2022

Es entsteht noch immer zu viel Müll

Bei der Europäischen Woche der Abfallvermeidung wollen die Städte und Landkreise ihre Bevölkerung für das Thema sensibilisieren

In der Corona-Pandemie hatten die Menschen Zeit, im großen Stil zu entsorgen, was sich bei ihnen daheim an Unnützem angesammelt hatte. Im Landkreis Kronach stieg die Sperrmüllmenge dadurch deutlich an. „Es gab in den Jahren 2020 und 2021 aber auch mehr Hausmüll“, berichtet Susanne Knauer-Marx von der Abfallwirtschaft des Landratsamts anlässlich der Europäischen Woche der Abfallvermeidung, die heuer vom Samstag, 19., bis Sonntag, 27. November 2022 stattfindet.

Echte Erfolge in Sachen Abfallreduktion sind also im Rückblick auf die letzten zwei Jahre nicht zu verbuchen. Wobei die Situation innerhalb Bayerns divergiert. Es geht allerdings auch nicht allein um nackte Zahlen. Sondern ebenso um die Art des Mülls. „Neue Werkstoffe wie Verbundverpackungen, Leichtglas, Karbon, andere Faserverbundstoffe oder moderne Baumaterialien bringen neue Entsorgungs- und Verwertungsprobleme mit sich“, schildert Susanne Knauer-Marx.

Allein im Bereich der Elektro- und Elektronikgeräte träten viele neue Verwertungs- und Entsorgungsfragen auf: „In Bezug auf Sonnenkollektoren, Photovoltaikmodule, E-Bike-Akkus oder E-Zigaretten.“ Mit einem Gegenstand, der für einen selbst keinen Wert mehr hat, kann man so oder so umgehen. Man kann das Ding einfach in den Hausmüll schmeißen – oder es, so es noch intakt und ansehnlich ist, weitergeben. Mehr Second-Hand-Shops und Sozialkaufhäuser zu nutzen, dafür plädiert Wolfgang Metzinger, Abfallwirtschaftsberater im schwäbischen Landkreis Neu-Ulm, anlässlich der Abfallvermeidungswoche.


Neu-Ulm: Die Menschen bemühen sich zumindest


Auch in Neu-Ulm stieg der Haus- und Sperrmüll 2020 und 2021 an, und zwar um fast 10 Prozent. Heuer wurde bisher immerhin das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht. Beim Thema „Müllvermeidung“ überschneiden sich die Themenkreise „Ressourcenschonung“ und „Nachhaltigkeit“. „Man sollte, wo immer möglich, auf Verpackungen verzichten“, appelliert vor diesem Hintergrund Thomas Settele von der ZAK-Abfallwirtschaft GmbH in Kempten. Gerade im To-Go-Bereich gebe es mittlerweile gute Möglichkeiten, Abfall zu vermeiden, etwa durch Mehrweg-Geschirr: „Aber auch im Einzelhandel kann mehr und mehr auf Verpackungen verzichtet werden.“ Ein besonders wichtiges Thema ist für Settele die Lebensmittelabfallvermeidung: „Dazu haben wir in einem EU-Projekt namens Marlene wertvolle Tipps gesammelt.“

In Kempten ist zu beobachten, dass sich die Bürger*innen tatsächlich bemühen, Müll zu vermeiden. „Während im ersten Corona-Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 noch 3,2 Prozent mehr Restmüll angefallen ist, sank die Menge in den folgenden Jahren kontinuierlich“, berichtet Thomas Settele. Auch die Altpapiermenge ging im Gebiet des Abfallzweckverbands ZAK 2021 und 2022 zurück. Bei den Leichtverpackungen, die im Gelben Sack landen, kam es 2020 zu einer Steigerung um 1 und 2021 um 3 Prozent: „Im Jahr 2022 ging die Menge im Vergleich zum Vorjahr wieder um 1 Prozent retour.“ Beim Thema Müll müsse „unbedingt ein Wort zu Kunststoff fallen“.

Gerade dieses Teilthema hat es in sich. „Infolge eines Kunststoff-Bashings werden zum Zeil gut recycelbare Kunststoffverpackungen durch scheinbar ökologische Papierverpackungen ersetzt“, sagt Rüdiger Weiß vom Verband der Bayerischen Entsorgungsunternehmen. Diese hätten jedoch zum Beispiel oft eine innen verklebte Kunststoffschicht: „Das ist im Grunde klassisches Greenwashing ohne ökologischen Sinn.“

 

Das große Problem sind Mischkunststoffe und Verbund-Verpackungen



Recycelbare Kunststoffverpackungen wären im Vergleich dazu eindeutig besser. So, wie zermatschtes Obst in die Biotonne gehört, gehört der Plastikjoghurtbecher in den Gelben Sack. Doch das geschieht oft nicht. „Ich würde mir eine bessere Trennung durch die Bürger wünschen, denn je besser getrennt wird, umso besser klappt das Recycling“, sagt Rüdiger Weiß. Etwa die Hälfte der Kunststoffverpackungen werden aktuell stofflich verwertet. Die Sortiertechnik schreite voran: „Inzwischen können moderne Anlagen sogar schwarze Kunststoffverpackungen sortieren.“ Das war bis vor Kurzem noch ein Problem. Mehr Recycling wäre möglich, gäbe es nicht so viele Verpackungen aus Verbunden oder Mischkunststoffen: „Die lassen sich meist nur energetisch verwerten.“

Patrick Hasenkamp, Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), weist mit Blick auf die Corona-Krise auf größere Mengen unvermeidbarer wie problematischer Abfälle hin. „Es gibt weder ein Vermeidungs- noch ein Verwertungspotenzial für Masken oder Testkits“, sagt er. Genauso verhalte es sich mit Inkontinenzwindeln, Hygieneartikeln und ähnlichen Dingen, die im Restmüll landen: „Diese Stoffe sind definitiv nicht verwertbar.“ Hier sei Entsorgungssicherheit entscheidend: „Die Vorstellung, dass alles, was sich im Restmüll befindet, verwertbar wäre, ist falsch.“ Das Trennen aller möglicher Abfälle mag mitunter beschwerlich fallen.



Drei Kommunen sammeln noch immer keine Bioabfälle


Aus Gründen des Umweltschutzes ist es unabdingbar. Voraussetzung für eine gute Trennung ist ein gutes Trennsystem. Deutschlandweit haben jedoch noch nicht alle Kommunen zum Beispiel eine Biotonne. „In Bayern allerdings ist sie fast flächendeckend eingeführt“, so Sabine Schulz-Hammerl, Vorsitzende der Landesgruppe Bayern im VKU und 2. Werkleiterin des Abfallwirtschaftsbetriebs München.

Nur in Coburg, Rosenheim und im Landkreis Altötting werden noch immer keine Bioabfälle gesammelt. Dies sei schade: „Wir in München stellen daraus Kompost, Münchner Erden und Ökostrom her.“ Eine gute ausgebaute Entsorgung beinhaltet neben der Biotonne auch Wertstofftonnen sowie ein bürgerfreundliches Angebot an Recyclinghöfen. „Es gibt Kommunen, die aus finanziellen Gründen ihre Einrichtungen nicht ausbauen oder sogar zurückfahren“, sagt dazu Patrick Hasenkamp. In großen Städten hingegen entwickelten sich Recyclinghöfe zunehmend zu Wiederverwendungszentren weiter: „Werkstätten oder Reparaturinitiativen werden finanziell gefördert.“ Ein Ansatz, den die EU aufgreifen und zur Pflicht machen wolle. (Pat Christ)

 

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