Kommunales

Nicht jeden Straßenneubau hätte es hinsichtlich der Verkehrsauslastung zwingend gebraucht, findet der Bund Naturschutz. (Foto: dpa)

17.08.2018

Flächenfraß durch Förderfehler?

Viele kommunale Straßenbauprojekte seien zu groß geplant oder gar überflüssig, schimpfen Naturschützer

Der Bund Naturschutz (BN) erhebt schwere Vorwürfe gegen Bayerns Gemeinden: Sie würden Straßen größer bauen beziehungsweise sanieren als notwendig – und damit zusätzlich zum Flächenfraß beitragen. Der kommunale Spitzenverband weist die Vorwürfe zurück. Man sei streng an das Prinzip der Wirtschaftlichkeit gebunden.

Es passiere in Bayern häufig, dass Gemeindestraßen überbreit ausgebaut werden, nur weil dies die Förderrichtlinien verlangen. „Damit wird noch mehr Fläche verbraucht und Steuergeld wird zusätzlich zum Fenster hinausgeworfen. Genauer gesagt, in die Fenster der Bauunternehmen hinein. Wir denken, es ist höchste Zeit, mit diesem Unsinn Schluss zu machen“, heißt es in einer aktuellen Broschüre des Bund Naturschutz.

Ein Beispiel aus der Gemeinde Rettenberg im Landkreis Oberallgäu: Die Strecken zwischen verschiedenen Ortsteilen sollten komplett neu ausgebaut werden. Das hatte der Gemeinderat einstimmig abgesegnet. Allerdings wurde beim ersten Streckenabschnitt nachgerechnet, ob es nicht doch ausreicht, nur die Fahrbahn zu sanieren und eine neue Asphalt-Deckschicht aufzutragen. Ein Vollausbau beider Straßen sollte rund 622 000 Euro kosten. „Hier gibt es aber zwischen 50 und 60 Prozent Zuschuss vom Freistaat“, so die Info des ausführenden Bau- und Planungsbüros. Eine sogenannte qualifizierte Sanierung würde dagegen zwar nur rund 350 000 Euro kosten – aber keinen Cent an Zuschüssen einbringen.

Doch damit nicht genug: Überhaupt, so lautet die Einschätzung des Bund Naturschutz, werde in Bayern zu viel und zu aufwendig bei Straßen saniert – gerade bei den landesweit rund 100 000 Kilometern an Stadt- und Gemeindestraßen. Auf diesen herrsche zwar keine so große Verkehrsbelastung wie etwa auf Bundes- oder Landesstraßen, sie machten aber das Gros der Verkehrsflächen in Bayern aus.

Nur noch in begründeten Ausnahmefällen neu bauen

Auch dafür haben die Umweltschützer ein aus ihrer Sicht aussagekräftiges Beispiel: der Ausbau der Straße zwischen Wittershausen und Garritz im Landkreis Bad Kissingen. „Unsinnig“ sei dieser gewesen, schimpfen sie, und „wegen des geringen Verkehrsaufkommens in dieser Form nicht notwendig. Durch die Maßnahme gingen vier bis acht Hektar wertvoller Wald verloren. Die erfolgten Begradigungen veränderten und verschlechterten das Landschaftsbild erheblich. Durch die nun nach dem Ausbau möglichen höheren Fahrgeschwindigkeiten nimmt die objektive Verkehrssicherheit auch nach dem Ausbau nicht zu.“

Vielmehr ist der BN überzeugt: „Das Straßennetz in Bayern gewährleistet ein landesweit hohes Niveau an Erreichbarkeit und befindet sich generell in gutem Zustand. Für jeden weiteren Kilometer Straßenneu- oder -ausbau stellt sich die Frage, wie der zukünftige Unterhalt finanziert und gesichert werden kann“, schreiben die BN-Autoren. Auch zerschnitten „schon jetzt die Straßen in Bayern vielfach wichtige Lebensräume wertvoller Arten und bedrohen auch die Lebensqualität der Bevölkerung. Ein Aus- oder Neubau von Straßen sollte daher nur noch in wirklich gut begründeten Ausnahmefällen erfolgen."

Hintergrund: Vielfach sind die Gemeinden sowohl mit dem Unterhalt als auch mit einem eventuellen Neubau von Straßen überfordert, da sie diese Ausgaben aus eigenen Mitteln kaum stemmen können. Der Freistaat hat daher ein Zuschusssystem eingerichtet, um diese Ausgaben mitzufinanzieren. Die Rechtsgrundlagen dazu sind im Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Bay-GVFG), Finanzausgleichsgesetz (FAG) und in den Richtlinien für Zuwendungen im kommunalen Straßenbau (RZStra) geregelt. Wichtigste Bedingung für die Förderfähigkeit bei Neu- und Ausbau kommunaler Straßen ist die „dringend notwendige Verbesserung der Verkehrsverhältnisse“.

Nicht nur die ökologische Sichtweise einnehmen

Was den Bund Naturschutz besonders stört: Was genau darunter zu verstehen sei, werde nicht ausreichend öffentlich dokumentiert. „Die Beseitigung eines Unfallschwerpunkts fällt hierunter genauso wie eine Forderung eines Verbandes nach einer schnelleren Fahrt von A nach B“, schreiben die Autoren.

Beim Bayerischen Gemeindetag wehrt man sich gegen den Vorwurf, unnötig Geld zu verbraten oder Flächen zu versiegeln. „Die Gemeinden müssen nach Art. 61 und 62 Gemeindeordnung sparsam und wirtschaftlich haushalten. Das ist ein eherner Grundsatz, der auch von den Rechnungsprüfern der Landratsämter beziehungsweise des Kommunalen Prüfungsverbands streng bei den Gemeinden geprüft wird“, erläutert
Wilfried Schober, der Sprecher des kommunalen Spitzenverbands. „Daher kann es durchaus sein, dass es in einigen Fällen wirtschaftlicher für eine Gemeinde ist, genau nach den Vorgaben einer Förderrichtlinie zu handeln und so den gemeindlichen Eigenanteil zu minimieren, als auf die staatliche Förderung zu verzichten und alles selbst aus dem Haushalt zu bestreiten.“

Der Bund Naturschutz, fügt Wilfried Schober hinzu, habe nur die ökologische Sichtweise im Blick – was für ihn legitim ist –; aber die Thematik ist oftmals vielschichtiger und komplizierter.“ (André Paul)

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