Kommunales

Ein-Euro-Jobber können beispielsweise körperlich beeinträchtigte ältere Menschen bei Ausflügen und zum Einkaufen begleiten. (Foto: DAPD)

19.11.2010

Hilfe für den Alltag statt Sprungbrett zum Arbeitsplatz

Bayerns Optionskommunen wehren sich gegen die Kritik des Bundesrechnungshofs, Ein-Euro-Jobs seien meist teuer und überflüssig

Der Bundesrechnungshof prangert in einem internen Bericht die angeblichen „eklatanten Mängel“ beim Einsatz von Ein-Euro-Jobbern an. In den vier bayerischen Optionskommunen, welche die Betreuung der Hartz-IV-Empfänger allein verantworten, stößt die Kritik auf Unverständnis.
m Landkreis Würzburg gibt es einen Badesee. Die Bevölkerung nutzt ihn im Sommer gern und viel, also muss er auch regelmäßig gepflegt werden. Das übernehmen in der Regel Ein-Euro-Jobber. Kommerziell ließe sich diese Arbeit nicht erledigen, kein privates Unternehmen könnte damit Gewinn erzielen, wenn es denn für die Kommune noch bezahlbar bleiben soll.
Es ist nicht klar, ob man beim Bundesrechnungshof auch an solche Tätigkeiten gedacht hat, als über den Ein-Euro-Jobs grundsätzlich der Stab gebrochen wurde, unter anderem mit der Feststellung, dass sie kaum eine Hilfe für die eingesetzten Langzeitarbeitslosen darstellten, vielmehr eine Gefahr bedeuteten für den regulären Arbeitsmarkt – so zumindest berichtete die Süddeutsche Zeitung.


Beifall vom Handwerk


In ihrem Bericht beanstandeten die Kontrolleure, dass angeblich bei mehr als der Hälfte der Fälle die Voraussetzunqg für eine staatliche Förderung fehlte. Entweder habe es sich bei den Arbeiten nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, um eine „zusätzliche Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit“ gehandelt, oder aber die Ein-Euro-Jobber hätten privaten Firmen Konkurrenz gemacht. So hätten die eingesetzten Männer und Frauen unter anderem illegalen Müll entsorgen oder die Nasszellen in einem Seniorenheim reinigen müssen. Damit würden vor allem Kommunen ihre „Personalkosten reduzieren“, heißt es in dem Bericht weiter.
Eberhard Blenk, im Landkreis Würzburg zuständig für die Betreuung und Vermittlung der Hartz-IV-Empfänger, widerspricht hier aus vollstem Herzen. „Wir halten die Einrichtung weiterhin für notwendig. Aber wer Ein-Euro-Jobs vorrangig als Instrument begreift, mit dem 80 Prozent der Teilnehmer möglichst rasch wieder eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden, der hat das Prinzip nicht verstanden“, schimpft Blenk. Vielmehr komme es darauf an, Menschen, die oft jahrelang ohne Job gewesen sind, überhaupt wieder an Arbeit heranzuführen, deren Tagen Struktur zu geben. „Die müssen wieder Pünktlichkeit lernen, einen Acht-Stunden-Tag durchhalten“, erläutert der Vermittler. Das Ganze sei auch ein Akt der Menschenwürde, andernfalls würde man die Betroffenen nämlich aufgeben und sie „nur noch alimentieren und verwalten“.
Maximal ein oder zwei Hartz-IV-Empfänger kämen in einer Einrichtung, beispielsweise bei einem gemeinnützigen Zweckverband oder einem Bauhof, ohnehin nicht zum Einsatz; nur dann sei eine effektive Betreuung gewährleistet. „Man kann die Leute auch nicht dazu zwingen“, ist der Würzburger überzeugt, „dann kommt nichts Vernünftiges dabei raus.“ Derzeit seien in seinem Zuständigkeitsbereich, dem Landkreis Würzburg, 120 Personen in Ein-Euro-Jobs tätig – bei insgesamt 2700 erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern ohnehin nur ein vergleichsweise geringer Anteil.
Noch weniger sind es im Landkreis Miesbach, Bayerns südlichster Optionskommune. „Ein-Euro-Jobber sind für uns nicht das vorrangige Thema“, erklärt Vermittlungschef Gerhard Brandl. Gerade mal 30 Personen betätigen sich in dem Voralpen-Kreis in diesem Sektor, bei insgesamt 1300 ALG II-Empfängern. „Bei unseren Gemeinden besteht kein so großes Interesse“, erläutert Brandl. Für die Leiter der kommunalen Bauhöfe sei der Aufwand der Einarbeitung im Verhältnis zur anschließenden Arbeitszeit zu hoch.
In Bayern insgesamt gibt es allerdings derzeit rund 14 300 Ein-Euro-Jobber, nicht gerade wenig also. In den finanzstarken und wirtschaftlich prosperierenden Regionen Oberbayerns und Schwabens sind es, gemessen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen, eher weniger, in Franken und Ostbayern dagegen mehr.
Applaus für die Ansicht des Bundesrechnungshofes kommt deshalb vom bayerischen Handwerk. „Damit werden unsere Vorbehalte gegen diese Maßnahme erneut bestätigt. Es ist erwiesen, dass Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze verdrängen. Davon ist auch das Handwerk stark betroffen. Wir fordern daher, sie abzuschaffen“, betont Kammerpräsident Heinrich Traublinger. Um mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, müssten Arbeitslose dem Bedarf des Marktes entsprechend qualifiziert werden. Dies sei bei Ein-Euro-Jobs nicht der Fall, erklärt der Verbandsfunktionär.
Bei der Zentrale der Bundesagentur in Nürnberg heißt es auf Nachfrage der Staatszeitung, man nehme „die vorliegende Prüfungsmitteilung zum Anlass, die rechts- und weisungskonforme Umsetzung der Arbeitsgelegenheiten zu prüfen und, soweit erforderlich, die Neuausrichtung der lokalen Praxis einzufordern“. Nicht in Bayern, jedoch in Thüringen gab es nach Angaben der Bundesagentur aber auch schon Klagen von einzelnen Hartz-IV-Empfängern, welche die Zusätzlichkeit ihrer Tätigkeit anzweifelten. (André Paul)

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