Kommunales

Verkäuferin Margit Pabst füllt im Dorfmarkt in Simonshofen bei Lauf an der Pegnitz (Landkreis Nürnberger Land) den Obst- und Gemüsestand auf. (Foto: dpa/David Ebener)

29.07.2019

„Idealismus und Herzblut reichen nicht“

Der Wissenschaftler Markus Hilpert von der Universität Augsburg hat die Fehler von Dorfladen-Betreibern erforscht

Wenn es dem Supermarkt zu wenig lukrativ wird, dann sind Dorfläden eine Chance, um in kleinen Kommunen die Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs aufrechtzuerhalten. Jedoch rentiert sich nicht jeder Laden. Der Wissenschaftler Markus Hilpert von der Universität Augsburg hat im Auftrag der IHK Schwaben erforscht, welche Faktoren über den wirtschaftlichen Erfolg eines Dorfladens entscheiden.

BSZ: Herr Hilpert, was ist eine unverzichtbare Voraussetzung, wenn man in einer Gemeinde einen Dorfladen errichten möchte?
Markus Hilpert: Ganz wichtig ist die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger müssen hinter dem Dorfladen stehen, denn die Kunden kommen meist aus der Ortschaft. Wer den Zuspruch der Bevölkerung verliert, läuft große Gefahr, dass er scheitert.

BSZ: Was ist ein häufiger Fehler den Anfänger begehen?
Hilpert: Häufig werden Dorfläden ja mit sehr viel Idealismus und Herzblut gestartet. Aber es braucht auch einen belastbaren Businessplan, es braucht Kenntnisse in Betriebswirtschaft, über Mischkalkulationen oder Buchhaltung. Allein der Enthusiasmus ist zu wenig, ein Dorfladen braucht auch ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept.

BSZ: Angenommen, ich wäre ein Bürgermeister und plane einen Dorfladen – worauf muss ich genau achten?
Hilpert: Besser wäre es schon mal, wenn nicht Sie als Bürgermeister beziehungsweise aus dem Rathaus heraus den Laden planen, sondern er als Projekt direkt aus der Bürgerschaft kommt. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Läden, die sozusagen von unten initiiert wurden, eine stabilere Basis haben.

"Wichtig sind regionale Produkte"

BSZ: Und was kann der Bürgermeister tun?
Hilpert: Er kann geeignete Personen in der Bevölkerung gezielt ansprechen. Oder er kann unterstützen bei der Suche nach einer geeigneten Immobilie. Eventuell gibt es ja ein Gebäude im Eigentum der Kommune, das diese günstig zur Verfügung stellen kann. Der Bürgermeister kann auch bei der Vermittlung von Kontakten oder bei der Suche nach dem optimalen Standort helfen.

BSZ: Und wo wäre der?
Hilpert: Am besten im Zentrum des Dorfes, gut sichtbar am Marktplatz. Wir haben herausgefunden, dass schon wenige Meter davon entfernt – womöglich in einer Seitenstraße – einen großen Unterschied machen, wenn es um den Erfolg oder Misserfolg geht. Nicht selten entscheidet nur ein Katzensprung über die Größe der Kundenfrequenz.

BSZ: Worauf muss man noch achten?
Hilpert: Natürlich auf das Angebot. Wichtig sind regionale Produkte, Biowaren und saisonale Lebensmittel, wie etwa Spargel. Aber man muss auch auf die Ausgewogenheit achten, dass also auch bekannte und beliebte Markenartikel präsent sind, beispielsweise Nutella. Auch ein ansprechendes und individuelles Erscheinungsbild des Ladens wirkt positiv. Der Dorfladen sollte nicht wie ein Lager oder ein Discounter ausschauen. Der Kunde muss sich im Laden wohlfühlen. Und neben der Inneneinrichtung ist natürlich auch das äußere Erscheinungsbild ausschlaggebend für die Attraktivität des Dorfladens.

BSZ: Viele Dorfläden sind ja nicht nur Lebensmittelmärkte – bringt das was?
Hilpert: Auf jeden Fall! Wenn man eine Postfiliale, eine DHL-Annahmestelle, einen Zeitungskiosk oder eine Lotto-Annahmestelle mit unterbringt, bringt das immer mehr Frequenz in den Laden. Seit einiger Zeit bieten einige Dorfläden auch einen Rezeptdienst in Zusammenarbeit mit Apotheken an. Positiv wirkt sich auch ein kleines gastronomisches Angebot, etwa ein Stehcafé, aus. Diese Multifunktionalität, das haben wir beobachtet, entfaltet Magnetwirkung. Wer vielleicht nur ein Päckchen abgeben will, entscheidet sich spontan dafür, noch Obst oder Süßigkeiten einzukaufen.

"Freundlichkeit ist das A und O"

BSZ: Worauf muss man beim Personal achten?
Hilpert: Freundlichkeit ist das A und O. Der erste Kontakt zu einem Kunden kann viel entscheiden – denn diese Erfahrungen werden im Freundes- und Bekanntenkreis weitererzählt. Und was andere über einen Dorfladen sagen, ist viel wirksamer als dass was der Dorfladeninhaber über seinen Laden selber erzählt. Leider wird aber gerade der Punkt Personalqualität bei vielen Dorfläden noch zu wenig beachtet. Die großen Handelsunternehmen schicken ihre Mitarbeiter oft zu Weiterbildungen über Kundenservice oder Verkaufsgespräche, die kleinen Läden machen das fast nie. Vorteilhaft ist es auch, wenn der Inhaber des Ladens eine Person mit guter Reputation im Ort und lokal vernetzt ist. Ich sage mal salopp: Im Idealfall singt er im Kirchenchor mit, ist bei der Freiwilligen Feuerwehr und trainiert die D-Jugend des örtlichen Fußballvereins.

BSZ: Wie wird man denn als neu eröffneter Laden populär im Ort?
Hilpert: Da ist immer wieder Kreativität im Marketing gefragt. Rabatt-Aktionen und Sonderangebote reichen da schon lange nicht mehr. Heutzutage geht es auch um die Nutzung digitaler Möglichkeiten und moderner Kommunikationsformate, um Mikroevents oder um Vernetzung. Der Dorfladen muss sich überlegen, wie er sich in den Kindergarten und die Schule, beim Dorffest und beim Martinsumzug, beim Fußballspiel oder beim Ferienprogramm einbringen kann.

(Interview: André Paul)

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