Kommunales

Ein Zweitwohnsitz seit drei Monaten reicht künftig aus, um fürs Kommunalparlament zu kandidieren. (Foto: DPA)

22.11.2013

In Kulmbach wohnen, in Traunstein kandidieren

Bei der nächsten Kommunalwahl werden viele rechtliche Vorschriften für Gemeinderats- und Kreistagsbewerber aufgehoben

Die nächste bayerische Kommunalwahl am 16. März 2014 wird einige organisatorische Neuerungen mit sich bringen, welche die politische Szene in den Gemeinderäten und Kreistagen durcheinanderwirbeln könnten. Es ändert sich unter anderem die Wählbarkeit von Kandidaten. War es bisher nämlich zwingend notwendig, seinen Erstwohnsitz in jener Gemeinde zu haben, in der man sich zur Wahl stellt, fällt diese Hürde künftig weg. Ein zum Zeitpunkt der Wahl seit drei Monaten vorhandener Zweitwohnsitz reicht aus. Im Klartext: Ein Kulmbacher beispielsweise, der meist bei seiner Freundin in Traunstein weilt – dort also seinen „Schwerpunkt der Lebensbeziehung hat“ – und auch bei der Dame polizeilich gemeldet ist, darf ebenda als Volksvertreter antreten.
Es geht sogar noch bunter: Besagter Kulmbacher kann sich dazu entscheiden, daheim in Oberfranken den Stadtrat mitzuwählen, in Oberbayern dagegen für denselben nur passiv anzutreten. Und wenn es den Herrn nach weiterem kommunalpolitischen Engagement gelüstet, bietet sich zusätzlich noch die Kandidatur für den Kreistag an.
Auch für diesen Fall gelten ab 2014 im Freistaat sehr großzügige Regelung. Gemeinderats- und Kreistagsmandat müssen nicht mehr den gleichen Landkreis betreffen. Unser Kulmbacher kann sich also an seinem Erstwohnsitz für den Stadtrat aufstellen lassen und gleichzeitig den Einzug in den Kreistag anstreben. In den Kommunalaufsichtsbehörden wird die neue Regelung begrüßt. Gab es bisher doch keine einheitlichen Vorgaben und gelegentlich waren Wahlen in der Vergangenheit auch schon mal von unterlegenen Bewerbern angefochten worden.
Beim Bayerischen Gemeindetag dagegen sieht man die Entwicklung eher skeptisch. Man habe, als die Gesetzesänderung diskutiert wurde, vor den Abgeordneten des Landtags die Bedenken vorgetragen, berichtet Andreas Gass, der Rechtsreferent des kommunalen Spitzenverbands. „Aber wir konnten uns damit nicht durchsetzen.“ Die größte Befürchtung des Gemeindetags: Die kommunale Selbstverwaltung wird ausgehöhlt, weil die notwendige Verwurzelung und Bindung an einen Ort keine entscheidende Rolle mehr spielt. Auch Johann Keller, Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistags, ist kein Freund der neuen Regelung. Kommunalpolitiker seien immer aus der Mitte der Bürgerschaft in einer Gemeinde oder in einem Landkreis gewählt worden.

"In erster Linie Persönlichkeitswahlen"


Doch für das bayerische Innenministerium, auf dessen Initiative hin die Gesetzesänderung zustande kam, zählte mehr der öffentliche Frieden in den einzelnen Dörfern. Hatte es doch nach der letzten Wahl Fälle gegeben, die von Betroffenen als „Schnüffelei“ verstanden worden. „Gemeinden hatten unter anderem nachgeprüft, ob die angegebenen Zweitwohnsitze auch tatsächlich als solche genutzt wurden“, berichtet Andreas Gass. Unter anderem schauten die Verwaltungen, wie hoch die Nebenkosten bei Strom und Wasser waren. Zurecht, wie der Rechtreferent auch heute noch findet: Häufig konnte man anhand der niedrigen Verbrauchszahlen belegen, dass die offiziellen Nutzer sich wohl nur äußerst selten in ihren nominellen Zweitwohnungen aufhielten. Zwei Fälle landeten sogar vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – und wurden dort als zulässig eingestuft.
Praktiziert worden war dieses Verhalten besonders gern von Unternehmern, die Interesse hatten, am Firmensitz – meist nicht ihr familiärer Hauptwohnsitz – einen Sitz im Gemeinderat zu ergattern. Dass sie auf diese Weise die lokale Wirtschaftspolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen hofften, liegt als Erklärung zumindest nah.
Johann Keller vom Landkreistag tröstet sich zumindest mit der Erwartung, dass die Bürger dem ganzen durch ihr Abstimmungsverhalten einen Riegel vorschieben werden. „Kommunalwahlen sind immer noch in erster Linie Persönlichkeitswahlen. Da schauen die Menschen schon hin, ob einer vor der Wahl im Ort in Erscheinung getreten ist.“ (André Paul)

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