Kommunales

Bei ihnen muss man sich genau überlegen, was man sagt: Die neuen sogenannten Sprecher*innen für aktiv(ierend)e Antidiskriminierungsarbeit der Stadt Nürnberg sollen auch jenseits der Strafbarkeit aufspüren und anprangern, wenn Menschen politisch Unzulässiges äußern. Ganz links steht ihre Ausbilderin Natalie Keller. (Foto: Stadt Nürnberg)

13.03.2023

Ist das noch Demokratie?

In Nürnberg werden Zugewanderte angehalten, auch nichtstrafbare, aber politisch nicht gewollte Äußerungen öffentlich anzuprangern

Ein Schoko-Mohrenkopf ist eine rassistische Beleidigung, ein Indianerkostüm kulturelle Aneignung und Spott über Gender Studies Frauen- und Transfeindlichkeit: Der Woke-Teil von Deutschland kennt im Kampf gegen alles, was man bei bösem Willen als Diskriminierung verstehen kann, kein Erbarmen mehr. Da möchte Nürnberg nicht abseits stehen und installiert „aktiv(ierend)e Antidiskriminierungsarbeit“.

„Fauler Ausländer“, „krimineller Muslim“, „dummer Neger“: Wirkliche Beleidigungen sind leicht zu erkennen und entsprechend einfach juristisch zu ahnden; das soll auch so sein. Niemand muss sich das gefallen lassen. Beweise, dass Polizei und Staatsanwaltschaft dem bei einer entsprechenden Anzeige nicht nachgehen, gibt es höchstens im Promillebereich. Doch inzwischen fühlen sich immer mehr Menschen auch wegen Formulierungen weit unterhalb der Grenze zur Strafbarkeit getroffen und möchten alles, was sie über sich nicht hören wollen, verbieten.

Die Amadeu Antonio Stiftung hat daraus sogar ein Geschäftsmodell gemacht. Auf der Website der Initiative kann man jetzt bequem jeden anprangern, der im Sinne der politischen Korrektheit unzulässige Formulierungen von sich gegeben hat. Dazu gehört auch schon der Satz „Gender Studies an den Unis sind ein Schmarrn und rausgeworfenes Geld“. Dass diese Aussage zweifelsfrei von der Meinungsfreiheit geschützt ist, wissen Jurastudierende schon im ersten Semester.

 

Wiederbelebung des mittelalterlichen Schandpfahls im Netz



Aber das ficht die Stiftung, die bei ihrer Wiederbelebung des mittelalterlichen Schandpfahls im digitalen Netz auf finanzielle Unterstützung der grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus zählen kann, nicht an: Wenn man Andersdenkende schon nicht per Justiz mundtot machen kann – dann eben mittels sozialer Ächtung.

In Nürnberg werden im Herzen des Multi-Kulti-Stadtteils Gostenhof derzeit sogenannte Sprecher*innen gegen Diskriminierung von der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (Agaby) ausgebildet. „Aussprechen, ansprechen und mitsprechen“ lautet das Motto der Seminare, die von Bund und Land finanziell gefördert werden.

Wie die Tätigkeit in der Praxis aussieht, erklärt Leiterin Natalie Keller: Zuerst kommen „eigene Erfahrungen mit Diskrimierung“ auf den Tisch. Im zweiten Schritt geht es darum, zu argumentieren. Zum Abschluss erfahren die angehenden Antidiskriminierungs-Sprecher*innen, wie man politisch auf die Pauke haut. Keller nennt das den sogenannten Advocacy-Ansatz. Im Klartext: Entscheidungsträger*innen werden „öffentlichkeitswirksam informiert“, also unter Druck gesetzt. So können auch gänzlich unbescholtene Menschen ins Visier der Gesinnungspolizei geraten.

 

Grüne wittern im neue Fälle zum Einschreiten



Ein Beispiel: Wenn Achmed dreimal bei der Vergabe einer Mietwohnung den Kürzeren zog und diese jeweils an Anton, Alfred oder Arnold ging – dann mag für ihn rassistische Diskriminierung naheliegen. Womöglich hatte Achmed aber auch immer nur das niedrigere Einkommen. Und die Immobilienfirma entschied sich pragmatisch stets für den Wohnungsinteressenten, bei dem die Gefahr eines Mietausfalls aus finanziellen Gründen niedriger ist.

In der ehemaligen DDR gab es für solche Anschwärzfälle in jeder Hausgemeinschaft sogenannte staatliche Vertrauensleute. Bei denen konnte man anonym seine Mitmenschen verpetzen, wenn diese etwas taten, was zwar vom Gesetz her legal war – aber eben von der herrschenden SED nicht gern gesehen: Westfernsehen schauen beispielsweise, am Nationalfeiertag nicht oder zu spät die Staatsfahne aus dem Fenster hängen oder nicht wählen gehen.

Die Nürnberger Grünen wittern derweil immer neue Fälle zum Einschreiten. Réka Lörincz, Stadträtin für „Vielfaltgestaltung“ – das Amt gibt es wirklich – hatte zu Beginn dieses Jahres ein Problem mit dem geplanten Auftritt der US-Heavy-Metal-Band Pantera beim Nürnberger Festival Rock am Park. Angeblich habe der Frontmann der Band daheim in den USA den Hitlergruß gezeigt – widerlich, keine Frage. Aber in den Vereinigten Staaten nun mal keine Straftat.
„So wird das ehemalige Reichsparteitagsgelände bewusst für die Inszenierung und Reproduktion von rassistischer und menschenverachtender Ideologie missbraucht“, erklärte Lörincz und forderte im nächsten Atemzug, diesen Vorfall zum Anlass für die Schaffung strengerer Bestimmungen zu nehmen. „Damit es der letzte Fall bleibt, müssen wir die Problematik auch strukturell angehen.“

 

Rechte Musik ist gefährlich, linksextreme dagegen nicht



Alle Veranstaltenden, so die Stadträtin, müssten in die Pflicht genommen werden, eingeladene Redner*innen, Musiker*innen, Künstler*innen, Politiker*innen und weiteren Akteur*innen zu überprüfen, ob diese rechtsextreme, rassistische oder menschenverachtende Ideologien öffentlich verfolgen oder verfolgt haben. „Sollte dies der Fall sein, so dürfen diese nicht auftreten“, fordert Lörincz kategorisch. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) haben die Grünen bereits auf Linie gebracht. Nachdem sich die Grünen am Auftritt des ihnen politisch unliebsamen Schweizer Historikers Daniele Ganserer stießen, sagte der OB diesen Auftritt persönlich ab.

Das Engagement gegen menschenverachtende und gewaltverherrlichende rechte Gesangsdarbietungen gewönne noch mehr an Überzeugungskraft, wenn sich die Grünen auch gegen den früherim Park stattgefundenen Auftritt der linksextremen Band Feine Sahne Fischfilet gewandt hätten. Die präsentiert dem Publikum Liedgut mit Zeilen wie „Die Bullenhelme, die sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“ – woran man sich in grünen Kreisen aber nicht wirklich stört. Wenn zwei das Gleiche tun, ist das eben noch lange nicht dasselbe.

Schwierig wird es freilich mit dem politisch korrekten Verhalten, wenn die eine sich als diskriminiert fühlende Gruppe eine andere attackiert. Im Nürnberger Integrationsrat hatten zwei frisch gewählte Mitglieder aus Rumänien beziehungsweise Moldau gefordert, dass man besser von „kriminellen Zigeunern“ als von „Arbeitslosen der Roma-Ethnie mit Vorstrafen“ sprechen sollte. Die Linke forderte daraufhin den Rauswurf der beiden aus dem Integrationsrat, was aber wiederum die Grünen nicht unterstützen mochten.

 

Am Fehlverhalten von Migrant*innen sind im Prinzip die Deutschen schuld



Nach einer Entschuldigung durften die gescholtenen Mitglieder im Integrationsrat bleiben. Schuld an den getätigten Beleidigungen sind ohnehin nicht sie selbst, sondern vielmehr die autochthonen Deutschen: „Es kann nicht erwartet werden, dass Integrationsbeiräte per se Antirassist*innen oder frei von rassistischen Ideologien und Vorurteilen sind, wenn selbst Parlamente, Parteien, Verwaltungen und Schulen es nicht sind“, fabulierte der Rat. Allerdings sollen die Sanktionsmöglichkeiten in dem kommunalen Gremium zukünftig verschärft werden. Man stelle sich aber nur mal vor, ein einheimischer Nürnberger Stadtrat hätte sich so geäußert.

Die aktuelle Einschüchterung durch die Woken zeigt derweil Wirkung: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der FAZ gaben 78 Prozent der Befragten an, dass sie sich aus Angst vor den Konsequenzen nicht mehr trauen, in der Öffentlichkeit frei ihre Meinung zu äußern. „Demokratie stirbt nicht in hellem Feuer, sie stirbt in Dunkelheit“, schrieb schon vor 150 Jahren der französische Schriftsteller Victor Hugo. (Nikolas Pelke)

 

Kommentare (1)

  1. am 14.03.2023
    Der Vergleich zum Schandpfahl ist nicht korrekt. Bei der Stiftung werden keine Personen gemeldet, sondern Vorfälle, rein anonym. Recherchieren Sie denn gar nicht selbst? Und von Geschäftsmodell kann bei einer Stiftung auch kaum die Rede sein. Das ist Allgemeinwissen.
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