Kommunales

Vor allem das Ehrenamt in der Freiwilligen Feuerwehr kostet viel Freizeit und Gesundheit. (Foto: Bilderbox)

09.03.2012

"Jahr des Ehrenamts" war ein Reinfall

Fürs Gemeinwohl engagierte Bürger werden mit Brosamen abgespeist und mit immer neuen bürokratischen Vorschriften gegängelt

"!Es sollte der ganz große Wurf werden: Die Europäische Union rief das Jahr 2011 zum "Jahr des Ehrenamts" aus. Die Leistung von 100 Millionen ehrenamtlich tätigen Europäern sollte damit gewürdigt werden. In Bayern wie in vielen anderen Bundesländern auch wurde zugleich die Ehrenamtskarte ins Leben gerufen, ein Ausweis, der die Eintrittspreise für Schlösser und Museen vergünstigt, der Rabatt einträgt bei der staatlichen Schifferlfahrt auf den bayerischen Seen. Darüber hinaus beteiligten sich viele Landkreise und Städte und mörtelten die Vergünstigungen regional noch auf. Auch die heimische Wirtschaft hat sich rege beteiligt und gewährt Rabatte für jeglichen Konsum.
Dennoch gibt es beim Rückblick aufs Jahr des Ehrenamts nicht nur eine positive Bilanz. Wer als ehrenamtlicher Vorsitzender ein Amt übernimmt, steht mit einem Fuß schon im Gefängnis. Da hilft auch keine Ehrenamtskarte. Er haftet für Risiken, die er überhaupt nicht mehr überblicken kann. Und obendrein haben die wenigsten eine Versicherung abgeschlossen, die zumindest einen Vermögensverlust abschwächt. Groß ist die Dunkelziffer jener Personen, die durch ein Ehrenamt ins Unglück geraten sind, und ihre Familien gleich mit.
Nehmen wir ein dramatisches, leider wahres Beispiel. Ein Kommandant einer Freiwilligen Feuerwehr in Oberbayern kaufte für sein Vereinsheim gebrauchte Eisenbahnschwellen. Was der Mann nicht wusste: die Schwellen waren kontaminiert. Missgünstige Vereinsfreunde stellten eine Strafanzeige (Umweltfrevel). Der Mann wurde auf Drängen einer blutjungen Staatsanwältin, die sich in der gewachsenen Agenda der deutschen Vereinskultur nicht auskannte, verurteilt. Zwei Tage später fanden Kameraden den Feuerwehrmann erhängt in seinem Anwesen. Er konnte die Schande und die aus seiner Sicht himmelschreiende Ungerechtigkeit nicht überwinden. Dies ist kein Einzelfall. Sie kommen nur deshalb nicht ans Tageslicht, weil man die steigenden Zahl der Suizidopfer und ihre Motive zum Tabu erklärt.
Nicht umsonst wurde aus der Politik der – dann leider gescheiterte – Versuch unternommen, all die Verantwortlichen im Ehrenamt durch eine juristisch kompetente Behörde zu schützen. Gescheitert ist leider auch der Versuch, das überholte Vereinsrecht zu reformieren. Dem Bundestag lag ein Partei übergreifender Gesetzentwurf vor, der aber einer bevorstehenden Bundestagswahl zum Opfer fiel.
Eine zweite Aussage wird ebenfalls totgeschwiegen, obwohl sie dem Ehrenamt zunehmend schadet: Die Behörden, Steuer, Gewerbeaufsicht und was es sonst noch alles im deutschen Paradies der Bürokratie gibt, gehen ihren Pflichten nach – aber nicht jeder Kegelclub kann sich einen eigenen Justitiar leisten. Hier liegt eine der Ursachen, warum immer weniger Menschen bereit sind, eine Funktion im Ehrenamt zu übernehmen. Allerdings bedarf diese Aussage einer Einschränkung. Denn allein der Begriff "ehrenamtlich" ist so dehnbar wie ein Kaugummi. Da gibt es Vereinsgeschäftsführer mit Jahreseinkommen, die den Ministerpräsidenten vor Neid erblassen lassen würden. Als Vereinsmitglieder fungieren sie als lupenreine Freiwillige; die Gehälter beziehen sie von den überschaubaren GmbHs.


Steuerlicher Freibetrag seit Jahren nicht angehoben


Gerade aus dem Sport kommen die gigantischen Zahlen über das Ehrenamt hierzulande zustande. Eine weitere gewichtige Gruppe stellen die Frauen und Männer in den Freiwillen Feuerwehren dar. Und was ist mit den Gemeinderäten, den Kommunalpolitikern, den weltanschaulich engagierten Mitbürgern, die still und stark soziale Dienste leisten? Allein schon aus der Tatsache, dass es "den Ehrenamtlichen" nicht gibt, fällt es ungemein schwer, außer Orden und Ehrenzeichen vernünftige Anerkennungen zu entwickeln, ohne eine maßlose Kontrollbürokratie aufzubauen.
Will man den ehrgeizigen Versuch wagen, eine Bilanz dieses Ehrenamts-Jahres zu ziehen, dann gibt es eine ausgesprochen kostbare Quelle, die realistisch – weil aus hautnaher Erfahrung und ehrlicher Überzeugung – zu einem zutreffenden Urteil kommt: der Katholische Frauenbund in Bayern.
Und dort beobachtet Elfriede Schießleder, eine absolute Expertin, die nebenbei auch an der der Ehrenamts-Card mitgewirkt hat, die wichtigsten Trends. Grundsätzlich sieht sie in den vergangenen 12 Monaten keine wirklich substantiellen Fortschritte. Verbilligte Theaterkarten und Museumsbesuche seien immerhin eine erfreuliche Beigabe. Diesen preiswerteren Ehrenkarten müsste freilich noch etwas folgen. Der Frauenbund denkt etwa an anrechenbaren Zeiten für die Rentenversicherung der Frauen, die von Altersarmut besonders bedroht sind. Und allen schönen Reden zu Trotz sei bis heute der steuerliche Freibetrag nicht über 500 Euro angehoben worden. Im Vergleich: Schon Übungsleiter erhalten eine Pauschale von 2000 Euro.
Ein weiteres Hindernis – gerade im sozialen Bereich – stellt die Tatsache dar, dass immer höhere berufliche Qualifikationen erforderlich sind und somit keine ehrenamtliche Tätigkeit mehr möglich ist, wie zum Beispiel bei den Rettungsdiensten.
Jeder Vierte Deutsche ist ehrenamtlich engagiert. Damit rangiert Deutschland im Mittelfeld, nicht zu vergleichen mit den USA oder Neuseeland, wo fast jeder Zweite sich unentgeltlich für die Gemeinschaft einbringt. Tatsächlich hat der gesellschaftliche Gedanke des praktischen Engagements der Bürger die Herzen der Menschen in Deutschland nicht erreicht.


Einsatz für die FFW gilt mehr als für Heimatverein


Nun kritisieren zum Beispiel "echte" Ehrenamtler von der Freiwilligen Feuerwehr, dass sich ihr Einsatz nicht vergleichen lasse mit dem Engagement eines Vorsitzenden des örtlichen Geschichtsvereins. Die Vorgaben sind weit gefasst, die Bestätigung, ausreichend viele Stunden ehrenamtlich zu arbeiten, bekommt man vermutlich leicht, denn der Clubvorstand wird es sich mit seinen Mitgliedern kaum verderben wollen.
In den Landratsämtern muss man sich auf diese Bestätigungen verlassen. Vor allem, welche Vorteile soll es geben? Liefert uns die Stadt Steinhagen die große Erleuchtung? Dort gibt es 50 Prozent Ermäßigung fürs Hallenbad, für alle kulturellen Veranstaltungen, Ermäßigungen bei der Nutzung von Sammel-Taxis und für Einzelfahrscheine des Taxi-Busses. (Karl Jörg Wohlhüter)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.