Kommunales

11.11.2011

Käfer essen Bäume auf

Das tschechische Umweltministerium ärgert sich über bayerische Umweltaktivisten im Nationalpark Sumava

Darf der Borkenkäfer in Nationalparks so bekämpft werden, wie es in einem Wirtschaftswald üblich ist? In welchem Umfang erfordert der Naturschutz hier den Verzicht auf menschliche Eingriffe und wirtschaftliche Nutzung, um einem langfristigen Umbau von geplanten und gepflanzten Forsten zum Naturwald freien Lauf zu lassen? Der Borkenkäfer ist seit 30 Jahren Streitthema
Darüber haben sich im Nationalpark Bayerischer Wald seit den 80er Jahren heftige Auseinandersetzungen abgespielt, die inzwischen weithin beruhigt sind: Am Rande wird bekämpft, in den „Naturzonen“ im Kerngebiet nicht – aber gegen jede Ausweitung der Zonen wird protestiert. Jetzt tobt der Streit im angrenzenden tschechischen Nationalpark Sumava (Böhmerwald). Dort sind die Fronten umgekehrt: Die staatliche Parkverwaltung bekämpft in Teilen des insgesamt 680 Quadratkilometer großen Schutzgebietes den Borkenkäfer; Umweltaktivisten, darunter auch bayerische, versuchen großflächiges Abholzen der vom Käfer befallenen Bäume zu verhindern. Sie hatten sich im Sommer an Bäume gekettet und mit Blockaden versucht, im Nationalpark das Abholzen von Fichten zu verhindern. Ihre Gegner werfen ihnen vor, im Übereifer die Unterschiede der zwei Parks nicht verstanden zu haben.
Böhmerwald und Bayerwald sind Europas größtes zusammenhängendes Waldgebiet. Vertreter des tschechischen Umweltministeriums und des Nationalparks Sumava haben vor Kurzem bei einer öffentlichen Diskussion in Prag den Kampf gegen die Borkenkäfer ausdrücklich befürwortet. „Aber Leute, die sich an Bäumen festketten, haben wir nicht eingeladen“, sagte Staatspräsident Vaclav Klaus als Vorsitzender. Vielmehr wurde vor einer Borkenkäfer-Katastrophe im Böhmerwald gewarnt. Umweltminister Tomas Chalupa kritisierte, dass die Borkenkäfer unter seinen Vorgän-gern bereits Holz im Wert von mehr als acht Millionen Euro in den Kernzonen abgetötet hätten, wo die Käfer ja nicht bekämpft werden. Die Situation müsse nun „beruhigt und stabilisiert“ werden. Sein Ministerium arbeitet noch an einem neuen Nationalpark-Gesetz, dessen Entwurf nächstes Jahr ins Parlament eingebracht werden soll.
Tschechische wie bayerische Umweltgruppen kritisieren forstwirtschaftliche Eingriffe in den Nationalpark. An die Adresse von Gruppen in Bayern, die sich einmischen, sagte Chalupa: „Wir dürfen nicht vergessen, dass es ein tschechischer Nationalpark ist, auch wenn er mitten in Europa liegt.“ In den Kernzonen darf nach internationalen Nationalpark-Richtlinien der Mensch in keiner Form in die Natur eingreifen, andernfalls würde das Gebiet die internationale Anerkennung als Nationalpark verlieren. Der noch zu kommunistischen Zeiten geplante und 1991 gegründete Nationalpark Sumava war jedoch auch nach dem „Eisernen“ als „Grüner Vorhang“ zur deutschen Grenze gedacht. Er hat deshalb eine fast dreimal größere Fläche als der bayerische.
Bei einem Eingriff verliert der Park seine Anerkennung
Ob die Größe von 68.000 Hektar gegen die heutigen Entwicklungsinteressen der Kommunen im Böhmerwald weiter durchzuhalten ist, müsse deren Lenkungsausschuss entscheiden, sagt Franz Leibl, der neue Leiter der Nationalpark-Verwaltung im Bayerischen Wald. Der Ornithologe hat vor der Berufung die Naturschutzbehörde der Regierung von Niederbayern geleitet. Er will „die Ziele des Nationalparks konsequent und kontinuierlich weiter entwickeln“. Leibl ist kein Ideologe, sondern Naturschutz-Praktiker: „Die Philosophie unseres Parks lautet zwar ‚Natur Natur sein lassen’, aber das ist nicht alles! Der Park hat auch einen strukturpolitischen Auftrag in der Region zu erfüllen, ebenso für Forschung und Bildung.“
Das trifft auch auf die Ziele von Sumava zu. In der Öffentlichkeit werde das nur weniger beachtet als Borkenkäfer-Bekämpfung, meint Leibl: „Die ist ja eigentlich nur ein Randthema.“ Aber in Tschechien derzeit nicht. Wegen der Käferbekämpfung im Sumava ist die Diskussion auch in Bayern wieder leicht aufgeflammt.
Leibl zeigt Verständnis für die Maßnahmen: „Deren Naturzonen von 17.000 Hektar sind zwar nur 25 Prozent der Gesamtfläche. Aber das entspricht zirka 75 Prozent der Fläche von Naturzonen, die wir auf bayerischer Seite als Ziel erst bis 2027 erreichen wollen.“ Er betont allerdings: „Die Tschechen halten sich bisher an gemeinsame Memoranden.“
(Hannes Burger)

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