Kommunales

Im ländlichen Raum leben immer mehr alte Menschen – mit Folgen für das Gesundheitssystem. (Foto: dpa)

08.05.2015

Kampfansage an Ärzte und Kassen

Bayerns Landräte wollen bei der Gesundheitspolitik künftig mehr mitreden: sowohl bei Kostenfragen wie bei der Niederlassung von Medizinern

Mitte des Jahrhunderts wird jeder dritte Bürger Bayerns älter als 60 Jahre sein – im ländlichen Raum sogar fast jeder Zweite. Die Landkreise sehen dadurch große Aufgaben auf sich zukommen, vor allem in der Gesundheitsvorsorge. Doch während der zweitägigen Tagung des Verbands in Bayerisch Eisenstein wurde klar: Einer zufriedenstellenden und dauerhaften Klärung stehen gewaltige finanzielle und rechtliche Hürden entgegen.

Wer unheilbar krank ist und bald sterben muss, der soll sich damit nach dem Willen der Krankenkassen bitte nicht allzu viel Zeit lassen. Seit drei Jahren gilt auf Druck der Leistungserbringer auch auf den Palliativstationen der Krankenhäuser das so genannte Fallpauschalenprinzip: Schon während die Schwester das Bett frisch bezieht, muss ungefähr klar sein, wann der Patient selbiges möglichst rasch wieder verlässt. Dahinter hat eine individuelle, vielleicht etwas komplexere Diagnose, dann bitteschön zurückzustehen. Die Kassen zeigen sich bei der Abrechnung immer spitzfindiger. Für kleine kommunale Kliniken in der Provinz kann das rasch existenzbedrohend werden. Ein großer Teil von ihnen arbeitet ohnehin bereits defizitär.
Aber nicht nur die Kassen sorgen für Kummer bei den Patienten – auch das Verhalten mancher Ärzte bringt Reibung ins System. Im Landkreis Deggendorf gibt es drei niedergelassene Chirurgen. Aber alle haben ihre Praxis in der Kreisstadt, aus der sie auch auf keinen Fall wegwollen, aus dem übrigen Landkreis sind die Patienten dafür manchmal stundenlang über Landstraßen zur Sprechstunde unterwegs.

"Ruinöser Wettbewerb"


Die Schilderungen aus dem Mund von Bayerns Landkreistagspräsident Christian Bernreiter (CSU), illustrieren, welche die Relevanz das Hauptthema „Älterwerden im ländlichen Raum“ bei der jüngsten Landrätetagung hatte. „Gute Gesundheitsversorgung ist ein Standortfaktor, auf den wir nicht verzichten können“, urteilt Bernreiter, selbst Herr über einen eher ländlich geprägten Kreis. Im Grenzort Bayerisch Eisenstein, wo der Freistaat kaum abgeschiedener sein kann, steckten die Landräte ihre Forderungen in der Medizin- und Pflegepolitik ab. Einige bergen Sprengstoff und sind eine Kampfansage an Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung:
– Überführung des medizinischen Dienstes der Kranken- und Pflegeversicherung in eine neutrale Prüfinstitution;
– Umwandlung technisch überalterter und unrentabler Kreiskrankenhäuser in so genannte „regionale Gesundheits- und Pflegezentren umwandeln“ – durch Land und Bund;
– mehr Geld für die Krankenhausinvestitionsförderung sowie für die Notfallambulanzen und Bereitschaftspraxen an Kliniken;
– Mitspracherecht der Kommunen bei der Zulassung von Haus- und Fachärzten;
– Bündelung der Zuständigkeit für die Pflegeberatung bei den Kommunen;
– mehr seniorengerechte-Wohnungen.
Für Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU), die bei der Tagung anwesend war, bedeutet das eine Menge Arbeit. „Sie muss das mit uns durchfechten“, ließ Bernreiter seiner Parteifreundin wenig Spielraum zum Widerstand. Ob die als eher konfliktscheu geltende Huml – von Haus aus Ärztin und ihren Standeskollegen eng verbunden – sich tatsächlich einspannen lässt, bleibt abzuwarten. Immerhin lautet ihr Arbeitsauftrag von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) für diese Legislaturperiode, den demografischen Wandel speziell im Medizin- und Pflegebereich zu managen.
Einen „ruinösen Wettbewerb zu Lasten der Kreiskrankenhäuser erwartet Christian Bernreiter von dem am 29. April vorgestellten Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein Krankenhausstrukturgesetz. „Der Gesetzentwurf übertrifft noch unsere Befürchtungen“, so Bernreiter. Das viel zu komplizierte System aus Qualitätsvorgaben und deren Kontrolle gehe vor allem zu Lasten kleinerer Häuser.
Und auch das Zeitmanagement des Bundesministeriums in dieser Frage sorgt für kommunalen Unmut: „Der Bund hatte dafür seit der Vorlage des Eckpunktepapiers fast ein halbes Jahr Zeit – jetzt sollen wir innerhalb von zwei Wochen abschließend Stellung nehmen“, kritisiert der Landräte-Chef. „Das ist für uns eine nicht akzeptable Zumutung.“ (André Paul)

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