Kommunales

Fühlen sich überlastet: Bayerns Bereitschaftsärzte. (Foto: DAPD)

27.07.2012

Kein Arzt mehr unter dieser Nummer

Die Kassenärztliche Vereinigung warnt: Die Bereitschaftsdienste können bald nicht mehr garantiert werden

Freud und Leid liegen in diesen Tagen für Bayerns Ärzte nah beieinander. Während sich die Krankenhausträger und die Kurorte über einen saftigen Zuschuss der Staatsregierung freuen, stehen die Hausärzte nach eigenem Bekunden mit dem Rücken zur Wand. Bereitschaftsdienste am Wochen-
ende seien immer schwieriger zu gewährleisten.
Die Stimmung ist geladen bei der außerordentlichen Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) im Konferenzsaal der Geschäftsstelle an der Elsenheimer Straße in München. Und sogar der Appetit ist den Medizinern vergangen, das Buffet für die Pause bleibt weitgehend unberührt. Wolfgang Krombholz, der Vorsitzende der KVB, schlägt Alarm: „Besonders in den ländlichen Regionen Bayerns sind die Bereitschafts- und Notarztdienste kaum mehr zu realisieren.“
Auch einen Schuldigen hat der Verbandsfürst ausgemacht – die Gesetzlichen Krankenkassen. „Die GKV befindet sich wirklich in einer komfortablen wirtschaftlichen Situation“, schimpft Krombholz, „aber die Versichertengelder investieren sie nicht in deren Versorgung. Die Praxen, welche die Versorgung leisten, sind längst von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt.“ Der Honorarzuwachs für die Ärzte gleiche nicht mal die Inflationsrate aus. Das Geld der Kassen für die Bereitschaftsdienste würde nur die Unkosten decken.
Dabei hätte man denken sollen, an dieser Front wäre Ruhe, gerade erst hatten Kassen und Ärzte einen neuen Honorarvertrag ausgehandelt, der allein für die Bereitschaftsdienste fünf Millionen Euro extra garantierte. Trotzdem will Krombholz jetzt nochmals deutlich mehr Geld.
Derzeit gibt es in Bayern 21 000 Ärzte, die zum Bereitschaftsdienst verpflichtet sind. Klingt viel – ist es aber nicht nach den Worten von Verbandschef Krombholz. „Das Problem ist, dass wir am Wochenende und Feiertagen sowie nachts Lücken haben. In dünner besiedelten Gegenden wie etwa dem Bayerischen Wald kann das dazu führen, dass vor allem bei schlechtem Wetter der Arzt mehrere Stunden bis zu seinem Patienten unterwegs ist. Diese Perspektive wiederum schrecke junge Mediziner ab, sich als Landarzt niederzulassen. An denen wiederum herrscht aufgrund der auch sonst zu Großstadt-Ärzten vermeintlich schlechteren Berufs- und Lebensbedingungen ohnehin ein Mangel.
Betroffen von dieser Situation sind auch die Kommunen. Zwar ist die Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes primär Aufgabe der KVB. Aber genau wie beim Rückgang der Arztpraxen wenden sich auch hier die besorgten Bürger gern an den Bürgermeister oder Landrat, damit dieser Abhilfe schafft. Viel Spielraum haben die Kreise und Gemeinden freilich nicht, die Honorare der Ärzte können sie auch nicht aufstocken. Aber sie wollen sich für eine intensivere Kooperation beim Bereitschaftsdienst über Landkreisgrenzen hinweg einsetzen, wie etwa der Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistags, Johannes Reile, versichert. „Da passiert noch zu wenig.“ Man sei auch bereit, die Praxen mittels der kommunalen Kliniken bei der Sicherstellung des Notdienstes zu unterstützen, aber die Ausfälle allein schultern, das könnten sich die kommunalen Kliniken nicht leisten.
Die Krankenkassen wurden von den teilweise massiven Vorwürfen und Forderungen überrascht. „Wir müssen das erst einmal prüfen, bevor wir dazu öffentliche Stellung nehmen können“, heißt es etwa bei der Barmer Ersatzkasse. Seitens des bayerischen Gesundheitsministeriums heißt es, „Eine hochwertige Versorgung ist Markenzeichen des Gesundheitslands Bayern“. Die Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes sei gesetzliche Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, man unterstütze aber die Beteiligten bei einer Konsensfindung auch im Rahmen eines Runden Tisches.“
Während in der ambulanten medizinischen Versorgung die Hütte brennt, können die Mitarbeiter der stationären Einrichtungen aufatmen: 19 zusätzliche Bauprojekte an bayerischen Krankenhäusern möchte die Staatsregierung im nächsten Jahr fördern und zwar mit 330 Millionen Euro. Und es sollen nicht nur die Ballungsräume profitieren, sondern auch der ländliche Raum. Zwar ist die umfassendste Maßnahme mit 91 Millionen Euro die Erweiterung des Klinikums Augsburg, das unter anderem ein neues intensivmedizinisches Zentrum erhält. Geld fließt aber beispielsweise auch nach Lichtenfels. Dort entsteht unter dem Stichwort „Green Hospital“ für knapp 70 Millionen Euro ein Pilotprojekt zur umweltgerechten Gestaltung von Krankenhäusern. Abseits der Metropolen soll darüber hinaus vor allem die psychiatrische Versorgung verbessert werden. So wird in Cham das dortige Krankenhaus erweitert, das Isar-Amper-Klinikum in Fürstenfeldbruck und die Orthopädischen Kliniken König-Ludwig-Haus in Würzburg erhalten für insgesamt 38 Millionen Euro Neubauten.
Und auch die Heilbäder und Kurorte sollen die Segnungen der Staatsregierung zu spüren bekommen. Das Gesundheitsministerium hat jetzt einen Runden Tisch gegründet, an dem Politik, Wissenschaft, Krankenkassen, Ärzte und Bayerischer Heilbäder-Verband über die Situation diskutieren. Dabei sollen unter anderem Möglichkeiten erarbeitet werden, wie die Mittel aus dem neuen Förderprogramm zur Steigerung der medizinischen Qualität – vor allem im Hinblick auf psychische Erkrankungen und Erschöpfungserkrankungen – eingesetzt werden können. Zudem soll erörtert werden, ob den Krankenkassen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung eine Lotsenfunktion zur Vermittlung der vorhandenen Behandlungsspektren zukommen kann. (André Paul)

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