Kommunales

Das Jahr ist drei Monate alt. In der Münchner Müllerstraße konnten aber 2019 schon an 41 Tagen keine Trams fahren. (Foto: Lohmann)

15.03.2019

Kein Halt an bis zu 102 Tagen pro Jahr

Für bessere Luft in München sollen Bürger häufiger öffentliche Verkehrsmittel nutzen – doch die fahren mancherorts an der Isar aus Rücksicht zum Autoverkehr immer seltener

Um die Stickstoffdioxid-Grenzwerte in München einzuhalten, verlangte das Verwaltungsgericht München vom Freistaat einen Luftreinhalteplan. Lange passierte nichts. Doch als plötzlich mögliche Diesel-Fahrverbote im Raum standen, reagierte die Staatsregierung. Zum Maßnahmenpaket gehörte unter anderem auch eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). In München startete die damalige bayerische Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) dazu sogar in Zusammenarbeit mit dem Münchner Verkehrsverbund (MVV) eine Neukunden-Aktion. Wer bis zum 1. Juli 2018 ein IsarCardAbo abschloss, erhielt zwölf Monate zum Preis von neun Monaten. 3000 Neukunden konnten dadurch gewonnen werden.Doch die Freude dürfte sich in Grenzen gehalten haben – wie bei allen anderen MVV-Kunden auch. Denn um Innenstädte vom Autoverkehr zu entlasten, müssen die öffentlichen Verkehrsmittel auch fahren.

Nur tun sie das auf manchen Linien immer seltener. Beispiel München: Wer an der Haltestelle Müllerstraße auf die Tram angewiesen ist, musste in der Vergangenheit kreativ sein. Während die Station 2011 an 65 Tagen wegen Gleisbauarbeiten nicht von Trams angefahren wurde, waren es im Jahr 2013 bereits 80 Tage. Wer dachte, damit seien die Baumaßnahmen vorbei, sah sich getäuscht. Im Jahr 2017 fuhr die Tram die Haltestelle an 102 Tagen nicht an. Im Jahr 2018 waren es 85 Tage, im Jahr 2019 bisher bereits 41 Tage.

Die letzte Sperrung dauerte vier Monate am Stück. Am Romanplatz halten die beiden Linien bis Ende des Jahres gar nicht. Eine Entschädigung für Jahreskarten ist vonseiten der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) trotzdem nicht vorgesehen. „Wir bieten ja einen Ersatzverkehr an“, sagt ein MVG-Sprecher. Nur: Das mag für die ebenfalls häufig von Ausfällen betroffene Linie 18 an der Müllerstraße gelten, nicht aber für die Linien 16 und 17. Wer von der Müllerstraße zum Isartor wollte, kam nur per pedes voran. 

Entschädigungen für Kunden sind nicht geplant

Der Fahrgastverband Pro Bahn kann nicht verstehen, warum Jahreskartenbesitzer nicht entschädigt werden. „Bei der MVG herrscht die typische Mentalität eines kommunalen Unternehmens: Wenn mir die Kunden weglaufen, gleicht das das Rathaus schon wieder aus.“, sagt Pro-Bahn-Bundesvize Lukas Iffländer. Er rät Jahreskartenbesitzern zu einer außerordentlichen Kündigung. „Die ist wegen der unerwarteten Angebotsänderung begründet.“ Nur so lasse sich Druck aufbauen. Dass Entschädigungen über die Fahrgastrechte hinaus möglich sind, habe die Bahn zum Beispiel bei Rastatt gezeigt.

Dass die Gleisbauarbeiten vom Sommer 2018 am Sendlinger Tor nicht gleichzeitig mit denen 100 Meter entfernt vom Winter 2018 durchgeführt werden konnte, begründet die MVG mit den „Herausforderungen“ am Sendlinger Tor durch die Großbaustelle am U-Bahnhof. „Mit den zusätzlich verbundenen Sperrungen wäre der Verkehr an diesem Knotenpunkt vollends zum Erliegen gekommen“, so ein Sprecher. Das heißt, es wurde mehr Rücksicht auf die Autofahrer als auf die Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs genommen. 

„So kommt die Verkehrswende nicht vorwärts“, klagt Iffländer. Er fordert, wenn man schon sperrt, möglichst vieles auf einen Ruck zu machen. Die Stadt München solle dem kommunalen Tochterunternehmen daher mehr auf die Finger schauen. „Das bedeutet im Extremfall, dass man von der MVG vor jeder Baumaßnahme eine ausführliche Analyse zur möglichen Fahrgastabwanderung verlangt.“

Wer in einem der von den ständigen Gleisbauarbeiten betroffenen Gebiete wohnt, dürfte sich zweimal überlegen, ob er das Auto künftig wirklich zugunsten der Tram stehen lässt. Und Nutzer der Neukundenaktion „Fahre zwölf Monate, zahle neun Monate“ dürften sich auf den Arm genommen fühlen. Korrekt gewesen wäre wohl eher „Zahle zwölf, fahre neun“. (David Lohmann)

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