Kommunales

Heißere Sommer und schneereiche Winter werden den Wäldern zu schaffen machen. (Foto: dpa)

02.11.2018

Klimawandel verändert den Wald im Grenzgebirge

Der Bergwald braucht mehr Tannen und fleißige Jäger

Erst im Juli hat die Forstwissenschaftlerin Gudula Lermer von Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht bekommen. Sie wurde „für ihr jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement“ als Vorsitzende des Bayerischen und Vizepräsidentin des Deutschen Forstvereins ausgezeichnet. Als Leiterin des Forstbetriebs Neureichenau (Landkreis Freyung-Grafenau) am Fuße des Dreisessel ist die Niederbayerin eine gute Adresse, um nach den Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder der Grenzberge zu fragen, die auch „Europas größtes zusammenhängendes Waldgebiet“ genannt werden.

Kaum Tannen

In ihrer Hymne „Mir san von Woid dahoam – da Woid is scheeee“, huldigen in der zweiten Strophe die Bayerwäldler ihren Madeln: „...de machan uns so stoiz, san wia de Tannabaam – da draußd’ im Tannahoiz“. Doch im Grenzgebirge zwischen Bayern, Tschechien und Österreich hat es Ende des letzten Jahrhunderts noch schlanke Madl gegeben, aber wie in ganz Deutschland wegen Luftverschmutzung und saurem Regen kaum Tannen. „Dank besserer Abgasreinigung ist das massive Tannensterben bei uns im Dreiländereck des Böhmerwaldmassivs überwunden,“ sagt Forstdirektorin Lermer.

Ihr Forstbetrieb reicht vom Donau-, Inn- und Rottal bis zum Dreisessel, grenzt südöstlich an die vom Stift Schlägl bewirtschaften Wälder im Mühlviertel und nordöstlich an die Nationalparks Bayerwald und Böhmerwald (Sumava). Lermer: „Der bayerische und tschechische Nationalpark reagieren auf den Klimawandel unterschiedlich, ob sie eingreifen oder alles der Natur überlassen. Aber mit dem Stift Schlägl arbeiten wir im Wirtschaftswald nach langfristigem Konzept gut zusammen. Wir können ja nicht wie Ackerbauern einfach im nächsten Jahr was anderes anbauen. Wir müssen Risiken auf 30, 50 oder 100 Jahre abschätzen und danach unseren Waldbau planen.“

Weihenstephaner Erklärung


Zu Auswirkungen des Klimawandels weist die niederbayerische Forstwissenschaftlerin auf die „Weihenstephaner Erklärung“ von 2008 hin, in der Staatsregierung und forstliche Verbände in Bayern bereits auf die Folgen aufmerksam gemacht haben: „Der Klimawandel ist bereits im Gang. Er gefährdet insbesondere Baumarten, die anfällig für Trockenheit, Hitze, Sturm oder Schadinsekten sind. Er verändert die Waldgesellschaften und beeinträchtigt deren Funktionen. Waldbesitzern und Holzwirtschaft drohen erhebliche Schäden.“

Auch wenn man den Bayerischen Wald wegen des rauen Klimas früher Bayrisch-Sibirien nannte, bleibt das Grenzgebirge vom Klimawandel nicht verschont. Der Bergwald wird auch in Zukunft anders aussehen als der in Tallagen zwischen großen Flüssen. Aber wie reagiert man auf den Klimawandel im Wirtschaftswald? „Klimawandel heißt nicht, dass es nur wärmer wird“, sagt Frau Lermer: Was wir erleben, sind mehr Extreme: heißere Sommer, heftigere Stürme, kleinräumigere und massivere Niederschläge. Kürzlich hatten wir in zwei Grenzdörfern punktuelle Starkregen mit 220 Litern pro Quadratmeter in zwei Stunden. Sowas kennen wir aus früheren Zeiten nicht.“

Tropische Wälder in Bayern?


Bedeutet das nun tropische Palmen- und Bambuswälder im Grenzgebirge der Zukunft? Die ironische Frage beantwortet die Försterin bedauernd: „Leider ist es nicht damit getan, mehr wärmeliebende Baumarten anzupflanzen! Die Winter bleiben ja auch mit extremen Schneefällen, Frost und langen Trockenperioden. Der Wald an sich wird schon irgendwie bestehen bleiben. Aber so wie wir ihn gerne hätten, womöglich nicht. Der von uns wirtschaftlich am meisten genutzte Baum, die Fichte, verträgt das alles gar nicht.“ Die Alternative? Lermer: „Die Tanne! Wir haben am Dreisessel noch einige alte Tannen, die sich dank engagierter Jäger auch üppig verjüngen können. Aber auch die Privatwälder brauchen heute mehr davon. Die Tanne ist eben klimatoleranter als die Fichte.“

Wissenschaftliche Vorhersagen für den Waldbau der Zukunft werden immer schwieriger. Bis 2050 sehen die Prognosen für die Bergfichte in Höhenlagen noch „sehr geringes“, aber im Donautal „hohes“ Risiko für Fichten. Hinzu kommt der Schaden durch Borkenkäfer. Lermer: „Dieser heiße Sommer ist ideal für die Vermehrung der Käfer. Wir kommen mit dem Ausräumen vom Käfer befallener Fichten auch in Höhenlagen kaum nach. Das muss schnell gehen, damit die Käfer nicht ausfliegen.“ Das beschleunigt den Umbau in Richtung Laubwald.

In Klima-Prognosen wird der Eiche im Tal „geringes“, im Bergwald „hohes Risiko“ vorhergesagt. „Einheimische Eichenarten sind klimatoleranter als Buchen, wachsen aber nicht im sauren Boden des Gebirges“, erklärt Lermer: „Buchen halten mehr aus als Fichten, haben also geringeres Risiko und mehr Chancen. Aber Buchen wachsen ausladend und lassen den Nachwuchs anderer Baumarten kaum hochkommen.“ Eine große Rolle spielt der wirtschaftliche Bedarf. Der Laie kennt ohnehin kaum Unterschiede von Fichten und Tannen, Eichen und Buchen. Aber für die Bauwirtschaft wirkt es sich massiv aus, ob es für den Hausbau künftig statt Nadelholz mehr Laubholz gibt. „In Deutschland werden vor allem Nadelhölzer angefordert. Über Verarbeitung von Buchen für Holzkonstruktionen und Häuserbau muss erst noch weiter geforscht werden.“

Tiefer wurzeln


Ob die tschechischen Nachbarn in ihrem zu großen und international umstrittenen Nationalpark Sumava Waldumbau planen, weiß man nicht. „In den Wirtschaftswäldern beiderseits der Grenzberge mit Österreich werden wir aber insgesamt noch stärker Tannen unterstützen“, erklärt Lermer: „Die wurzeln tiefer als Fichten, brauchen weniger Wasser und vertragen höhere Temperaturen.“ Generell empfehlen die Staatsforsten auf Bergen wie in Tälern laut Lermer „einen Mischwald mit mindestens vier Baumarten: je nach Höhe aus Bergfichten, Tannen, Douglasien, sowie Buchen, Eichen und Ahorn. Zwei oder drei werden schon überleben.“

Auf veränderte Verhältnisse im Wald wird sich auch die gesamte Artenvielfalt einstellen. Wie nach Sturmwürfen finden Rehe und Hirsche auch nach Käferschäden in Lichtungen üppiges Futter und werden sich kräftiger vermehren. Ob Tannen wie Laubholz dem Verbiss durch Rot- und Rehwild standhalten, sieht Forstdirektorin Lermer vor allem als Aufgabe der Jagd: „Nur wenn die Jäger das Rot- und Rehwild kurzhalten, haben junge Baumpflanzen im Klimawandel eine Chance zu überleben.“ > (Hannes Burger)

Kommentare (2)

  1. voa zua am 08.11.2018
    Es zeigt sich auch jetzt wieder, dass der größte Feind des Waldes wohl das Rot- und Rehwild sein muss...

    Früher wurden Fichtenwälder vom Staatsforst gefördert auf Teufel komm raus. Der Teufel kam raus - in Form von invasiven Borkenkäfernausbrüchen... Das "Waldsterben" der 80er hat dann herhalten müssen, um von den Fehlern der vergangenen Förstergenerationen ablenken zu können. Und dann sucht man eben Schuldige anstatt sich selbst an der Nase zu fassen. Ist halt praktisch, weil sich die doofen Rehe nicht wehren, gegen die Vorwürfe, sie würden den Waldumbau verhindern.

    Das Waldsterben kam als Ausrede gerade recht um ungezügelt auf unsere Rehe und Hirsche Dampf machen zu können und damit die eigenen Fehler aus dem Blick der Öffentlichkeit zu nehmen. Zugegebenerweise waren die Bestände damals auch tatsächlich überhöht bzw. dem vorhandenen Lebensraum - den artenarmen Monokulturen - nicht angepasst, denn nicht nur seitens der Forstleute wurden Fehler gemacht. Heute sieht die Sachlage bedeutend anders aus. Bis auf wenige Bereiche ist der Forstumbau weit fortgeschritten. Und wenn jetzt immer noch hohe Strecken bei den Rehen erzielt werden (wenn man den Statistiken Glauben schenken will), ist das dennoch was anderes, weil das Biotop wieder passt.

    Der gemäß Prognosen der 80er bereits ausgestorbene Wald gedeiht in der Regel in Bayern prächtigst. Der Grund nahezu gnadenlos aufs Reh zu hetzen war fast weggefallen... Man hatte beim Staatsforst schon fast ein Argumentationsproblem, wenn man die Wildbestände weiter so kurz halten wollte, um dem Kommerz (denn darum gehts wohl meistens) weiter voranzutreiben.

    Aber dem Klimawandel sei Dank stirbt der Wald jetzt wohl wieder so sicher wie in den 80ern und des Pudels Kern ist auch schon ausgemacht - das böse Reh- und Rotwild, das den Waldumbau (der jetzt schon wieder notwendig wird? Was wurde dann die letzten 40 Jahre gemacht?) verhindert...
  2. Markus am 04.11.2018
    Schon ein altes Sprichwort lautet: "Willst Du den Wald bestimmt vernichten, so pflanze nichts als reine Fichten."
    Zur Erinnerung, noch vor einigen Jahrzehnten wurde von vielen Forstfachleuten unseren Waldeigentümern immer empfohlen, die relativ schnell wachsenden/kostengünstigen, jedoch sehr witterungsempfindlichen Fichten zu pflanzen. Mit etwa 42 Prozent der Bäume ist die Fichte in Bayern derzeit die am meist verbreitete Baumart.
    Die natürliche Baumart in Bayern dürfte in vielen Gebieten jedoch die Buche sein.

    Wir meinen, man ist jetzt anscheinend in wichtigen Teilgebieten dabei, mit den Pflanzempfehlungen zugunsten der Tanne vergleichbare Fehler zu begehen wie damals.

    Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass das nach dem Sturm "Kolle" festgelegte Waldumbauprogramm der Bayerischen Staatsregierung völlig unberücksichtigt bleibt. Das Ziel des Programms ist, jedes Jahr 10 000 Hektar Fichtenwälder (bisher ca. 6000 Hektar) Mischwälder mit Buchen und anderen Laubbäumen umzubauen.
    So sollen Waldeigentümer beim Aufbau von stabilen Mischwäldern unterstützt werden.
    Eine hervorgehobene Unterstützung beim Pflanzen von Tannen wird nach unserem Wissen so nicht ausgesprochen. Laut Staatsregierung gibt es keine Alternative zum Waldumbau.

    Es dürfte unstrittig sein, dass ein klimabedingter Waldumbau nur dann Erfolgsaussichten hat, wenn er von den deutschen Forststellen in enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Tschechien und Österreich durchgeführt wird.
    Die Zusammenarbeit mit Tschechien beim Thema Waldumbau ist aufgrund der Größe des einmaligen tschechischen Nationalparks "Sumava" von besonderer Bedeutung. Schon deshalb weil der Nationalpark "Sumava" einen wichtigen Beitrag für die "grüne Lunge" der ganzen Region leistet.
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