Es gärt in der Umweltbewegung. In Bayern gibt es jetzt einen neuen, offiziell anerkannten Umweltverein - Konkurrenz zum etablierten Bund Naturschutz. Schuld ist die Energiewende.
Ausgerechnet zum 40-jährigen Bestehendes Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) als nationaler Organisation hatder Ökoverband Konkurrenz bekommen. In Bayern wurde eine neue Naturschutzvereinigungvom Landesamt für Umwelt offiziell anerkannt: der "Verein für Landschaftspflege & Artenschutz in Bayern" (VLAB). Der noch recht junge Vereinmit dem Feuersalamander als Logowill zurück zu den Ursprüngen des Naturschutzes. "Wir möchten eineideologiefreie und nicht durch Lobbyverbände beeinflusste, originäre Umwelt- und Artenschutzarbeit leisten", sagtsein Vorsitzender Johannes Bradtka.
Mit dabeisind zwei bundesweit bekannte Persönlichkeiten, die einstden BUND mitgründeten: der Dirigent und Umweltschützer Enoch zu Guttenberg sowieder langjährige Chef des Bundes Naturschutz in Bayern (BN), Hubert Weinzierl. Der Umweltpionier war 2002 nach internen Streitigkeiten - manche sprachen von einem Machtkampf - zurückgetreten. Dem schöngeistigen Weinzierl folgte der robuste Hubert Weiger, der seit 2007 auch dem BUND vorsteht. Seine Stimme hat Gewicht, in München wie in Berlin.
"Ausverkauf der deutschen Kulturlandschaft"
Die Neugründung, deren Wirkung nicht auf Bayern beschränkt bleiben muss, gilt vielen als Symptom einer Krise der deutschen Umweltbewegung. Vor allem im thematisch breit aufgestellten BUND gärt es. Grund: die Energiewende. Seit der Atomkatastrophe von Fukushima wird es ernst mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien. Überall im Land ragen Windkrafträder in die Höhe. Dank großzügiger Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit festen Einspeisetarifengelten sie derzeit als die lukrativste Methode,Ökostrom zu erzeugen. Doch was für die einen Symbole einer zukunftsfähigen, gerechten und sauberen Energieerzeugung sind,sehen andere als Ausverkauf der deutschen Kulturlandschaften und des Artenschutzes. Es ist auch der Kampf zwischenden eher städtischen,global denkenden Klimaschützernund den eher regional verwurzelten, traditionell denkendenArten- und Landschaftsschützern.Er spaltet die Umweltverbände. In Rheinland-Pfalz trat bereits ein BUND-Vorsitzender zurück und etablierte im Westerwald eine Art Widerstandszentrumgegen das weitere Vordringen der Windindustrie in noch ursprüngliche Regionen.Auch in Sachsen gab es innerhalb des BUND Streit zwischen Traditionalisten und Modernisierern.
Erstmals materialisiert hat sich dieser Konflikt nun in der bayerischen Neugründung. Der VLAB ging aus der Bürgerinitiative "Unser Hessenreuther Wald" hervor, die 2009 gegen eine in der Oberpfalz geplante Autoteststrecke mobil gemacht hatte. Nachdem der Kampf gewonnen war, suchten sich die Aktivisten um das frühere BN-Mitglied Johannes Bradtka ein neues Betätigungsfeld. "Wir sind seit etwa vier Jahren auch bayernweit aktiv", sagt Bradtka, im Hauptberuf Forstbeamter.
Ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit liege auf den Gefahren der Energiewende für Landschaftund Biodiversität. Dem Wert von Landschaften müsse wieder eine stärkere politische und gesellschaftliche Bedeutung zukommen, sagt Bradtka. "Windräder in Kulturlandschaften und Wäldern lehnen wir grundsätzlich ab."
"Von Bündnis 90/Grüne unterwandert"
Großen Wert legt Bradtka auf die Abgrenzungzum BN. "Wir sind kein BN 2.0, sondern ein autarker, anerkannter Umwelt- und Naturschutzverein." Regionale Kooperationen schließt er aber nicht aus. "Den Kurs des Bundes- und Landesvorstandes sehen wir jedoch sehr kritisch." Der VLAB hat derzeit nach eigenen Angaben rund 8700 Mitglieder - noch wenige im Vergleich zum BN, der es aktuell auf 210 000 Mitglieder bringt. Richard Mergner, als BN-Landesbeauftragter der zweite Mann hinter Weiger, ist skeptisch, ob sich der neue Verein "in umfassender Weise um Natur- und Klimaschutz bemühen" wird.
BN und BUND befinden sich in einer Zwickmühle. Ausgerechnet zum 40. Gründungstag des BUND trat der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell aus dem Verband aus, einer der Konstrukteure des EEG. Nach seiner Meinung legen BN und BUND zu viel Wert auf den Naturschutz und behindern die Energiewende. Vor allem der BN sei ein "starker Bremser" und lehne beispielsweise "jede Windkraftanlage im windreichsten Gebiet Bayerns, der Rhön, ab". Auch beimAusbau von Biogasanlagen, Solarfeldern und Wasserkraftwerken lege sich der BN häufig quer.
In einem Antwortschreibenan Fell versucht Weiger, die Wogen zu glätten. Der BUND sehe sich als "Treiber der Energiewende und als Naturschutzverband". In Bayern habe ma n"in dieser Verantwortung Vorrangflächen für Windenergie neu vorgeschlagen, aber auch solche Flächen abgelehnt, an denen dezidiert naturschutzfachliche Belange gegen den Bau von Windenergieanlagen sprachen". Weigers Losung: Windkraft ja, aber nach Plan und mit "ökologischen Leitplanken".
Die Windkraftgegner um Guttenberg nehmen Weiger dies nicht ab. Sie sehen den BUND längst von Windindustrie und Grünen unterwandert. "Die bayerischen Kulturlandschaften ... haben mit dem Bund Naturschutz und dessen zerstörerischer Energiepolitik schon seit längerer Zeit ihren natürlichen Anwalt und Schützer verloren", sagt Guttenberg. "Wir werden darum kämpfen, dass die Landschaften unserer Heimat nicht zu einem Wind- und Photovoltaik-Industriegebiet verkommen und ehrliche und engagierte bayerische Natur- und Landschaftsschützer in unserem Verband wieder eine Identität stiftende Heimat finden." (Georg Etscheit)
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