Kommunales

Manche Tierheime sind irgendwann von Tiergefängnissen nicht mehr zu unterscheiden. (Foto: DDP)

10.09.2010

Letzter Ausweg Massensterilisation?

In Bayern gibt es immer mehr Katzen, die Tierheime sind mit kranken Miezen überfüllt

Zwei kleinen Katzen mussten sie gerade je ein Auge rausnehmen lassen, bei zwei weiteren entfernt der Tierarzt gleich beide Augen. Grund: Katzenschnupfen, ein zerstörerischer Virus. Für Johanna Halisch, Leiterin des Tierheims in Rosenheim, ist das ein typisches Indiz dafür, dass es viel zu viele Katzen gibt, um die sich kein Mensch kümmert: in der Stadt, im Landkreis, in Bayern, in Deutschland, ja in Europa. „Wir haben das ganze Heim voll sterbenskranker Katzen“, klagt sie.
Katzenpopulationen wachsen in atemberaubendem Tempo. Zwei mal im Jahr kann eine Katze vier bis sechs junge Welpen austragen, die wiederum sind nach einem halben Jahr geschlechtsreif. Ausgesetzt streunern sie dann über Land und durch die Städte. „Oft sind sie in einem erbärmlichen Zustand“, so die Münchner Tierärztin Tanja Ludwig. „Die Tiere sind mager, ihr Fell glänzt nicht, die Augen sind vom Katzenschnupfen vereitert.“ Für manche Bauern seien Katzen nun mal etwas „wie Vögel: Tiere, die man sich selbst überlässt“.
Um das Problem zu lösen, propagieren Tierschützer derzeit die Registrierung und Kastration von Katzen, wie dies in Belgien bereits beschlossen ist: Das dortige Gesundheitsministerium plant, bis 2016 sämtliche Katzen zu kastrieren. Eine Pilotkommune gibt es in Deutschland, Paderborn. Dort müssen Tierhalter seit zwei Jahren ihre Katzen registrieren und kastrieren lassen.
Aber ob das Modell ein Erfolg wird, sei erst in ein paar Jahren zu beurteilen, meint Dieter Dören vom Ordnungsamt der nordrhein-westfälischen Kommune. „Man kann die Tierhalter nicht flächendeckend kontrollieren.“ Paderborn versucht es gar nicht erst mit einer Kontrolle, extra Geld hat sie für den Katzenschutz, abgesehen von der Pauschale an die Tierheime, ebenfalls nicht.
In Bayern wurde ein entsprechender Antrag der SPD im Landtag abgelehnt. Die Kommunen bleiben lediglich verpflichtet, sich um sogenannte Fundtiere zu kümmern, nicht aber um herrenlos herumstreunende Katzen. Tierschützer wollen den Städten und Gemeinden jetzt antragen, die Kastration und Meldung von Katzen zur Pflicht zu machen.
Auch Kurt Perlinger, Geschäftsführer des Tierschutzvereins München, wird sich in der Landeshauptstadt und den umgebenden Gemeinden dafür starkmachen. Denn obwohl die Münchner dank des Einsatzes freiwilliger Helfer, die Katzen einfangen, kastrieren und wieder aussetzen und so die Plage bislang ganz gut im Griff hatten, sieht Perlinger auch in der Landeshauptstadt und Umgebung die Lage kippen: „Die Tierschutzvereine sind nicht mehr in der Lage, dagegenzuhalten, das ist eine Frage von drei bis fünf Jahren, bis das explodiert.“
Perlinger zeichnet ein drastisches Bild der Situation. Er erzählt vom „nächtlichen Geschrei“, von den „zermatschten Katzen“ auf den Straßen, von Krankheiten und Seuchen, von Infektionen durch Raufereien, weil den Katzen der Platz fehlt, von Abschüssen freilaufender Tiere durch Jäger und von den landesweit überfüllten Tierheimen.
Docht Perlingers Lösungsvorschlag kostet Geld. Einen halben Cent pro Einwohner und Monat, rechnet er vor. In den klammen Gemeinden dürfte er damit auf Widerstand stoßen. In Passau beispielsweise sieht das Ordnungsamt auf Anfrage keinen Anlass, Tierbesitzer zu maßregeln: „Wir haben kein Problem mit streunenden Katzen, die Tierheime bekommen Zuschüsse, darum halten wir den Erlass für unnötig“, lautet die Stellungnahme aus dem Rathaus. Elke Söllner, Leiterin eines Passauer Tierheims, das im Oktober vergrößert werden soll, kann da nur bitter lachen: „Wir haben jede Menge herumstreunende Katzen. Unbedingt muss etwas getan werden.“ Klar, sagt sie, dass nicht jeder das ganze Ausmaß des Problems erfasst. Schließlich ist die Katze ein Tier der Nacht. (Monika Goetsch)

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