Kommunales

Aus dem Stromverbrauch lässt sich viel über die Lebensgewohnheiten ablesen – und für Werbung nutzen. (Foto: dpa)

05.02.2016

Lukrative Stromverbrauchsdaten

Bundeswirtschaftsminister Gabriel will die Energieversorgung digitalisieren – die Stadtwerke bangen um ihr Geschäftsmodell

Das geplante Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende gehört nicht zu den aufsehenerregendsten Projekten des Bundeswirtschaftsministeriums – aber es könnte den Strommarkt in Deutschland nachhaltig verändern. Der Umgang mit Kundendaten soll auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Und die Kommunen bangen um die Geschäftsgrundlage ihrer Eigenbetriebe. Alles begann mit einer sogenannten Binnenmarktrichtlinie der Europäischen Union im Jahr 2009. Darin heißt es: „Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass intelligente Messsysteme eingeführt werden. ... Die Einführung dieser Messsysteme kann einer wirtschaftlichen Bewertung unterliegen, bei der alle langfristigen Kosten und Vorteile für den Markt und die einzelnen Verbraucher geprüft werden sowie untersucht wird, welche Art des intelligenten Messens wirtschaftlich vertretbar und kostengünstig ist. Entsprechende Bewertungen finden bis 3. September 2012 statt. ... Wird die Einführung intelligenter Zähler positiv bewertet, so werden mindestens 80 Prozent der Verbraucher bis 2020 mit intelligenten Messsystemen ausgestattet.“

Aber was ist ein „intelligentes Messsystem“? Per gesetzlicher Definition „eine aus einem digitalen Stromzähler und einer Kommunikationseinheit bestehende Messeinrichtung, die den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt und über ein Smart Meter Gateway sicher in ein Kommunikationsnetz eingebunden werden kann“.

Die Einbauverpflichtung für eben diese intelligenten Messsysteme beginnt am 1. Januar 2017 – zunächst nur für Stromzähler. Für Gaszähler gelten die Bestimmungen, sofern es sich um neue Messeinrichtungen handelt. Darüber freuen können sich unter anderem die Provider von Kommunikationsnetzen, eröffnet sich ihnen doch auf diese Weise ein neues Geschäftsfeld. Wenn diese aus den Verbrauchsdaten beispielsweise herauslesen, dass jemand öfters nachts für kurze Zeit das Licht anmacht, dann besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ältere Bürger handelt, die das aus einem menschlichen Bedürfnis heraus tun – und deshalb vielleicht beim nächsten Starten ihres Browsers am PC mit Werbung von Harndrangregulierern aus der Apotheke konfrontiert werden.

Deutschlandweit vier große Übertragungsnetzbetreiber


Das Gesetzgebungsverfahren soll im Mai 2016 abgeschlossen sein. Das Bundeswirtschaftsministerium verspricht sich viel davon. „Mit diesem Gesetz wollen wir den Strommarkt fit für einen steigenden Anteil erneuerbarer Energien machen. Diese Reform des Strommarkts ist eine zentrale Maßnahme für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“, so Beate Braams, Sprecherin von Ressortchef Sigmar Gabriel (SPD). Ziel der Reform sei es, „die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Stromversorgung volkswirtschaftlich kosteneffizient, umweltverträglich und verlässlich weiterzuentwickeln – auch wenn zunehmend Wind- und Sonnenstrom in den Markt kommt“. Das Strommarktgesetz beinhalte hierzu ein Maßnahmenbündel, mit dem bestehende Marktmechanismen gestärkt würden.

Das freilich sieht man beim Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) ein wenig anders. Dort befürchtet man, dass am Ende die Zahl der Stadtwerke – von denen derzeit, nach Auslaufen zahlreicher Konzessionsverträge, viele neu gegründet werden – langfristig wieder reduziert würden. Der Zugriff auf die Kundendaten und der Aufbau neuer Geschäftsfelder werde den Stadtwerken erschwert.

Dazu muss man wissen, dass die Stadtwerke wie alle regionalen Versorger nur den Endkunden beliefern. Tatsächlich bereitgestellt wird der Strom aber von den vier großen Betreibern des Übertragungsnetzes. In Bayern (mit Ausnahme des Bezirks Schwaben), Hessen und Norddeutschland ist das Tennet, in Hamburg und den neuen Bundesländern 50 Herz, in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und dem Bezirk Schwaben Amprion und in Baden-Württemberg Transnet BW.

Bisher durften die Stadtwerke die eigenen Verbrauchsdaten sammeln und auswerten, bevor sie diese an die vier Übertragungsnetzbetreiber weitergaben. In Zukunft aber sollen Tennet & Co. direkten Zugriff auf die Kundendaten haben. Dass aber jeder Haushalt in Deutschland mit Strom versorgt wird, dafür haftet der jeweilige regionale Versorger. Und er muss Bußgelder bezahlen, wenn er nicht genügend Elektrizität eingekauft hat, um den Bedarf seiner Kunden zu decken. Eine zu hohe Einkaufsmenge wiederum schlägt sich auch negativ auf die Bilanz nieder.

Eine Gefährdung der Stadtwerke mag man im Bundeswirtschaftsministerium jedoch nicht erkennen. „Wir wollen den Strommarkt konsequent wettbewerblich ausrichten und damit die Akteursvielfalt erhöhen, auch wenn dies für manche eine Weiterentwicklung ihrer Marktrolle bedeuten mag“, so Sprecherin Braams. Die Stadtwerke bekämen auch nach dem aktuellen Gesetzesentwurf „und unter Einhaltung aller erforderlichen Datenschutz- und Datensicherungsbelange diejenigen Daten, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen“. Verteilernetzbetreiber (also Stadtwerke) und Übertragungsnetzbetreiber würden gleichgestellt.
(André Paul)

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