Kommunales

Polizeibeamte mit türkischen Wurzeln gibt es in Bayern schon einige, die Kommunalverwaltungen suchen noch entsprechendes Personal. (Foto: BSZ)

17.08.2012

Migranten willkommen

Der Anteil an nichtdeutschen Mitarbeitern soll in Kommunalverwaltungen steigen

Mehr Migranten in den öffentlichen Dienst – das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Bei ihrem Integrationsgipfel am Anfang des Jahres präsentierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den „Nationalen Aktionsplan Integration“, der zuvor in elf Dialogforen erarbeitet wurde. Ein Aspekt: Der öffentliche Dienst brauche weit mehr Migranten als die heutigen 9,9 Prozent.
Doch umsetzen müssen die hehren Ziele andere, nämlich die Landkreise und Gemeinden vor Ort. Und das ist gar nicht so einfach, wie Michael Sturm vom Bayerischen Landkreistag erklärt. Ein grundlegendes Problem sei, dass in Deutschland nur deutsche Staatsbürger oder Bürger aus anderen EU-Staaten Beamte werden dürften. Nicht-EU-Migranten (zum Beispiel aus der Türkei), die sich nicht haben einbürgern lassen, können sich deshalb nur auf Tarifstellen bewerben. Doch auch hier sei es nicht so einfach, die Integrationsziele des Bundesregierung umzusetzen. „Die Frage muss immer sein: Wer ist der geeignetste Bewerber?“, sagt Sturm.
Es gehe nicht an, Migranten pauschal zu bevorzugen, nur weil sie Migranten seien. Dies sei zudem bei Ausbildungsplätzen kaum möglich, denn das Auswahlverfahren sei meist standardisiert, der Spielraum gering. „Die Auszubildenden müssen in der ganzen Verwaltung einsetzbar sein“, sagt Sturm.

Leistung muss zählen

Der Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, Martin Neumeyer, pflichtet bei: „Ich bin gegen eine Quote, die Leistung muss zählen.“
Spielraum gebe es nur, wenn jemand für eine konkrete Stelle gesucht werde, etwa als Dolmetscher, sagt Michael Sturm. Dann könnten Migranten eher gefördert werden, vor allem wenn sie über außergewöhnliche Sprachkenntnisse verfügen. Gerade in großen Städten wie München, in denen viele Migranten leben, ist es von Vorteil, wenn Angestellte im öffentlichen Dienst die Sprachen der Migranten beherrschen. Doch auch die Landkreise bauen auf Sprach- und Kulturkompetenz.
Recht frühzeitig hat der Landkreis Oberallgäu auf Integration gesetzt. Dort wurde schon vor zehn Jahren eine Beauftragte für Migration und Integration eingestellt. „Wir müssen Menschen mit Migrationshintergrund als wertvolles Potenzial begreifen“, sagt Landkreis-Sprecher Andreas Kaenders. Aktuell liege der Landkreis Oberallgäu mit etwa zehn Prozent Migranten im öffentlichen Dienst gut im bundesdeutschen Schnitt. Um gezielt Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen, weist der Landkreis Oberallgäu mittlerweile in jeder Stellenausschreibung darauf hin, dass Menschen mit Migrationshintergrund „ausdrücklich aufgefordert“ seien, sich zu bewerben. Doch mit dieser recht wenig aufwändigen Initiative, steht der Landkreis Oberallgäu ziemlich alleine da: Kaum eine andere Gemeinde erwähnt in ihren Stellenangeboten Migranten.
Als zweite Initiative will der Landkreis Oberallgäu versuchen, die Deutschen im öffentlichen Dienst mit Workshops für „die Belange der Menschen aus anderen Kulturkreisen“ zu sensibilisieren. Ob diese Initiativen allein mehr Migranten in den öffentlichen Dienst bringen, ist für Verwaltungsrat Sturm fraglich. Andererseits haben die Kommunen aber auch kaum andere Mittel, um sich bei Migranten als Arbeitgeber anzudienen.
Michael Sturm kritisiert: „Das ist ein Papiertiger, den die Bundesregierung da aufgezäumt hat.“ Die eigentlichen Probleme, warum sich so wenig Menschen mit Migrationshintergrund bewerben, begännen nämlich bereits in der Schule. „Wenn es da nicht gut läuft, wie sollen die eine Chance haben?“ Das größte Problem sei nach wie vor, dass viele weniger qualifizierte Bewerber nicht ausreichend gut Deutsch sprächen. Und ohne Deutschkenntnisse gehe gar nichts: „Die deutsche Sprache ist maßgeblich für den öffentlichen Dienst“, sagt der Verwaltungsfachmann beim Landkreistag.
Im Landkreis Oberallgäu gibt es eigens ein Bildungsprojekt, in dem die Sprachkompetenzen der Kinder außerhalb des Unterrichts gestärkt werden. Doch während Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärte, Deutschförderkurse in Städten stärker fördern zu wollen, würden Landkreise kaum unterstützt, moniert Kaenders. Dabei benötigten diese die Unterstützung mindestens genau so dringend.
Abgesehen von Sprachkenntnissen schneiden Migranten schulisch oft schlechter ab. „Die Bewerbungen kommen, aber die Noten sind oft hinderlich“, sagt Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer.
Die Stadt München bemüht sich, Bildungsunterschiede aufzufangen. Seit einer Reform im Auswahlverfahren vor etwa fünf Jahren dürfen sich dort auch Hauptschüler auf die Tarifstellen bewerben, sonst sind es meist Realschüler und Gymnasiasten. Zudem werden seit der Reform „Soft Skills“ wie soziale und interkulturelle Kompetenz sowie besondere Sprachkenntnisse mit Zusatzpunkten gewürdigt. Der Erfolg ist überzeugend: Der Anteil von Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund an den Auszubildenden stieg von wenigen Prozent auf etwa ein Fünftel, bei den Kaufleuten für Bürokommunikation liegt er sogar bei 70 Prozent. Integrationsbeauftragter Neumeyer hofft, dass solche Beispiele Schule machen. „Da wird sich ein Automatismus einstellen, den niemand aufhalten kann.“ (Antonia Schäfer)

Kommentare (1)

  1. Richt am 19.08.2012
    Man sollte nicht etwas wichtiges abschaffen, bevor man nicht den Sinn des alten verstanden hat. Warum ist derzeit die Staats- und Landesbürgerschaft Voraussetzung für die Ausübung des Amtes? Nach der Antwort diskutieren wir gerne alles weitere. Wir wollen aber eine Professionalität in der Regierungsführung. Daher: Zuerst alle oder möglichst viele Grundlagen kennen!
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