Kommunales

Gegner des Nuxit machen mobil. Foto: dpa

23.04.2019

Neu-Ulm: Gerät nach dem "Brexit" auch der "Nuxit" ins Stocken?

Neu-Ulm will als erste bayerische Stadt seit rund einem halben Jahrhundert aus ihrem Kreis austreten. Das ist schwieriger als gedacht. Die Zeit spielt für die Gegner des "Nuxit".

Es wäre eine Premiere in Bayern: Eine prosperierende Stadt mit kräftigem Bevölkerungswachstum tritt aus ihrem Landkreis aus. Seit der Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre hat es das im Freistaat noch nicht gegeben. Nun möchte Neu-Ulm kreisfrei werden, doch der schwäbischen Stadt läuft langsam die Zeit davon. Wann die Staatsregierung über den Antrag entscheiden wird, ist nach wie vor nicht absehbar. Angesichts der Kommunalwahl in weniger als einem Jahr wird ein "Nuxit" immer unwahrscheinlicher. Denn die Frage ist: Wählen die Bürger der Stadt Neu-Ulm am 15. März 2020 noch einen Kreistag oder nicht?


Die Bestrebungen der Stadt mit dem Autokennzeichen "NU" zur Selbstständigkeit könnten damit ähnlich unglücklich verlaufen wie der EU-Austritt Großbritanniens - der "Brexit" bescherte dem Anliegen der Schwaben die Bezeichnung "Nuxit". Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg (CSU) möchte sich derzeit jedenfalls nicht zum Stand des Verfahrens äußern. Der Antrag werde von der Regierung von Schwaben bearbeitet, heißt es knapp aus dem Rathaus.


Dort liegt der Antrag, den der Neu-Ulmer Stadtrat im März 2018 beschlossen hatte, schon eine ganze Weile - und die Regierungsbehörde, die dem Innenministerium untergeordnet ist, hat sich bislang nicht gerade begeistert über die angestrebte Kreisfreiheit geäußert. "Jetzt ist die Stadt Neu-Ulm am Zug, tragfähige Ansätze darzulegen, die zeigen, wie die Kreisfreiheit und der damit verbundene Aufgabenzuwachs eventuell auch im Zusammenwirken mit dem Landkreis Neu-Ulm gelingen können", hieß es im Dezember in einer Mitteilung der Augsburger Behörde.

Die Stadt deutete diese Mitteilung überraschenderweise so, dass die Regierung "den Landkreis nun wieder zurück an den Verhandlungstisch mit der Stadt Neu-Ulm" gerufen habe. Denn Stadt und Kreis müssen auf jeden Fall die Zusammenarbeit für den Fall eines Kreisaustritts klären. Es geht beispielsweise um den Betrieb von Krankenhäusern, Schulen oder auch um das Abfallmanagement, und noch nicht alle Fragen sind geklärt.


Die Stadt verspricht sich von einem Austritt aus dem Landkreis mehr Unabhängigkeit, etwa bei Fragen des Öffentlichen Personennahverkehrs, und kürzere Behördenwege für die Bürger.

Bund der Steuerzahler gegen Nuxit

Aus der Kreisfreiheit ist längst eine Konfrontation zwischen Stadt und Landkreis Neu-Ulm geworden. Verkörpert wird diese durch die zwei CSU-Funktionäre: OB Noerenberg auf der einen Seite und Landrat Thorsten Freudenberger auf der anderen. Freudenberger hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er von den Bestrebungen der Stadt überhaupt nichts hält. Sollte es zum "Nuxit" kommen, will er mit seiner Kreisbehörde in eine andere Kommune ziehen. Konkrete Planungen dazu gebe es aber noch nicht, sagt der Landrat. "Wir sind selbstbewusst genug zu glauben, dass der Landkreis bestehen bleibt."


Nach der bayerischen Gemeindeordnung können kreisangehörige Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern ihren Kreis verlassen. Neu-Ulm hat längst die Marke von 60 000 geknackt hat. Nun muss der Staat den Antrag prüfen. Die Regierung kann mit Zustimmung des Landtags eine Rechtsverordnung erlassen. Doch in dem Gesetz steht auch: "Hierbei ist auf die Leistungsfähigkeit des Landkreises Rücksicht zu nehmen." Die enge Verknüpfung zwischen Stadt und Landkreis Neu-Ulm könnte sich als hinderlich erweisen.


Der Bund der Steuerzahler in Bayern hat dem "Nuxit" längst eine Absage erteilt: "Mehr Kosten als Nutzen!", lautet das Fazit. Auch in der Region Neu-Ulm gibt es zahlreiche Gegner des geplanten Alleingangs der Stadt. Sie haben kürzlich im Maximilianeum eine Petition mit mehr als 10 000 Unterschriften gegen die Abspaltung übergeben. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Martin Runge (Grüne), nahm die Listen an.


"Es gibt auf dem Papier die Möglichkeit", sagt Runge zur Kreisfreiheit. Er ist dafür, das Thema vor einer Entscheidung in aller Ruhe zu diskutieren. Runge rechnet trotz des näherrückenden Wahltermins nicht damit, "dass das ratzfatz geht."


Nachdem Neu-Ulm erstmals von dem Gesetz Gebrauch machen will, gibt es auch schon manche Stimmen in München, die eine Abschaffung der Kreisfreiheit-Option diskutieren. Denn das Beispiel könnte Schule machen: Die kreisangehörigen Städte Freising und Dachau steuern ebenfalls auf die 50 000-Einwohner-Marke zu.


Bislang war jedenfalls die bevorstehende Kommunalwahl als wahrscheinlichster Termin der Trennung von Stadt und Kreis Neu-Ulm angesehen worden. Doch die Entscheidung müsste dann früher feststehen, die Wahl muss von Parteien und Behörden vorbereitet werden, beispielsweise müssen Listen aufgestellt werden.

Landrat Freudenberger betont, dass nach der Sommerpause Klarheit herrschen müsse. "Wir wünschen uns eine baldige Entscheidung, dass man die Kommunalwahl gut vorbereiten kann." Aus Sicht des Landkreises Neu-Ulm sei die Entscheidung einfach, fügt der "Nuxit"-Gegner an. (Ulf Vogler, dpa)

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