Kommunales

Die Ausbildung eines professionellen Kirchenmusikers dauert lang, entsprechend teuer sind Fachkräfte. Das kann sich nicht mehr jede Gemeinde leisten. (Foto: dpa)

11.06.2018

Orgelmusik aus der Maschine

In vielen kleinen Gemeinden gibt es keinen Organisten mehr - also behelfen sich die Kirchen mit einer Notlösung, die nicht jedem gefällt

Weil Pfarreien in kleinen Gemeinden in Bayern die Orgelspieler fehlen, kommt die Kirchenmusik nun immer öfter aus der Maschine. Doch das kommt nicht bei allen Gläubigen gut an.

Anton Holzapfel hat etwas erfunden, das nicht jedem bei der katholischen Kirche gefällt. Es ist ein Aufsatz für die Orgel, der das Instrument zum Spielen bringt. Seine "Organola" ist eine Art Orgelspielautomat (kurz: Orgamat). Er soll eigentlich ein Problem von Pfarrern und Kirchen lösen: den Organistenmangel. Denn vor allem auf dem Land sind die Kirchenmusiker, die ehrenamtlich bei Gottesdiensten spielen, rar.

Der Tüftler aus Schwaben kennt das Problem aus seiner eigenen Gemeinde Ziertheim-Reistingen im Landkreis Dillingen an der Donau. "Wir haben hier eine Organistin, die mehrere Gemeinden bespielt", sagt der Ingenieur. Er selbst sei auch Organist - "aber kein guter", und habe sich deshalb mit dem Instrument beschäftigt. "Ich habe gegrübelt, wie man das Problem lösen könnte", sagt Holzapfel.

1993 meldet er schließlich das Patent für seine Erfindung an. Mittlerweile gebe es einen Mitbewerber aus Köln auf dem Markt, sagt Holzapfel. Mehr als 250 Gemeinden hat der Tüftler bereits mit der "Organola" beliefert. Auch immer mehr Klöster würden das Gerät nachfragen, sagt der 59-Jährige. Bis zu 9000 Euro kostet so ein Aufsatz.

Lieder werden über Funk gestartet


Doch wie funktioniert die Erfindung genau? Die Selbstspieleinrichtung wird auf die Tasten der Orgel gesetzt, wie Holzapfel erklärt. Elektrische Impulse bringen kleine Filzstößel darin in Bewegung, die auf die Tasten der Orgel drücken und Töne erzeugen. In welcher Reihenfolge die Töne abgespielt werden, bestimmt ein kleines angeschlossenes Gerät, an dem ein USB-Stick hängt. Die Musikauswahl auf dem Datenspeicher trifft der Pfarrer vorher am Computer. Die Lieder werden dann über Funk gestartet.

"Seelenlos" findet das Diözesanmusikdirektor Gerald Fischer. Er ist der Chef der Abteilung Kirchenmusik im Erzbistum München-Freising und hält nicht besonders viel von der Selbstspieleinrichtung. In größeren Städten sei das Problem mit dem Organistenmangel nicht so ausgeprägt wie vielleicht auf dem Land. Vor allem hauptamtliche Stellen seien immer noch leicht zu besetzen - und im Orgelunterricht gebe es auch Nachwuchs, so Fischer.

Und auch bei der jährlichen Internationalen Orgelwoche in Nürnberg (ION), die gerade stattfindet, seien Orgelführungen bei Schülergruppen sehr gefragt, sagt eine Sprecherin. Die evangelische Landeskirche in Bayern berichtet ebenfalls von regem Interesse an der Ausbildung zum Organisten. Die Zahl der abgelegten Prüfungen für das sogenannte kirchenmusikalische Nebenamt seien gestiegen, erklärt ein Sprecher.
Doch: ""Den Organisten", der über viele Jahrzehnte den Orgeldienst komplett in einer Gemeinde versieht, gibt es nicht mehr so häufig", heißt es. Dafür würden sich - wie in der Gemeinde von Holzapfel - Organisten-Teams bilden, die sich den Dienst in einer Gemeinde aufteilen.

Unverzichtbarer Bestandteil des liturgischen Geschehens


So wie auch im ländlich geprägtem Erzbistum Bamberg. Doch da kommt in sehr wenigen Gemeinden schon gelegentlich ein Orgamat zum Einsatz, wie Fischers Amtskollege Professor Markus Willinger erklärt. Auch er zeigt sich wenig begeistert davon. "Kirchenmusik ist unverzichtbarer Teil des liturgischen Geschehens - und an der Liturgie können nur Menschen teilnehmen und keine Maschinen", betont Bambergs Diözesanmusikdirektor. Ein Orgamat sei eine Störung im lebendigen und dialogischen Feiern der Liturgie.
Und wie gehe es weiter, fragt sich Willinger: "Gibt es nach dem Orgamaten auch bald auch einen "Pristomaten", wenn der Pfarrer fehlt? Und schicken die Menschen dann den "Gemeindomaten" in die Messe, weil sie selbst keine Lust haben, den Gottesdienst der Automaten mitzufeiern?"

Dagegen wehrt sich Holzapfel und betont, die Organola sei nur eine Alternative zum Gottesdienst ohne Orgelmusik. "Sie soll den Organisten nicht ersetzen, ich will damit niemanden verdrängen - nur Musik in die Gotteshäuser bringen." (Aleksandra Bakmaz, dpa)

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