Kommunales

Das Team WueConnect gewann die Projekta 2019 in der Kategorie „Innovativstes Produkt“. Links Dozent Professor Harald Wehnes. (Foto: Institut für Informatik/Universität Würzburg)

09.08.2019

Per App die Stadtpolitik mitgestalten

Zwei Projekte aus Würzburg und Augsburg könnten Vorbild werden für viele Kommunen

Wer hat schon Zeit und Lust, lange zu recherchieren, worüber gerade in seiner Stadt debattiert wird? „Ich nicht“, meint Studentin Deborah Hümpfner aus Würzburg. Dennoch würde sie gerne wissen, was sich in ihrer Studienstadt kommunalpolitisch tut und dazu ihre Meinung kund. Deshalb engagiert sich die 27-Jährige im studentischen Projekt „WueConnect – Beteilige dich!“

Ziel ist es, eine App zu entwickeln, die kommunalpolitische Bürgerbeteiligung einfacher macht. Und „WueConnect“ könnte ein Quantensprung in Sachen lokalpolitischer Teilhabe bedeuten, meint die Masterstudentin des Fachs Medienkommunikation. So können sich Bürger mithilfe der App unkompliziert über aktuelle Projekte in der unterfränkischen Metropole informieren.

In Würzburg wird zum Beispiel darüber diskutiert, ob die alte Tankstelle der Amerikaner auf dem Konversionsgelände erhalten oder lieber abgerissen werden soll. „Der Erhalt kostet viel mehr als der Abriss“, sagt Hümpfner. Über Kosten Bescheid zu wissen, ist nach ihrer Ansicht wichtig, um ein Projekt beurteilen zu können. Wobei man natürlich dennoch zu dem Schluss kommen kann, dass der Erhalt der Tankstelle wichtig wäre.

Studierende ganz unterschiedlicher Fächer machen gemeinsame Sache, um „WueConnect“ zu realisieren. Neben Deborah Hümpfner engagiert sich Sandra Staudigl für die Idee, Bürgermeinungen auf einfache Weise einzuholen. Die 27-Jährige studiert Wirtschaftsinformatik auf Master. Mit Filipp Roos ist ein Informatiker an Bord, Lucas Plabst und Julian Zarges studieren Human-Computer Interaction.

Ab 2020 gibt es ein SmartCity-Team

Die App selbst basiert auf einem Prototypen, der schon im letzten Semester von einem Team um die psychologische Ergonomin Sara Klüber entwickelt wurde. In ein paar Wochen soll die App so weit entwickelt sein, dass sie in die Hände der Stadt übergeben werden kann. Deborah Hümpfner und Filipp Roos trafen sich kürzlich mit Stadtvertretern, um zu besprechen, wie es dort mit „WueConnect“ weitergehen könnte. Die Stadt hat vor, 2020 ein „SmartCity-Team“ zusammenzustellen, das auch die App „WueConnect“ betreuen soll.

Feste Ansprechpartner sind auf jeden Fall wichtig, denn die App kann nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn es Menschen gibt, die regelmäßig über städtische Projekte informieren, die Anfragen beantworten und Meinungsbilder auswerten.

Um lokalpolitische Teilhabe spannend zu machen, gestalteten die Studenten die App spielerisch. Die Nutzer sollen „Pluspunkte“ sammeln können. Je häufiger ein User mit „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ eine Meinung zu einem Projekt äußert, umso mehr Punkte erhält er. Nimmt er „live“ an einer Bürgerwerkstatt teil, gibt das besonders viele Punkte. „Die Stadt könnte die Nutzer mit den höchsten Punktzahlen einmal im Monat oder im Quartal belohnen“, erläutert Hümpfner, zum Beispiel mit einem Gutschein für die Bücherei oder einem Ticket fürs städtische Theater.

Bauprojekte, Verbesserungen beim ÖPNV, der Ausbau der Kinderbetreuung oder neue Angebote für Senioren mit Demenz: Themen gibt es genug, bei denen Bürger gern mitsprechen würden. „Bei besonders wichtigen Angelegenheiten könnten die Nutzer von ,WueConnect’ auch reale Treffen über die App organisieren“, erläutert Sandra Staudigel. Nicht ausgeschlossen wäre es sogar, dass sich eine Bürgerinitiative aus App-Nutzern bildet.

Befragung in der Fußgängerzone

Inwieweit Würzburgs Bürger bereit wären, „WueConnect“ zu nutzen, möchten die Studenten im nächsten Schritt bei einer Befragung in der Fußgängerzone der Domstadt herausfinden. Auch überlegen sie, ob es möglich wäre, ein digitales Unternehmen zum Vertrieb der App zu gründen. Schließlich wäre „WueConnect“ ohne Weiteres auf andere Städte übertragbar. Selbst der Landtag könnte auf diese Weise über Projekte informieren, die alle Bürger etwas angehen.

Dass es ein großes Interesse an kommunalen Apps gibt, zeigt die in Augsburg entwickelte App „Integreat“, die Neuzuwanderer leicht verständlich und lokal bezogen über alles informiert, was sie wissen müssen, um in der neuen Heimat Fuß fassen zu können. Auch „Integreat“ startete als eine studentische Initiative. Daraus entstand ein digitales Sozialunternehmen mit sieben fest angestellten Entwicklern.

Dass in Würzburg viele Studenten darüber nachdenken, wie die Domstadt zur „SmartCity“ werden kann, liegt an Harald Wehnes, Fachmann für Projektmanagement. Seit 2011 ist er an der Uni Würzburg als Honorarprofessor tätig. Jedes Jahr bietet er ein Seminar zum Thema „Projektmanagement“ an. In diesem Seminar tüfteln Studenten an konkreten Projekten, die das Potenzial haben, in ein digitales Unternehmen zu münden.

Neben „WueConnect“ wird derzeit an einem Projekt namens „WueTivity“ gearbeitet. Ziel ist eine App, die Jugendlichen auf einen Klick zeigt, welche Angebote es in den verschiedenen Jugendzentren der Stadt gibt. Lust auf „Sport“ oder „Party“? Jugendliche, die sich in einem Verein engagieren, etwa im Fußballclub ihres Stadtteils, haben oft keine Ahnung, was im Jugendzentrum des Nachbarquartiers abgeht. Bislang gab es auch keine Übersicht über die Events aller Jugendzentren. Durch die App „WueTivity“, die bereits seit einem Jahr entwickelt wird, sollen Teenager sehen, welche Veranstaltungen es in den Kategorien „Party“, „Turniere“, Theater“, „Spielabende“ und „Sport“ gibt. Sie erfahren, wie weit die entsprechenden Events entfernt sind, und wie sie dorthin kommen können.

Sechs Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen

Mit „BürgerBot“ gibt es eine App, die Würzburgs Bürger jedes Mal nutzen könnten, wenn sie sich über irgendetwas ärgern. Die von sechs Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen entwickelte Applikation soll es Würzburgs Einwohnern unkompliziert ermöglichen, Missstände und Mängel an die Stadtverwaltung zu melden. Das studentische Sextett denkt etwa an defekte Straßenlaternen oder Schlaglöcher. Umgekehrt soll die Stadt ihrerseits mithilfe der App schnell über Vorkommnisse informieren. Die Stadt könnte zum Beispiel zeitnah mitteilen, dass das Wasser aus der Leitung aufgrund einer Keimbelastung vorübergehend nur mit Vorsicht zu genießen ist.

Einen solchen kommunalen Chat-Bot, der einen Infofluss vom Bürger zur Stadt und zurück zulässt, existiert nach den Recherchen der Studenten noch nirgendwo in Deutschland. „Unser System würde allein hierzulande in 10 848 Gemeinden und 294 Landkreisen zu einer besseren Kommunikation zwischen Bürgern und Kommune führen“, erklären sie.

Die Plattform „WueKlima“ dockt an den auch in Würzburg lautstarken Protest der Schülerinnen und Schüler gegen die nach ihrer Meinung zu lasche Klimapolitik an. Sie ist im Netz bereits unter www.wueklima.de abrufbar. Fünf Studenten entwickelten die Seite für Bürger aus dem Raum Würzburg, die konkret etwas für den Klimaschutz tun möchten. Neben Artikeln auf wissenschaftlicher Basis gibt es „Tipps“ und „Ziele“ der Woche. Das aktuelle Ziel lautet zum Beispiel, dort, wo man tätig ist, eine Fahrgemeinschaft zu gründen.

Mit der mulitlingualen „Kita-Einstiegsapp“ wird auf ein zentrales Problem vieler Kindergärten und Krippen eingegangen, erklärt Harald Wehnes: „Das Kita-Personal muss ständig gleiche Fragen beantworten.“ Die in Kooperation mit der Stadt an Wehnes Lehrstuhl entwickelte Applikation informiert in den sieben wichtigsten Landessprachen von Würzburger Migranten über alles, was man wissen muss, wenn man sein Kind betreuen lassen möchte. Die Idee dazu kam von Analea Zeisberger, die im Jugendamt der Stadt Würzburg für die Koordinierungs- und Netzwerkstelle im Bundesprogramm „Kita-Einstieg“ verantwortlich ist. (Pat Christ)

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