Kommunales

Der Main - hier die Alte Brücke - hat an seinen Würzburger Ufern schon die unterschiedlichsten politischen Konstellationen erlebt. (Foto: dpa/Klaus Nowottnick)

07.02.2020

Pragmatiker, Traumtänzer und Autohasser

Serie: Der Kommunalwahlkampf in den acht bayerischen Großstädten. Teil 5 – Würzburg

Zur Kommunalwahl am 15. März 2020 stellt die Staatszeitung die Kandidaten für den Posten des OB und die für den Stadtrat antretenden Listen in den acht Städten des Freistaats mit mehr als 100 000 Einwohnern vor. Im rund 128 000 Einwohner zählenden Würzburg fordern fünf ganz unterschiedliche Bewerber den Amtsinhaber heraus.

Er ist kein Mann der leeren Versprechungen und des verbalen Wischiwaschis: Christian Schuchardt (CDU), seit März 2014 Oberbürgermeister in Würzburg – und der einzige im Freistaat mit christdemokratischem Parteibuch; er stammt ursprünglich aus Hessen –, hat vieles von dem realisieren können, was er im letzten Wahlkampf umzusetzen versprach. Das erkennen selbst seine politischen Gegner an. „Der Stillstand in Würzburg ist aufgelöst“, lautet Schuchardts Fazit seiner ersten Amtsperiode. Nominiert von CSU, FDP und Bürgerforum Würzburg tritt der OB am 15. März 2020 erneut zur Wahl an.

Schuchardt hatte es seit seinem Amtsantritt mit einer Vielzahl von Problemen zu tun. „Vor allem auch mit solchen, die am Anfang gar nicht auf der Agenda standen“, sagt er. Dazu gehöre in erster Linie die Flüchtlingskrise. In Schuchardts 14-seitigem Wahlprogramm von 2014 tauchte das Stichwort „Flüchtlinge“ noch an keiner Stelle auf. Nicht einmal die Formulierung „Menschen mit Migrationshintergrund“ kommt vor.

Dann wurde Würzburg, wie alle anderen großen Städte in Bayern auch, mit der Flüchtlingswelle konfrontiert. Dem OB und seinen Referenten gelang es, weite Teile der Stadtgesellschaft zu mobilisieren und die Krise gut zu bewältigen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Würzburg nicht mehr zahlungsfähig war und eine katastrophale Lage der Kassenkredite für Schlagzeilen sorgte: 2003 war das.

Der OB durchlief vorher eine Beamtenkarriere

Schuchardt fungierte zu jener Zeit noch als Prokurist der Hessischen Landesbank. 2004 wurde er Kämmerer von Schwerte, 2007 Finanz- und Personalreferent in Würzburg. Weil er sich so lange intensiv mit kommunalen Finanzen befasst hat, nimmt Schuchardt stets, geht es um die Finanzierbarkeit neuer Ideen, das große Ganze in den Blick. Wer etwas neu ausgeben will, muss irgendwo was einsparen. Das ist nicht einfach: „Denn die Feuerwehr ist nicht mehr und nicht weniger wichtig als die Kita.“ Politische Utopien sind Schuchardts Sache nicht. Er ist durch und durch Pragmatiker.

Anders sein Herausforderer Sebastian Roth von den Linken. „Ich wurde öfter schon Traumtänzer genannt“, gibt der Realschullehrer lachend zu. Was er locker nimmt. So stellt Roth seit 2015 unverdrossen jedes Jahr neu den Antrag, eine Straßenbahnlinie in den vom ÖPNV vernachlässigten Würzburger Stadtteil Versbach zu bauen – wo er selbst wohnt. Bislang ohne Erfolg. Wobei es seit Dezember immerhin probeweise einen „Quartierbus“ gibt.

In Sachen ÖPNV setzt sich Roth außerdem für einen ticketlosen Nahverkehr ein. Das Problem „Wohnungsnot“ wurde unter dem jetzigen OB nicht eben klug angefasst, kritisiert der linke Stadtrat: „Man hat fünf Jahre verschlafen.“ Viel stärker hätte man darangehen können, bereits versiegelte Flächen zu nutzen, um Wohnraum durch Nachverdichtung zu schaffen. Warum in Würzburg ein Praktiker-Baumarkt seit Jahren leer steht, sei für ihn unbegreiflich.

Nicht einverstanden ist Roth auch damit, dass es in Würzburg nur zu 30 Prozent geförderten Wohnraum gibt. Bei Wahlkampfauftritten verspricht er, sich als OB bei Neubauten für einen verpflichtenden Anteil von 50 Prozent sozialverträglichen Wohnungsbaus einzusetzen. Was muss die Politik machen, was muss der Bürger freiwillig tun, um die großen Themen, die Würzburg bewegen, in den Griff zu bekommen?

In puncto Verkehr hat OB-Kandidatin Dagmar Dewald von der ÖDP eine klare Meinung: „Das meiste, was zu machen ist, muss der Bürger tun.“ Nur dann könne die für Würzburg dringend notwendige Verkehrswende gelingen. Dewald sieht sich als „Oberbürgermeisterin für Umwelt und Bürgernähe“.

"Wer will diese Kisten noch sehen?"

Wobei nicht jeder mit dem, was sie propagiert, einverstanden ist. So gilt die ÖDP-Frau nicht eben als autofreundlich. „Das Auto in der Stadt ist ein Auslaufmodell, wer will diese Kisten noch sehen?“, äußerte sie unlängst in der unverblümten Art, für die sie bekannt ist. Den Menschen müsse bewusst werden, was sie durch ihr eigenes Verhalten anrichten, so Dewald. Zum Beispiel dadurch, dass sie massenhaft bei Paketdiensten bestellen. „Kaufen Sie beim Händler vor Ort“, appelliert die 54-jährige Journalistin.

Als OB möchte sie sich für innovative Wohnformen einsetzen. Dewald schwebt die Unterstützung kleiner Wohnungsgenossenschaften vor, außerdem sympathisiert sie für die Idee „Arbeit für Wohnen“. Auch Senioren-WGs soll es in Würzburg vermehrt geben, sollte sie Oberbürgermeisterin werden. Schließlich möchte sie eine Stelle bei der Stadt gründen, wo Bürger beraten werden, wenn sie ihre Wohnung tauschen wollen.

„Werden sie gegängelt, machen die Menschen die Schotten dicht.“ Das ist Martin Heilig klar – selten in seiner Partei. Deshalb geht der Grüne OB-Kandidat, wiewohl er eingefleischter Radfahrer ist, beim Thema „Auto“ deutlich sensibler vor als seine Konkurrentin. Heilig will Würzburgs Bürgerschaft nicht polarisieren: „Wir sollten aufhören, Radfahrer und Autofahrer gegeneinander auszuspielen.“

Als OB möchte er sich für ein attraktives ÖPNV-Angebot in der Domstadt einsetzen. Sollte er gewählt werden, verspricht Martin Heilig, würde er am ersten Tag seiner Amtszeit damit beginnen, an einem Gesamtverkehrskonzept zu tüfteln. In einer besseren Kinderbetreuung sieht der fünffache Vater eine Chance, Fachkräfte nach Würzburg zu locken und den Frauenanteil in den Betrieben zu erhöhen. „Aktuell haben wir in Würzburg Probleme bei der Kinderbetreuung“, konstatiert der Lehrer an einer Fachoberschule im Landkreis Main-Spessart. Kitas dürften keine „Aufbewahrungsorte“ sein. Als OB möchte er sich dafür einsetzen, dass sie zur zweiten Heimat der Kleinen werden – Sprachförderung für Kinder von Einwanderern inklusive. In die Mittagsbetreuung an den Schulen möchte Heilig Sport- und Musikvereine integrieren und es jedem Kind in Würzburg ermöglichen, ein Instrument zu erlernen.

Für die SPD eine EU-Expertin, für die FW ein Newcomer

Die SPD zieht mit einer routinierten Europapolitikerin in den OB-Wahlkampf: Kerstin Westphal wurde auserkoren, Christian Schuchardt aus dem Sessel zu heben. Die 56-Jährige war zehn Jahre lang Abgeordnete des Europaparlaments. Bei der Wahl 2019 gelang ihr der Einzug ins EU-Parlament nicht mehr. Westphal, die bereits zwölf Jahre im Schweinfurter Stadtrat saß, macht vor allem „bezahlbaren Wohnraum“ zum Thema ihres Wahlkampfs: „Das ist die soziale Frage schlechthin.“ Bei Wahlkampfauftritten irritiert sie dadurch, dass sie sich, statt auf ihr mögliches Amt bezogen konkret zu werden, im Allgemeinen verliert, „glaubt“, „überzeugt ist“ und „meint“.

Die Freie Wählergemeinschaft Würzburg (FWG) setzt diesmal auf einen Kandidaten, der noch nie in der Kommunalpolitik aktiv war: Volker Omert. Der eloquente Quereinsteiger ist seit 2010 als Journalist in seiner Geburtsstadt tätig. Würzburg kennt er wie seine Westentasche. Als OB hat er vor, die vom Krach und Feinstaub geplagten Bürger, die entlang des Würzburger Stadtrings wohnen, zu entlasten. Beispielsweise würde er Sektorenkontrollen veranlassen, um Lkws herauszufischen, die den Stadtring als Autobahnabkürzung nutzen. (Pat Christ)

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