Kommunales

Schon drei Mal diskutierte die Würzburger Kommission für Stadtbild und Architektur über das Bauvorhaben „Alte Mälzerei“. (Foto: Christ)

15.06.2018

Qualitätspush für die Architektur

In den vergangenen Jahren richteten immer mehr bayerische Städte einen Gestaltungsbeirat ein

Wird im niederbayerischen Landshut gebaut, werden immer häufiger richtig gute Büros beauftragt. Schon früh in der Planungsphase geht es auch um gestalterische Fragen. Dass dies so ist, führt Johannes Doll, Chef des Landshuter Baureferats, auf den städtischen Gestaltungsbeirat zurück. Seit dessen Gründung 2007 wurden fast 70 Projekte betreut. Landshut ist eine von bundesweit 130 Städten, die sich in puncto Baukultur von einem Gestaltungsbeirat unterstützen lassen.

Landshut ist eine alte Stadt. 1204 wurde sie von Herzog Ludwig I. offiziell begründet. In der Altstadt wimmelt es von Denkmälern. Die mittelalterliche Stadtbefestigung ist noch in Fragmenten erhalten. Mit der Theklakapelle, der Stadtresidenz, dem Hl.-Geist-Spital und dem Pappenbergerhaus verfügt die Stadt über mehrere geschützte Kulturgüter.

Das bau- und kulturhistorische Erbe verpflichtet. „Die Sensibilitäten für das Weiterbauen am Stadtgewebe sind in der Öffentlichkeit aber sehr unterschiedlich ausgeprägt“, heißt es im Bericht zur Arbeit des Gestaltungsbeirats. Der Landshuter Gestaltungsbeirat überprüft ausgewählte Bauvorhaben auf ihre städtebauliche, architektonische und künstlerisch-gestalterische Qualität. Er berät Bauherren, Architekten und die Verwaltung. Dadurch soll er dazu beitragen, dass Architekturqualität zum „weichen Standortfaktor“ wird.

Mitgliedschaft ist auf vier Jahre begrenzt


Jedes Beiratsmitglied darf höchstens vier Jahre mitarbeiten. Derzeit ist das sechste Gremium tätig. Bisher, so Baudirektor Doll, war es unproblematisch, qualifizierte Mitglieder für den Gestaltungsbeirat zu gewinnen: „Doch bei der jüngsten Nachbesetzung hat sich erstmals gezeigt, dass Anfragen nicht automatisch positiv beantwortet werden.“ Dies wird auf die hohe Auslastung der Architekten und die wachsende Zahl von Gestaltungsbeiräten zurückgeführt.

Im oberbayerischen Landsberg am Lech gibt es seit 2009 einen Gestaltungsbeirat. „Die Mitglieder dürfen zwei Jahre vor und ein Jahr nach ihrer Beiratstätigkeit nicht in Landsberg planen und bauen“, erläutert Stadtbaumeisterin Birgit Weber. Den Statuten zufolge dürfen die Sachverständigen außerdem nicht im Bezirk Oberbayern niedergelassen und nicht durch Verwandtschaft oder Wohnsitz mit Landsberg verbunden sein.
Die Bedeutung des Gremiums wächst, sagt Weber: „Denn die Bauvorhaben werden immer komplexer.“ Alle einfachen Grundstücke seien in Landsberg längst bebaut: „Jetzt geht es um Nutzungen, die nicht mehr ganz so unproblematisch sind.“

Diskussionen gibt es aktuell etwa über eine Stadterweiterung am Papierbach. Westlich des Lechs sollen auf dem ehemaligen Gelände einer Pflugfabrik 650 Wohnungen entstehen. Das Bebauungsplanverfahren wurde 2016 abgeschlossen, nun wird der Bebauungsplan sukzessive umgesetzt. Das Projekt war anfangs heftig umstritten. Auch heute noch gibt es Bürger, die kein verdichtetes Quartier am Papierbach wünschen.
Doch es wird nicht mehr erbittert gestritten. Was Weber zufolge dem Gestaltungsbeirat zu verdanken ist. Dass es dieses Gremium gibt, kommt nach ihrer Einschätzung aber vor allem den Stadträten zugute. Denn für die war das aktuelle Bauprojekt Neuland: „Noch nie zuvor wurde in Landsberg über so eine kompakte Siedlung entschieden.“ Wie macht man so etwas richtig? Die Meinungen der Gestaltungsbeiräte hätten die Entscheidungsfindung deutlich erleichtert.

Bereits 20-jährige Tradition in Regensburg


Bereits auf eine lange Tradition kann der Regensburger Gestaltungsbeirat zurückblicken: Er feiert heuer sein 20-jähriges Bestehen. Am Anfang, so Baureferentin Christine Schimpfermann, musste man potenziellen Mitgliedern des Beirats noch erklären, was Sinn und Zweck des Gremiums ist. Wobei die Intention rasch einleuchtete: „Für viele angefragte Architekten war es eine Ehre, in den Gestaltungsbeirat berufen zu werden.“ Das habe sich im Laufe der Jahre geändert, was daran liege, dass es inzwischen eine Vielzahl von Gestaltungsbeiräten gibt. „Heute kann es schon mal schwierig werden, geeignete Kandidaten zu finden, die nicht bereits anderweitig verpflichtet sind“, stimmt Schimpfermann ihrem Landshuter Kollegen Johannes Doll zu.

Wobei der Regensburger Beirat davon profitiere, dass er „ein Begriff“ sei. In den Beiratssitzungen werden Projekte mir Auswirkungen auf das Stadtbild diskutiert. Die Bandbreite ist groß: „Das reicht vom Einfamilienhaus bis zu kleinen Bebauungskonzepten im Grenzbereich zum Bebauungsplan.“ Über Neubauten im Ensemblebereich der Altstadt werde ebenso beraten wie über Einzelhandelsbetriebe im Gewerbegebiet. Durch den Gestaltungsbeirat pendelte sich die Architekturqualität in Regensburg nach Einschätzung der Baureferentin auf einem „höheren mittleren Architekturniveau“ ein.

Inwieweit die Bürger nachvollziehen können, was im Beirat diskutiert wird, hänge stark vom medialen Interesse an. Das schwankt. Schimpfermann: „Anfangs wurden noch viele Projekte in ihrer Entwicklung von der Presse begleitet.“ Damals habe man auch eine deutlich höhere Akzeptanz in der Bevölkerung ausmachen können. Zwischenzeitlich sei das Medieninteresse gesunken.

Das mediale Interesse war in Würzburg zu Beginn noch größer


In Würzburg gibt es keinen Gestaltungsbeirat, dafür eine „Kommission für Stadtbild und Architektur“. 2009 wurde die eingerichtet. Einige Projekte begleiten die Kommissionsmitglieder beinahe von Anfang an. Zum Beispiel das Bauvorhaben „Alte Mälzerei“. Rund um diese sollen mehrere Häuser für Wohnungen entstehen. Erst im dritten Anlauf akzeptierten die Mitglieder der Kommission die abgespeckten Pläne des Investors, der ursprünglich 107 Wohnungen schaffen wollte. Nach aktuellem Stand sollen es nur noch 71 sein.

Gestaltungsbeiräte müssen im Übrigen nicht – wie in Würzburg, Regensburg, Landshut und Landsberg – für mehrere Jahre eingerichtet werden. Es ist auch möglich, einen temporären Beirat zu installieren. Der setzt sich aus mindestens drei Personen zusammen, die in der Liste der Gestaltungsbeiratsmitglieder der Bayerischen Architektenkammer geführt sind. „Anfragende Kommunen erhalten die Liste und suchen selbstständig Experten aus“, erläutert Oliver Voitl, Referent für Vergabe und Wettbewerb bei der Architektenkammer.

2015 richtete die oberbayerische Kreisstadt Weilheim einen temporären Gestaltungsbeirat ein, der den Entwurf für den Neubau eines Medienhauses an der Münchener Straße beurteilen sollte. 2016 gab es in Gilching bei Starnberg, Gundelsheim bei Bamberg, im mittelfränkische Weißenburg sowie im niederbayerischen Deggendorf temporäre Gestaltungsbeiräte. 2017 formierte sich ein solcher Gestaltungsbeirat im oberfränkischen Lichtenfels. Der berät aktuell über den geplanten Abriss und Neubau eines Gebäudes auf dem Marktplatz direkt neben dem Rathaus. (Pat Christ)

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