Kommunales

Werden lokale Befindlichkeiten verletzt, ist es mit der Eintracht bei der interkommunalen Zusammenarbeit rasch vorbei. (Foto: DPA)

14.06.2013

Regionale Eitelkeiten ausbremsen

Landwirtschaftsministerium und Gemeindetag wollen die interkommunale Zusammenarbeit vorantreiben – und sehen sich doch mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert

Die Fachtagung der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Zusammenarbeit in Eichstätt stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der interkommunalen Zusammenarbeit, einem eher zeitlosen Thema. Doch gewann es diesmal aufgrund der Flut-Katastrophe eine besondere Brisanz. Sie wird den Druck zur Kooperation erhöhen.
Man darf davon ausgehen, dass das schriftliche Geleitwort von Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) – die Behörde ist seinem Haus zugeordnet – im ausliegenden Tagungsflyer schon geraume Zeit fertig war. Gerade der Klimawandel stelle die Gemeinden in den nächsten Jahren vor besondere Voraussetzungen, so der Minister. Doch welche Zerstörungskraft die Naturgewalten bei der Infrastruktur gerade kleinerer Kommunen tatsächlich haben kann, wird ja gerade erbarmungslos demonstriert.
Helmut Brunner zeigt sich bei der Veranstaltung in Eichstätt zwar als ein Mann der eher leisen und moderaten Töne – doch an der Notwendigkeit, interkommunale Zusammenarbeit weiter auszubauen lässt er keinen Zweifel. „Nicht jede Gemeinde kann alle Leistungen anbieten“, lautet sein Urteil. Freilich will er dabei Konfrontationen und verletzte Empfindlichkeiten vermeiden. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land etwa gehöre unbedingt in die bayerische Verfassung – aber eben „nur im Konsens aller Parteien“.
Immer wieder fällt auch die Vokabel „maßgeschneidert“: Sprich, es werde keine einheitliche Blaupause für Kooperationen zur Anwendung kommen, sondern immer Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse vor Ort genommen. Eine Zusammenlegung von Kommunen werde es freilich definitiv nicht geben, am Fortbestand von derzeit über 2000 politisch selbstständigen Gemeinden nicht gerüttelt.
Das Landwirtschaftsministerium will vor allem weiter auf ILE-Einheiten setzen. Die Abkürzung steht für „Integrierte ländliche Entwicklung“, ein Zusammenschluss mehrerer Kommunen zur besseren Bewältigung bestimmter Aufgaben, und schreibt derzeit in Bayern Erfolgsgeschichte. Gute 60 ILE-Einheiten gibt es derzeit in Bayern, allein in diesem Jahr kamen bereits sieben neue Zusammenschlüsse hinzu. Sie verbinden inzwischen insgesamt über 500 Gemeinden mit zusammen 1,5 Millionen Einwohnern. Die meisten ILE-Einheiten haben sich in den drei fränkischen Bezirken gebildet – wohl nicht zuletzt deshalb, weil der demographische Wandel dort bereits stärker wirkt als in Altbayern. Um die Bereitschaft zum Zusammenschluss zu ILE-Einheiten bei den Kommunen zu erhöhen, verspricht Brunner, die Förderdauer bei der Umsetzung von Projekten von derzeit fünf auf sieben Jahre zu verlängern. Außerdem solle die Mindesteinwohnerzahl für geförderte Zusammenschlüsse – derzeit 30 000 Bürger – abgesenkt werden.

"Alles Auslegungssache"

Brunner präsentiert sich den Bürgermeistern als der Mann in München, bei dem ihre Interessen auch künftig am besten aufgehoben seien. „Von meinem Haus gibt es nicht nur Geld, sondern auch fachliche Beratung.“ Sollte nämlich das von Ministerpräsident Horst Seehofer verbindlich zugesagte neue „Heimatministerium“ nach einem Sieg der CSU bei der Landtagswahl im September tatsächlich gegründet werden, müsste auch Brunners Ressort Kompetenzen abgeben.
Auch die Verlagerung der Aufgaben von oben nach unten in der Verwaltungshierarchie soll ausgebaut werden. Die anwesenden gut 90 Bürgermeister aus dem ganzen Freistaat werden es mit Freude vernommen haben – wobei in der Praxis davon wohl eher die Landkreise profitieren werden. Und dort sehen sich gerade kleine Gemeinden nicht selten mit eben jenem hartleibigen Amtsverständnis konfrontiert, dass die Kreise ihrerseits in Bezug auf die Staatsregierung gern beklagen. Brunner konnte sich hier auch einen Seitenhieb auf die Kreisfürsten nicht verkneifen: „Wir haben unsere bayerischen Landräte ja mit einer Fülle von Macht ausgestattet“, stichelt der Minister. „Dabei sind Vorschriften ja immer Auslegungssache.
Die Überlegungen von Brunner provokant zuzuspitzen, war Inhalt des Redebeitrags von Uwe Brandl, dem Präsidenten des Bayerischen Gemeindetags. Der Ausbau der interkommunalen Zusammenarbeit werde auch zu einer „Zerreißprobe für den Verband“, warnte Brandl. Von der Staatsregierung fordert er ein „aktives Bekenntnis zur Kleinteiligkeit“ der kommunalen Struktur im Freistaat. „Politik funktioniert heute anders als in den 1980er Jahren“, ist Brandl überzeugt. „Die Menschen denken heute nicht mehr schollengebunden und lokalpatriotisch.“ Man werde womöglich eines Tages eine Gebietsreform vom Bürger aufgezwungen bekommen ohne es zu wollen.
Dass trotz des nach außen gern demonstrierten guten Willens zu Kooperationen im Alltag oft Eitelkeiten die Überhand gewinnen gegenüber der Vernunft, verriet Brandl – er ist auch Bürgermeister der Gemeinde Abensberg im Landkreis Kelheim – mit Verweis auf das von ihm angestrebte Zentralstandesamt. „Meine Nachbarkommunen wollten einfach nicht.“ Der Bürger, beobachtet Brandl, stelle auch in den Kommunen immer mehr Ansprüche an die öffentliche Hand, fordert etwa eine erweiterte Betreuung von Kindern und Senioren. „Wie soll das ein Ort mit 1500 Einwohnern auf Dauer alles sichern? Die können doch froh sein, wenn sie die Abwasserentsorgung sicherstellen und die kaputten Straßen flicken können!“
Ein Problem sieht der Verbandschef auf die Gemeinden zukommen, wenn diese dauerhaft kleine Schulen im ländlichen Raum erhalten wollen. Da müsse man deutlich umdenken. „In Südtirol fahren die Lehrer und unterrichten an drei verschiedenen Schulen. Bei uns müssen stattdessen die Kinder unterwegs sein.“ Brandls Fazit: „Es hilft nichts, wenn wir uns in die Tasche lügen.“ (André Paul)

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