Eine Aufwertung der Innenstadt, der Bau eines neuen Kongresszentrums, die Verbesserung der Infrastruktur und die stärkere Nutzung des Donau-Areals für den Kultur- und Freizeitbereich: Das sind die wichtigsten Ziele des neuen Ingolstädter Bürgermeisters Christian Lösel (CSU).
Der 39-Jährige ist politisch in einer komfortablen Situation: Zum einen verfügt er – für Bayerns Großstadt-Rathauschefs eher die Ausnahme – über eine stabile eigne Mehrheit im Stadtrat, zum anderen kennt er sein neues Büro schon seit Jahren. Denn Lösel, der zweitjüngste OB einer bayerischen Großstadt, ist der politische Ziehsohn und Wunschnachfolger seines Vorgängers Alfred Lehmann (CSU), begleitete ihn in den vergangenen vier Jahren als persönlicher Referent.
Und während etwa in München Alt-OB Christian Ude (SPD) schon drei Tage nach der Machtübergabe in die Dienste der Bild-Zeitung trat, um die Stadtpolitik künftig mit spitzer Feder zu begleiten, zieht es Lehmann vor, bei Bedarf als fachlicher Ratgeber im Hintergrund zu fungieren und einige Projekte zu begleiten, die er selbst noch angestoßen hat.
Praktisch schuldenfrei
Genau wie sein Mentor verkörpert auch Lösel, ganz Ökonom, eher das Bild eines leitenden Angestellten der Ingolstadt AG denn eines Lokalfürsten – auch wenn das bei manchen Gruppierungen im Stadtrat nicht so gut ankommt. Der Diplom-Betriebswirt und Steuerberater, der in seiner Berufsbiografie auch auf eine universitäre Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Katholischen Universität Eichstätt verweisen kann, übernimmt eine Kommune, die wirtschaftlich so gut dasteht wie kaum eine andere – und zwar nicht nur im bayern-, sondern im deutschlandweiten Vergleich. Spätestens 2016 will Ingolstadt schuldenfrei sein. Die Rücklagen den Verbindlichkeiten entgegengerechnet, schreibt die rund 130 000 Einwohner zählende Stadt schon heute schwarze Zahlen. „Das verdanke ich der jahrzehntelangen soliden Haushaltsführung meiner Vorgänger“, meint Lösel.
Gerade in den vergangenen zwei, drei Jahren mag aber auch die gute Weltkonjunktur ihren Teil dazu beigetragen haben. Davon hat Audi, der mit Abstand größte Ingolstädter Gewerbesteuerzahler, profitiert. Doch der Autokonzern, wiewohl wichtigster Mäzen der Stadt, macht ebenso auf seine Bedürfnisse aufmerksam. Der Bau eines neuen Kongresszentrums samt 200 Zimmer starkem Vier-Sterne-Superior-Hotel (momentan ist bei drei Sternen Schluss in der Ingolstädter Hotellerie) kommt dem Management entgegen: Gäste internationaler Tagungen müssen nun nicht mehr aufwendig morgens aus München anreisen. Am Hauptbahnhof entsteht ein neues Parkhaus, was die ständig wachsenden Pendlerströme gen Süden freuen dürfte.
Aber Ingolstadt muss aufpassen, dass es nicht an seiner eignen Prosperität erstickt. Die Stadt wächst in einem geradezu atemberaubenden Tempo, allein im vergangenen Jahr kamen fast 2000 neue Einwohner hinzu. Die Mietpreise steigen, Wohnraum wird knapp – das übliche Schicksal guter Konjunktur. Anders als etwa München hat die Region Ingolstadt noch den Vorteil, dass das Umland Zuzügler aufnehmen kann. Aber die kleinen Landgemeinden in der Hallertau und im Altmühltal registrieren das mit wachsendem Unmut, fürchten um ihre dörfliche Identität und bezahlbaren Baugrund. Vor der Wiedervereinigung hatte Ingolstadt weniger als 100 000 Bürger, eher eine beschauliche Kleinstadt als eine Metropole. Inzwischen sind die Oberbayern in der Minderheit im Stadtbild. Manch alteingesessener Schanzer sieht die Internationalisierung denn auch mit Argwohn, trauert der Idylle nach.
„Trotzdem muss sich etwas tun bei der Attraktivität der Fußgängerzone“, verspricht Lösel. Die City wirkt wenig weltstädtisch, im Umkehrschluss zum berühmten Bonmot des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit konnte man über die Schanz sagen: reich – aber nicht sexy. „Im Juni plane ich einen öffentlichen Stadtspaziergang, an dem jeder interessierte Bürger teilnehmen kann“, kündigt der OB an. Unterwegs sollen ihm die Einwohner gleich an Ort und Stelle ihre Verbesserungsvorschläge kundtun. Stadtplaner sollen aus dem Destillat der Ideen anschließend praktikable Ideen entwickeln.
Eigenes Trainee-Programm
Eine weitere große Baustelle dürfte der geplante „Naherholungsraum Donau“ werden, unter anderem mit Freilichtbühne und einem Sandstrand zum kultivierten „Abhängen“ im Sommer, worauf sich besonders die Jugend der Stadt freuen dürfte. Das Theater bekommt eine Ausweichspielstätte, es entstehen ein Museum auf dem ehemaligen Gießereigelände sowie ein Jugend- und Trendsportzentrum, gebaut wird auch ein neues Sportbad. „Bei Treffen mit Kollegen aus anderen Bundesländern getraue ich mir gar nicht zu sagen, was wir uns alles leisten können“, meint Christian Lösel, „da macht man sich rasch unbeliebt.“
Stolz ist man im Ingolstädter Rathaus auf das seit vier Jahren laufende Trainee-Programm zur Rekrutierung akademischen Nachwuchses für die Verwaltung – ein bayerisches Pilotprojekt. Denn Fachkräftemangel ist in einer Region mit einer Arbeitslosenquote unter 2,0 Prozent auch für die öffentliche Verwaltung ein Thema. „Egal ob Bauingenieur, Betriebswirt oder Jurist – alle durchlaufen in zwei Jahren die wichtigsten Stationen der Stadtverwaltung und ihrer Tochterunternehmen, obendrein integrieren wir Auslandspraktika in unseren Partnerstädten“, erläutert der OB.
Dass der ERC Ingolstadt pünktlich zum Amtsantritt noch deutscher Eishockey-Meister geworden ist und die Stadt damit endlich auch bundesweite Sport-Meriten erhält, war natürlich nur ein glücklicher Zufall. (André Paul)
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