Kommunales

Trübe Rechtslage: Was mit Gebühren-Überschüssen genau zu geschehen hat, ist nicht klar geregelt. (Foto: BSZ)

07.03.2014

Schmutziger Streit um Abwassergebühren

Freie Wähler beschuldigen den Abensberger Bürgermeister und Gemeindetagspräsidenten Uwe Brandl, Gelder widerrechtlich zurückzuhalten

Von „Beschiss“ spricht Freie Wähler-Vorsitzender Hubert Aiwanger, von „Tricks“ Harald Hillebrand, FW-Chef in Abensberg im Landkreis Kelheim. Es geht um mehr als zwei Millionen Euro Überdeckungsbetrag, auf dem die Stadtwerke seiner Heimatstadt sitzen bleiben, anstatt sie den Bürgern zurückzuerstatten, so der Vorwurf. Das Pikante: Bürgermeister von Abensberg ist Uwe Brandl (CSU), im Zweitjob Präsident des Bayerischen Gemeindetags – also wichtigster Interessenvertreter der kleinen, kreisangehörigen Kommunen im Freistaat. Der Fall ist etwas verzwickt und er könnte – so oder so im Ausgang – Signalwirkung für ganz Bayern entfalten.
„Nach dem kommunalen Abgabegesetz sind Überdeckungen innerhalb des nächsten Abrechnungszeitraums auszugleichen“, protestiert Hillebrand: „Eine Überdeckung gibt es in Abensberg bereits seit 2006 – nach Ende des ersten Abrechungszeitraums hätte es bereits die Pflicht zur Auszahlung von etwa einer Million Euro an die Bürger gegeben.“
Von der Stadt wird die Höhe der Überdeckungen jedoch bestritten. Bestimmte politische Akteure, so Uwe Brandl (CSU), versuchten, die Bürger bewusst in die Irre zu führen: „Dass im Zeitraum 2006 bis 2012 bei den Abwassergebühren Überschüsse entstanden sind, ist und war immer unstreitig.“ In welcher Höhe, das sei jedoch immer noch fraglich. „Tatsache ist ferner, dass diese Überschüsse in Rücklagen hätten umgewandelt werden können, dies ist leider unterblieben.“ Brandl verweist auf eine mangelhafte fachliche Begleitung der Stadtwerke, durch die nie auf diesen Umstand hingewiesen worden sei. Vergangenen Januar wurden rückwirkend ab 2010 alle Beschlüsse des Werkausschusses zum Thema Abwasser aufgehoben. Demnach sind die alten Abrechnungszeiträume ungültig und stattdessen geändert auf 2010 bis 2012 und 2013 bis 2015.
„Es wird jetzt versucht, nach unten zu rechnen, unter anderem mit den veränderten Abrechnungszeiträumen“, folgert daraus Hillebrand und wiederholt, dass das Vorgehen „ohne eine Rechtsgrundlage“ erfolge, eben weil seit 2010 keine gültige Satzung vorliege. „Aus rechtsstaatlicher Sicht halten wir ein solches Verhalten der Verantwortlichen der Stadt Abensberg angesichts der klaren Hinweise der Fachbehörden für unverantwortlich“ teilte Hillebrand dem Landratsamt Kelheim und dem Kommunalen Prüfungsverband mit. In dem Schreiben greift er Bürgermeister Brandl an, dieser habe unter anderem in der Stadtratssitzung wiederholt ausgeführt, dass der Ausgleich der Kostenüberdeckung eventuell eine Kreditaufnahme in Millionenhöhe erforderlich mache. „Somit stellt sich die Frage, ob und wenn ja, für welche aufgabenfremde Zwecke außerhalb des Bereichs Abwasserbeseitigung die Stadt entgegen den gesetzlichen Bestimmungen den Überschuss aus dem Bereich Abwasserbeseitigung von zwei Millionen Euro verbraucht hat.“

"Halb- und Unwahrheiten"


Brandl schäumt und bezichtig Hillebrand, „Halb- und Unwahrheiten“ zu verbreiten, räumt jedoch ein, dass es in der Vergangenheit „unstreitig Bewertungsfehler“ gegeben habe und „auch zulässige Rücklagenbildungen unterlassen wurden“. Doch sei die Berechnung von Abwassergebühren kompliziert und komplex. „Für Bewertungen von Anlagenteilen, Abschreibungen und Rücklagenbildung bestehen erhebliche Spielräume.“ Und die Vielzahl der verwaltungsgerichtlichen Urteile zum Abgabenrecht belegten, dass Fehler nicht nur in Abensberg geschähen. „Ich muss mir wohl als Teil des unappetitlichen politischen Spiels gefallen lassen, dass der untaugliche Versuch unternommen wird, mir diese Fehler anzulasten“, entrüstet sich Brandl.
Ein Fachbüro werde nun „die tatsächlichen Überhänge, zulässige Rücklagen und Abschreibungen ermitteln“. Darauf basierend würde eine neue Gebühr festgesetzt und gleichzeitig die gesplittete Abwassergebühr eingeführt. „Dabei werden wir selbstverständlich verbleibende Überzahlungen in der neuen Gebühr zu Gunsten der Bürger berücksichtigen“, versichert Brandl. „Die sich ergebenden rechnerischen Überhänge werden daumit – anders als unterstellt – an die Bürger erstattet.“ Dass die Freien Wähler meinten, dass zwei Millionen Euro an die Bürger auszuzahlen seien, zeige, dass das komplexe System des Abgabenrechts von ihnen nicht annähernd verstanden worden sei, bedauert Brandl.
Im Landratsamt Kelheim sieht man „vielschichtige Problemstellungen“, so Sprecher Heinz Müller. „Als erstes halten wir es für unabdingbar, den Verbleib der Überdeckungen, laut Fachbüro der Stadt Abensberg mit 2,038 Millionen Euro beziffert, lückenlos aufzuklären und deren tatsächliche Höhe gesichert festzustellen.“ Und es bedürfe nun detaillierter Vorlagen durch die Stadt und deren genauer Prüfung, um rechtssichere Lösungsvorschläge zu entwickeln. Die von dem Fachbüro herangezogenen Kalkulationsgrundlagen seien jedoch „seit Jahren nicht in die Gebührenkalkulation der Stadt eingeflossen.“
Über viele Jahre hinweg seien Kostenüberdeckungen aus vorangegangenen Abrechnungszeiträumen nicht innerhalb der nachfolgenden Kalkulationszeitraume ausgeglichen worden. „Der Verbleib der enormen Überdeckungen sowie die Prüfung sämtlicher Zahlen und deren Verbuchungen bedürfen ebenfalls der lückenlosen Aufklärung.“ Dass diese geschehe, liege nun in der Verantwortung der Stadt. Zudem hätte bereits 2006 die gesplittete Entwässerungsgebühr wegen der jährlich über zwölf Prozent liegenden Erheblichkeitsschwelle bei den Kostenanteilen für die Beseitigung des Niekommt, dass die Stadt seit Jahren nicht mehr über eine rechtswirksame Satzung verfügt“, so Müller, worauf das Landratsamt schon früher hingewiesen habe.
Das bayerische Innenministerium stellt grundsätzlich klar, dass das Kommunalabgabengesetz im Falle von Kostenüberdeckungen keine Rückzahlung der Überschüsse an die Gebührenschuldner vorsehe. „Allerdings sind nach Art. 8 Abs. 6 Satz 2 KAG Kostenüberdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums ergeben, innerhalb des folgenden Bemessungszeitraums auszugleichen“, so Ministeriumssprecher Stefan Frey. Im Rahmen gemeindlicher Gebührenkalkulation sei es zulässig, Abschreibungen von Wiederbeschaffungszeitwerten vorzunehmen. Ein entsprechendes Gesetz ist am 1. August des vergangenen Jahres in Kraft getreten. Durch diese Abschreibungsmethode werden Mehrerlöse erwirtschaftet, die der Einrichtung – einschließlich einer angemessenen Verzinsung – wieder zuzuführen sind, um so finanzielle Reserven für künftig entstehenden Kostenaufwand zu bilden.“ In einem eingeschränkten Umfang habe diese Möglichkeit schon zuvor bestanden, indem Abschreibungen auf zuwendungsfinanzierte Anschaffungs- und Herstellungskosten zugelassen waren. Bemessungszeiträume, so Frey, könnten bis zu vier Jahre betragen. „Setzt die Gemeinde einen Zeitraum in diesem Rahmen fest, ist sie in der Regel daran gebunden. Eine nachträgliche Änderung kann jedoch im Einzelfall zulässig sein, beispielsweise wenn sich einzelne Kalkulationsposten wesentlich verändert haben.“
Die Freien Wähler ficht das nur wenig an, sie geben sich kampfeslustig „Wir werden mit allen rechtlichen Mitteln für die Auszahlung der zwei Millionen Euro kämpfen“, kündigt der Abensberger Ortschef an. (Alfred Raths)

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