Kommunales

Egal ob städtisch oder staatlich: Zu den Abiturprüfungen rauchen an allen Gymnasien die Köpfe. (Foto: DPA)

19.07.2013

Städtische Bildungsrelikte

Zehn Prozent der bayerischen Gymnasien befinden sich noch in Trägerschaft von Kommunen

Tausende Schüler in Bayern haben vor wenigen Wochen ihr Übertrittszeugnis erhalten, glücklich, wer den Sprung auf das Gymnasium geschafft hat. Doch ist Gymnasium gleich Gymnasium? Die meisten unterhält der Freistaat Bayern, doch München, Nürnberg und Augsburg leisten sich noch eigne, städtische Gymnasien. Doch ihr Anteil sinkt.
Für Schüler macht es wohl keinen großen Unterschied, wo sie – wenn alles gut geht – zum Abitur geführt werden. Der Lehrplan ist für alle öffentlichen Gymnasien verbindlich. Abitur ist Abitur, da gibt es keine Unterschiede. Doch Politiker und Lehrer müssen diesen Umstand – ob städtisches oder staatliches Gymnasium – in ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Von den 37 Gymnasien in München sind 14 städtisch. Bis 2013 gab es an den städtischen Gymnasien mit Schulbeginn zusammen 50 neue Klassen. Nach den Sommerferien wird es jetzt 55 neue Klassen für die künftigen Fünftklässler geben. Die Stadt reagiert damit auf die vielen Anmeldungen der letzten Jahre für die städtischen Gymnasien. Denn nicht immer war der Platz da, jede Anmeldung zu berücksichtigen. Mehr Klassen bedeuten mehr Lehrer und diese werden aus dem Etat der Stadt bezahlt.
Nach dem bayerischen Schulfinanzierungsgesetz erhält eine Kommune einen Zuschuss von 61 Prozent zu den Lehrkosten. Grundlage für die Berechnung ist die Anzahl der Schüler und wie viele Lehrer dafür vorgesehen sind. So kann es zu einer Diskrepanz zwischen der pauschalisierten Lehrerzahl und den tatsächlich eingesetzten Lehrern kommen, wenn die Kommune mehr Lehrer beschäftigt als vorgegeben. Zusätzlich kommt die Kommune für die Sachkosten der städtischen und der staatlichen Schulen auf. Das sind die Ausgaben für die Ausstattung und den Unterhalt, dazu zählen etwa die Stromkosten.
Ein städtisches Gymnasium ist teuer. So entschloss sich die Stadt Würzburg 2011 das eigene Gymnasium zu schließen. Fünf Jahre lief das städtische Gymnasium als Auslaufmodell. In dieser Zeit verteilten sich die Anmeldungen auf die anderen Gymnasien in Würzburg. Heinz Benkert vom Fachbereich Schule der Stadt Würzburg ist nun froh, dass sich für Würzburg eine Lösung gefunden hat, da seitens des Freistaats kein Entgegenkommen war. „Wir wollten das Angebot halten, aber Alternativen anbieten“, so Benkert. Seit 2011 ist das Gymnasium jetzt eine Privatschule und wird vom Diakonischen Werk betrieben.
Städtische und staatliche Gymnasien gibt es bereits seit 1919. Während viele Kommunen bestrebt waren, ihre Schulen zu verstaatlichen, erhielten sich einige Städte ihre Gymnasien. Laut der letzten Schulstatistik für das Jahr 2011/2012 sind von den 341 öffentlichen Gymnasien 31 kommunal. Seit den 1950er Jahren ist die Anzahl der Gymnasien insgesamt gestiegen. Der Anteil der städtischen Gymnasien ist hingegen rückläufig. Dem Freistaat dürfte das nicht wirklich unangenehm sein und die Kommunen reißen sich in Zeiten knapper Kassen auch nicht gerade um die Aufgaben und Pflichten.


Zwei reine Mädchenschulen


München ist stolz auf seine städtischen Gymnasien. Ursula Oberhuber betont das gerne. Sie ist Pressesprecherin im Referat für Bildung und Sport München. Zum Beispiel sind zwei der städtischen Gymnasien reine Mädchengymnasien. Aber auch sie weiß, dass den Gymnasien wenig Raum bleibt, den Unterricht besonders zu gestalten. Die Entscheidung für das Abitur nach der 12. Klasse (G 8) bedeutet, dass das Wissen in einem engeren Zeitrahmen vermittelt werden muss. Dennoch stellt sie klar: „Wir wollen nicht sagen, dass wir besser sind. Ich kann nur sagen, was wir machen.“ Sie stellt den engen fachlichen Austausch und die regelmäßige Abstimmung der Fachbereiche heraus. Dies funktioniert auf kommunaler Ebene besser als in der Fläche und schafft aus ihrer Sicht ein angenehmes Arbeitsumfeld für die Lehrer.
Für Eltern ist es scheinbar nicht entscheidend, ob ein Gymnasium städtisch oder staatlich ist. Für sie stellen sich eher Fragen wie: Auf welchem Gymnasium sind die Freunde? Wie ist der Schulweg? Fühlen wir uns in dieser Schule wohl? Annette Batora von der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern möchte deshalb auch keinen Unterschied zwischen den beiden öffentlichen Gymnasien machen.
Es sind die künftigen Lehrer, die diese Unterschiede kennen sollten. Zum Studium gehört es, praktische Kenntnisse an Schulen zu erwerben. Diese Zeit, das Referendariat, kann jedoch nur an staatlichen Schulen geleistet werden. Für die Zeit nach dem Studium müssen sie damit rechnen, dass es mehr Bewerber als offene Stellen an staatlichen Gymnasien geben wird. So empfiehlt das bayerische Kultusministerium den Anwärtern, sich um alternative Stellen zu bewerben. Die Behörde von Ressortchef Ludwig Spaenle (CSU) schreibt in ihrer Prognose zum Lehrerbedarf in Bayern, dass angehende Lehrer „weitere Beschäftigungsmöglichkeiten in Betracht ziehen sollten, insbesondere Einstellungsangebote in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland.“ Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sieht es so und empfiehlt zusätzlich städtische und private Träger.
Wer dann als ausgebildeter Lehrer eine Stelle an einem städtischen Gymnasium bekommt, darf sich erst mal über den Beamtenstatus freuen. Wie die Kollegen an staatlichen Gymnasien unterliegen auch sie dem bayerischen Beamtengesetz. Doch selbst wenn sie die gleiche Beamtenlaufbahn und das gleiche Gehalt beziehen, ist ein Wechsel zwischen den beiden öffentlichen Trägern nicht so einfach. Für die wenigen Planstellen an staatlichen Gymnasien gibt es eine Warteliste auf der die staatlichen Lehrer Vorrang haben. Für Gymnasiallehrer dürfte sich die Situation in den nächsten Jahren noch verschärfen. Im Jahr 2012 wurden noch 1260 Lehrer an Gymnasien eingestellt. Nach 2015 ist laut Kultusministerium geplant, dass es unter 700 neue Stellen sein sollen. Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im Lehrerverband, bezeichnet es daher als „komische Situation, dieses Nebeneinander“. So fordert der BLLV den Einfluss der Kommunen zu stärken und die dienstrechtlichen Verhältnisse gleichzustellen.
(Barbara Fleischmann, Anke Amsel)

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