Kommunales

Bruni Mayer mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. (Foto: Landratsamt Rottal-Inn)

28.10.2011

„Strauß hielt meine Wahl für einen Scherz“

Bruni Mayer, Bayerns erste und dienstälteste Landrätin, hört auf: Ein Gespräch über Männerbünde und Frauenpower in der Kommunalpolitik

BSZ Frau Mayer, Sie kamen 1987 durch eine vorgezogene Neuwahl ins Amt. Ihr Mann, der CSU-Politiker Ludwig Mayer, war 1984 wiedergewählt worden, durfte aber nach dem Willen des bayerischen Verwaltungsgerichts sein Amt wegen des Vorwurfs finanzieller Unregelmäßigkeiten nicht mehr antreten. Haben Sie sich das damals gründlich überlegt, Ihren Mann zu beerben?
Mayer Unsere Freunde haben zu mir gesagt: „Wenn der Ludwig nicht kann, dann musst du kandidieren, Bruni“ – und dann hab ich das halt gemacht. Davor hatte ich nie an eine politische Karriere gedacht. Und ich habe trotzdem gleich im ersten Wahlgang gewonnen. Das war auch ein Vertrauensbeweis der Bürger gegenüber meinem Mann. BSZ Wie waren die Reaktionen auf Ihren Sieg?
Mayer In der Staatskanzlei in München haben sie gedacht, das kann doch wohl nicht wahr sein! Der Joachim Herrmann (Bayerns derzeitiger Innenminister, d. Red.) war damals dort als junger Jurist tätig und hat mir später erzählt, dass Ministerpräsident Franz Josef Strauß und seine Beamten an einen schlechten Scherz der Wähler dachten: eine Frau auf einem solchen Posten, im konservativen Niederbayern, und dann noch nicht mal bei der CSU! BSZ Wie haben Sie sich ins Amt eingearbeitet?
Mayer Ich habe gar nicht erst versucht, den Mitarbeitern im Landratsamt etwas vorzumachen. Ich bin an meinem ersten Arbeitstag von Tür zu Tür gegangen, habe mich bei jedem einzelnen Kollegen vorgestellt, „Guten Tag, ich bin die neue Chefin“, und darauf verwiesen, dass ich keinerlei Erfahrung in der Verwaltung habe und auf ihre Unterstützung und ihren Ratschlag setze. Und diese Demut, denke ich, kam bei den Mitarbeitern positiv an. Heute herrscht in unserem Landratsamt ein sehr familiäres und trotzdem professionelles Arbeitsklima. Darauf bin ich schon ein wenig stolz.
BSZ Wie hat sich nach Ihrer Ansicht die Arbeit eines Kommunalpolitikers in den vergangenen 24 Jahren verändert?
Mayer Die Kommunen werden von Land und Bund mit immer mehr Aufgaben und Zuständigkeiten überfrachtet – nur leider ohne den dafür notwendigen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Manchmal kann man den Eindruck haben, der Gesetzgeber überlegt gar nicht, was er da zulasten der Kommunen beschließt. Außerdem wird der Bürger durch immer mehr Bürokratie gegängelt. Die entsprechenden Regelungen stammen zwar wiederum auch vom Land, vom Bund oder von der Europäischen Union – aber für die Wut der Menschen sind wir in den Kommunalverwaltungen der Prellbock. BSZ Überall, auch bei der CSU, wird jetzt intensiv über eine Frauenquote diskutiert. Was halten Sie davon?
Mayer Gar nichts. Wenn man über die Quote ins Amt kommt, dann ist man als Frau doch gleich abgestempelt nach dem Motto: Die hat das ja nur deswegen bekommen. Und wenn dann noch ein womöglich besser qualifizierter Mann zurückstehen muss – das geht gar nicht. BSZ Haben Sie die männlichen Kollegen unter den Landräten gelegentlich mal chauvimäßig behandelt?
Mayer Nein – im Gegenteil. Als mein Mann vor fünf Jahren nach langer, schwerer Krankheit verstorben ist, habe ich ganz viele fürsorgliche Anrufe erhalten, man hat sich erkundigt, wie es mir geht und ob man mir helfen kann. Das hat gut getan. BSZ Auch nach einem Vierteljahrhundert gibt es mit Ihnen, der Sozialdemokratin Johanna Rumschöttel im Landkreis München und Tamara Bischoff von den Freien Wählern im Landkreis Kitzingen nur drei Frauen auf dem wichtigsten Posten in der bayerischen Kommunalpolitik. Halten die Herren der Schöpfung die Reihen doch fest geschlossen und lassen keine Frau hochkommen?
Mayer Nein, ich glaube nicht, dass es daran liegt. Behindert worden bin ich durch Männer niemals. Ich denke, verantwortlich sind eher die familienfeindlichen Arbeitszeiten eines Landrats, oft am Wochenende und bis in den späten Abend hinein. Das kann man sich als Mutter mit kleinen Kindern nicht antun. Meine Tochter sagt ja selbst zu mir: „Mama, Deinen Job möchte ich nicht machen müssen.“ Ich war im vergangenen Jahr an 290 Abenden nicht daheim. Das hält keine Familie auf Dauer aus. BSZ Was zählen Sie zu ihren größten politischen Erfolgen?
Mayer Die Durchsetzung eines grenzüberschreitenden Geothermieprojekts. Dafür war ich sehr oft in Brüssel und musste mit Funktionären aus vielen Ländern verhandeln. Aber wir haben unser Konzept am Ende durchgesetzt. BSZ Sie hören, auch aus Altersgründen, jetzt endgültig auf – aber einige ihrer gleichaltrigen Kollegen registrieren erfreut, dass die Altersbeschränkung für kommunale Wahlbeamte angehoben wird und man als Landrat bald bis weit jenseits des 70. Lebensjahres regieren kann. Was halten Sie davon?
Mayer Ich habe im Präsidium des Landkreistags dafür gestimmt, weil ich wollte, dass unser kommunaler Spitzenverband in dieser Angelegenheit geschlossen nach außen auftritt. Aber gut finde ich das nicht. Man muss einsehen, dass alles im Leben seine Zeit hat und man sollte dann gehen, wenn die Leute noch traurig sind, dass man es tut und nicht erleichtert aufatmen. BSZ Wie werden Sie Ihren Ruhestand gestalten?
Mayer Ich bin vor zehn Wochen zum ersten Mal Oma geworden, da finde ich bestimmt eine wunderschöne Beschäftigung. (Interview: André Paul)

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