Kommunales

Ein Allgäu-Dorf wie aus dem Bilderbuch. (Foto: Allgäuer Dorf Projektentwicklungsgesellschaft mbH)

11.01.2013

Streit um das Retortendorf

Bei Füssen soll eine historische Allgäuer Kommune entstehen – Heimatschützer sind empört

Auch in Bayern wird der ländliche Raum immer homogener. Schlafdörfer mit nahezu identischen Fertighaus-Eigenheimsiedlungen – gern im Toskana-Stil – entstanden in den vergangenen Jahren rechts und links von so mancher Bundesstraße von Schweinfurt bis Garmisch. Daneben gern ein Supermarkt oder eine Tankstelle. Da sollte man eigentlich dankbar sein, wenn es Bestrebungen gibt, traditionelle, dörfliche Architektur und ländliche Lebensweise zu reanimieren.  In den USA gibt es das schon lange, etwa in der Nähe von Boston, wo man das typische Leben der Menschen im historischen Neuengland („Pilgerväter“) erleben kann. In Bayern wäre es dagegen ein Novum. Nördlich von Füssen, zwischen den Bundesstraßen B 310 und B 16,  startete im vergangenen Jahr jetzt unter dem Namen „Allgäuer Dorf“ erstmals im Freistaat ein solches Projekt – und erregt jetzt immer stärker die Gemüter. Geplant sind – sämtlich im traditionellen Stil gebaut und eingerichtet – auf einer Fläche  von rund 7,5 Hektar unter anderem ein Marktplatz, eine Kapelle, ein Brauhaus, ein Bauernhof samt Verkauf regionaler Produkte, eine Konditorei und ein Feuerwehrhaus, dazu noch eine ganze Reihe Wohnhäuser. Dort mögen zwar nicht dauerhaft Mieter einziehen, aber sie sollen als touristische Unterkünfte genutzt werden. Vorangetrieben wird das Projekt von einer privaten Entwicklungsgesellschaft, die Planungshoheit hat aber ein regionaler Zweckverband, dem neben zehn kleineren Gemeinden aus dem Landkreis Ostallgäu auch die Stadt Füssen angehört, auf deren Territorium das Retortendorf liegen soll. Die genaue Investitionssumme können die Entwickler noch nicht nennen, den kursierenden Betrag von rund 50 Millionen Euro dementiert aber niemand. Steuergeld soll nicht fließen, alles durch private Investoren bestritten werden. Obendrein sind 200 neue Arbeitsplätze geplant, etwa im Gastronomiebereich. Aber auch, man kann es so salopp formulieren, damit man Urlaubern ein wenig „Allgäu“ vorspielt. Geworben wird mit „Goaßlschnalzern“, „Alphornbläsern“ und einer „Rauchkuchlköchin“ – ein Allgäu wie aus dem Bilderbuch sozusagen. Martin Wölzmüller, der Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, ist dagegen empört: „Hier werden die kulturellen Bestandteile der Region auf höchst oberflächliche Weise für kommerzielle Zwecke vereinnahmt.“ Das werde wie in Indianerreservaten, „wo sich die Ureinwohner mit Federschmuck für die Touristen zum Affen machen“. „Schwülstig und überzuckert“ sei das Ganze, eine „Selbstkarikatur“. Außerdem befürchtet der Heimatschützer, das Retortendorf könnte den Einzelhandel in den kleineren Orten schädigen, weil Geschäfte abwandern. Außerdem, klagt Wölzmüller, würde die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge nicht ausreichend informiert, die notwendige öffentliche Diskussion finde nicht statt. Bei der Stadt Füssen kann man diesen Unmut nicht ganz nachvollziehen. Bereits im November, berichtet Andreas Rist, der Geschäftsleitende Beamte der Stadtverwaltung, habe man die lokalen Medien doch detailliert informiert, ob denn der Herr Wölzmüller das nicht mitbekommen habe. Außerdem bestünde seitens des Zweckverbands doch auch ein Gesprächsangebot an den Landesverein. Obendrein binde man die örtlichen Tourismuschefs durch regelmäßige Informationen über den Stand der Dinge ein. Dass die privaten Projektentwickler nicht jeden halbfertigen Schritt laut verkündeten, sei aus deren Sicht berechtigt. (André Paul)

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