Kommunales

Blick von der Ilzseite auf den Georgsberg mit seinen zwei Tunneln und der Veste Oberhaus: Der neue Rad- und Fußgängertunnel würde rechts von dem Kirchenkomplex (St. Salvator) den Berg durchstechen. (Foto: Mediendenk)

03.05.2013

Teures Loch im Georgsberg

In Passau kämpft eine vom Alt-Oberbürgermeister geführte Bürgerinitiative gegen einen vom Stadtrat geplanten Tunnel

Eine Stadt, die von drei Flüssen und Hügeln zergliedert wird, besticht durch ihr Antlitz. Doch für Verkehrsplaner wird sie zum Albtraum, für Bewahrer der natürlichen Schönheit auch. Beschauliche Flussufer müssen Betonpisten weichen, historische Brücken entpuppen sich als Nadelöhr, Tunnel sind verzweifelte Unterfangen, neue Verkehrsräume zu schaffen. In Passau soll jetzt ein drittes Loch in den Georgsberg gebohrt werden, der die Stadtteile an der Ilz von der Altstadt trennt. Es soll eine neue Verbindung speziell für Radfahrer und Fußgänger werden: 116 Meter lang, 5,50 Meter breit und mit LED-Licht geflutet, damit er nicht zur „Angströhre“ wird.
Ob die mindestens 2,5 Millionen Euro teure Investition sinnvoll ist, daran scheiden sich die Geister. Mit knapp 4000 Unterschriften haben die Gegner ein Bürgerbegehren angestrengt. Zu teuer, zu wenig durchdacht, eine halbe Lösung, kritisieren sie. Sie sei ein Feigenblatt für ein ansonsten miserables städtisches Radwegnetz. Laut Umfragen sind wirklich viele Bürger skeptisch, ob die geplante Lösung gebraucht wird. „Es hat uns selbst gewundert, dass die meisten Unterschriften aus denjenigen Stadtteilen kamen, die eigentlich vom Tunnel profitieren sollen“, sagt Alt-Oberbürgermeister Willi Schmöller (SPD), einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens. Mehr als 3000 Unterschriften waren gesammelt worden.


Zumutung für Fußgänger


Die Befürworter des Tunnels, darunter der amtierende Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) und alle Parteien im Stadtrat außer der FDP/Passauer Liste, halten mit einem Ratsbegehren dagegen. Sie verteidigen den geplanten Tunnel als große Errungenschaft für den Radverkehr – und blenden aus, dass er überhaupt keine vernünftige Fortsetzung hat. Es gibt keinen Radweg vom Tunnelportal an der Donau zur Altstadt.
Bis Mitte des 18. Jahrhunderts, als es weder Brücken noch Tunnel gab, waren Boote die einzige Verbindung zwischen der Altstadt und den Stadtteilen an der Ilz. Heute verläuft hier über Brücken und Tunnel die Bundesstraße 12 nach Böhmen. Aktuell durchbrechen zwei Tunnel den Berg. Der eine an der Festung Niederhaus wurde 1762 gebaut, sein westlicher Bruder an der Kirche St. Salvator kam 1947 hinzu. Beide Röhren, Niederhaus- und Salvatortunnel, wurden danach für den modernen Autoverkehr aufgeweitet. Es gibt jeweils zwei Fahrspuren und einen gemeinsamen Geh-und Radweg, der durch einen hohen Bordstein gesichert ist. Doch die Breite des Gehwegs erfüllt in beiden Röhren nicht ansatzweise die seit 2007 geltenden Vorschriften „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“.
Die Situation für Radfahrer und Fußgänger, darin sind sich alle einig, ist eine Zumutung. 40 000 Fahrzeuge pendeln täglich durch den Ilzdurchbruch, ebenso rund 1500 lokale Radfahrer und Fußgänger. Hinzu kommen jährlich an die 300 000 Touristen, die den beliebtesten Radwanderweg Europas benutzen, die Route von Passau nach Wien. Er führt durch den Niederhaustunnel – und hier hat das Projekt seine nächste Schwäche: Es berührt diesen Tunnel nicht, hier bleibt alles beim Alten. Entflechtet würde nur der Verkehr im Salvatortunnel.
Über eine große Lösung, die allen Radfahren und Fußgängern nützt, haben sich Bürger und Experten Gedanken gemacht. Beispielsweise ein gemeinsamer Tunnel für alle Radfahrer und Fußgänger oder ein Rückbau des Felsens, um die Wege zu verbreitern. Mit Hinweis auf die Kosten wurden sie im Stadtrat verworfen. „Alternative Maßnahmen wären wesentlich teurer“, heißt es ein einem Flugblatt, dass die Rathausparteien herausgegeben haben.


Abstimmung am Sonntag


Tunnelgegner halten dieses Argument für unglaubwürdig. Denn gerade wurde eine Million Euro für einen Tunnel der besonderen Art lockergemacht, für einen Laufschlauch an einer neuen Turnhalle. Leichtathleten – wesentlich weniger in der Zahl, als die vom Ilzdurchbruch Verkehrsteilnehmer – sollen geschützt vom Wetter trainieren können. „Der Oberbürgermeister will am Ende seiner Amtsperiode etwas Großes vorweisen können“, mutmaßt ein Stadtrat der „Passauer Liste“. Im Text des Ratsbegehrens werden die Schwächen des Projekts kaschiert, geschickt geht man auf Stimmenfang: Der dritte Tunnel komme vor allem den Autofahrern zugute. Wenn der Salvatortunnel für Radler und Fußgänger geschlossen und ein Gehweg aufgegeben wird, kann auf der Bundesstraße eine fünfte Fahrspur, eine Linksabbiegespur, eingerichtet werden.
Der umweltfreundliche Verkehr wird nur deshalb auf einen langen Weg unter die Erde geschickt, damit der Autoverkehr besser fließen kann? Am Sonntag wird abgestimmt. Wahlmüdigkeit könnte dem Rathaus nützen. Wenn das Quorum (15 Prozent der Wahlberechtigten) nicht erfüllt wird, bleibt es beim Rathausbeschluss. Die Hürde liegt bei etwa 6000 Stimmen. Rund 40 000 Passauer sind wahlberechtigt.
(Hubert Denk)

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