Kommunales

Diese Helferin hat bei der Wahl ihres Schlafplatzes beim letzten ökumenischen Kirchentag kleinere Abstriche bei der Bequemlichkeit gemacht. Doch vor allem ältere und behinderte Teilnehmer brauchen richtige Betten. Foto: ddp

01.04.2010

Turnhalle statt trautem Heim

Die Veranstalter des ökumenischen Kirchentags müssen bis Mai 15 000 Menschen in Privatquartieren unterbringen – doch es fehlen noch 9000 Betten

Keine 15 Quadratmeter, ein Hochbett, eine kleine Schlafcouch, überall Kuscheltiere und Spielsachen. So sieht das größte der beiden Schlafzimmer der Familie Park aus Ottobrunn aus. Hier schläft die jüngste Tochter, die andere wohnt im zweiten Schlafzimmer. Die Eltern verwandeln jede Nacht die Couch im Wohnzimmer in ein Bett. An vier Tagen im Mai, wenn in München der ökumenische Kirchentag stattfindet, sollen im größten Schlafzimmer der Wohnung zwei Gäste schlafen. Zwei von geschätzten 10 000 Gästen, die während des ökumenischen Kirchentags in privaten Unterkünften unterkommen wollen. Doch ob wirklich alle Besucher, die das möchten, in München und im Umland ein Bett bekommen werden, steht noch in den Sternen. Auf den Spuren von Maria und Josef wandeln als Stellvertreter für all diejenigen, die bei Gastfamilien wohnen wollen, Uwe Röcher (40) und Rosemarie Thyllack (27). Die beiden sind im Organisationsteam des ökumenischen Kirchentagbüros für die Schlafplätze zuständig; mit Werbeaktionen und Aufrufen in den Gemeinden klopfen sie an den Türen der Münchner und bitten um ein Bett.
Bei der Familie Park hatten sie Erfolg. Im Büro von Röcher und Thyllack steht eine Plexiglassäule mit kleinen Plastikbällen drin. Es ist das Bettenbarometer, die Röhre zeigt den aktuellen Stand der Privatquartiere an. Auf der Plastiksäule stehen Zahlen von 1000 bis 10 000. Die Plastikbälle zeigen 4500 Betten an. Es ist Mitte März, noch knapp zwei Monate bis zum Stichtag. Neben der Röhre steht Uwe Röcher. Graue Haare, schelmisches Lachen, Jeans und T-Shirt. Zusammen mit Rosemarie Thyllack und anderen Helfern muss er dafür sorgen dass an den vier Tagen im Mai ausreichend Schlafplätze da sind für insgesamt 100 000 Besucher. Der Großteil der Gäste wird in Hotels und Pensionen, bei Bekannten und auf Feldbetten in Turnhallen unterkommen. Röcher gibt sich zuversichtlich, dass alles klappt. Er ist Profi. Es ist sein elfter Kirchentag, sechs evangelische waren es bisher, vier katholische. Deshalb weiß er: Die wahre Herausforderung sind die 15 000 Gäste, die in Privatquartieren unterkommen sollen. Rosemarie Thyllack kümmert sich ausschließlich darum, sie ist die Herrin der Plexiglassäule. Sie ist jung, hat ein ansteckendes Lachen, will nichts Falsches sagen. Es ist ihr erster Kirchentag. „Wir sind optimistisch, dass wir es schaffen“, sagt sie und lächelt scheu. Rund 20 Kilometer südlich vom Bettenbarometer steht das Bett, das die Familie Park für den Kirchentag bereitstellt. „Ich dachte erst, wahrscheinlich ist das wieder eine meiner verrückten Ideen und alle finden es blöd.’ Aber dann waren mein Mann und die Kinder begeistert“, sagt Kathi Park (42). Gemeinsam mit ihrem Mann Philip (41) und den beiden Töchtern Johanna (8) und Clara (6) hat sie beschlossen, Gäste aufzunehmen. Am Anfang waren die vier unsicher, ob das kleine Kinderzimmer mit den schmalen Betten in der winzigen Wohnung überhaupt ein geeigneter Schlafplatz für den Kirchentag ist. Und dann sind da ja noch die sechs Meerschweinchen im Bad und der Hund im Wohnzimmer. Rosemarie Thyllack wiegelte ab. „Das macht gar nichts. Die Leute, die eine Unterkunft bei einer Familie suchen, haben keine hohen Erwartungen. Sie wollen einfach ein Bett“, sagte sie. Seitdem freut sich die Familie Park auf den Kirchentag. „Für uns ist Religion vor allem die Begegnung zwischen Menschen. Die Institution Kirche spielt gar nicht so eine große Rolle“, sagt Kathi Park. Der Kirchentag ist für sie vor allem eine tolle Möglichkeit, diese Begegnung zu erleben, der Tag ist also eine Art Symbol für ihre Religiosität. Doch auch die Familie ist ein Symbol für den ökumenischen Kirchentag. Kathi Park ist Katholikin, Philip Park Protestant. Geheiratet haben die beiden in einer evangelischen Kirche, die Kinder sind evangelisch getauft, aber in ihrem Heimatort Ottobrunn ist die Familie auch in der katholischen Kirche aktiv. „Beide Pfarrgemeinden legen viel Wert auf Ökumene. Das finden wir toll“, sagt Kathi Park. Sie sitzt an einem großen Holztisch im Wohnzimmer, der Mittelpunkt des Hauses. Die Töchter legen aus quietschbunten Plastikperlen Bügelbilder, Mutter Park wärmt schon das Eisen, Vater Philip sortiert für die Töchter die Perlen nach Farben. Johanna blickt von ihrem bunten Schmetterling hoch, als die Mutter einen Moment lang schweigt. Dann sagt sie, „ich gehe gern in den Gottesdienst. Ob der evangelisch oder katholisch ist, ist mir nicht so wichtig“.

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