Kommunales

Schnelles Internet war gestern, heute will man super-schnell. (Foto: dpa/Jens Büttner)

29.07.2020

Wald, Wiese und World Wide Web

Schnelles Internet war gestern, heute will man super-schnell: Spätestens nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist das im Home-Office oder beim Home-Schooling klar geworden. Doch Bayerns "Digital-Turbo" wird in ländlichen Regionen durch verschiedene Hindernisse ausgebremst

Wiesen, Wälder, Ackerland - und mitten im grünen Idyll des Vorspessarts ruht der Ortskern von Sailauf. Auf einem der umliegenden grünen Hügel lässt sich ein Problem der unterfränkischen Gemeinde im Landkreis Aschaffenburg gut erkennen: Im Abseits liegt hier und da ein Aussiedlerhof, der noch kein schnelles Internet hat. Ein sogenannter "weißer Fleck" - im Freistaat inzwischen ein seltenes Phänomen.

Denn Bayern hat in den vergangenen Jahren im Breitbandausbau Fahrt aufgenommen und rund 53.000 Kilometer Glasfaserleitungen verlegt. Das ist mehr als der Erdumfang am Äquator. "Im gesamten Freistaat sind schon über 96 Prozent aller Haushalte mit schnellem Internet versorgt", sagte Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) der Deutschen Presse-Agentur. Schnell bedeutet in diesem Fall mindestens 30 Megabits pro Sekunde (Mbit/s). Mit 30 Mbit/s kann eine vierköpfige Familie beispielsweise Webradio hören, über das Internet telefonieren und gemeinsam einen 4K Stream bei Netflix anschauen, erklärt Internetexperte Sven Oliver Rüsche.

Für Orte wie Sailauf, mit abgelegenen Gast- oder Bauernhöfen, brachte das bayerische Finanzministerium die Sonderförderung "Höfebonus" zum Anschluss an das Glasfaser-Netz auf den Weg. An dem beteiligt sich auch die Ortschaft Sailauf, wie Bürgermeister Michael Dümig (SPD) erzählt. Die "weißen Flecken" wären nach dem Ausbau also ein Problem von gestern. Das Problem von morgen hat die Corona-Krise und damit vermehrtes Home-Office und Home-Schooling aufgezeigt: schnelles Internet ist nicht mehr schnell genug.

Gigabitnetz für alle überall

"Der Maßstab für den digitalen Netzausbau und damit die erfolgreiche digitale Transformation ist heute das Gigabitnetz für alle überall", sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Bedeutet: Gigabits statt Megabits, Glasfaser statt Kupfer.

Auch hier hat der Freistaat ein neues Förderkonzept entworfen und ist die erste Region in Europa, der es von der Europäischen Union gestattet ist, den Ausbau auch dort zu bezuschussen, wo schon mehr als 30 Megabit pro Sekunde verfügbar sind. Die Grünen im Landtag kritisieren, dass geförderte 30- bis 50-Mbit-Anschlüsse erneut mit Steuergeldern subventioniert und auf mehr als 100 Mbit aufgerüstet werden. "Den konsequenten Ausbau der Internetinfrastruktur mit Glasfaserleitungen in jedes Haus hat die Regierung Seehofer mit einer an Starrsinn grenzenden Beharrlichkeit blockiert", sagt der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann.

Bayerns neue Gigabitrichtlinie ist im März in Kraft getreten. Mit einem ambitionierten Zeitplan: Bis zum Jahr 2025 sollen Gigabitanschlüsse im Freistaat flächendeckend zur Verfügung stehen und Glasfasern in jedes Haus bringen. Doch die neue Richtlinie und neue Förderung birgt neue Probleme - insbesondere für Kommunen wie Sailauf.

Auffahrt auf die Datenautobahn

Im Ortskern der knapp 4000-Seelen-Gemeinde surft man auf Kupferleitungen der Telekom mit 50 Mbit/s und möchte zulegen. Das Gewerbegebiet, in dem auch ein internationaler Automobilzulieferer sitzt, habe die Ortschaft schon längst abgehängt und eigens ausgebaut. Wie mittlerweile alle bayerischen Gemeinden hat auch Sailauf eine "Auffahrt auf die Datenautobahn", wie es die Regierung formuliert. Man könnte also losgehen.

Doch die Telekom habe kein Interesse gehabt, die Glasfaserleitungen in der Gemeinde auszubauen, sagt Bürgermeister Michael Dümig. Kein Einzelfall: "In Bayern haben wir Gemeinden, die 30 bis 40 Anschlüsse ausschreiben - das ist natürlich weniger attraktiv", sagt Stefan Graf vom Bayerischen Gemeindetag. Es gibt bundesweit attraktivere Projekte für Telekommunikationsanbieter, denn diese sind derzeit sehr gefragt und können sich aussuchen, wo sie Angebote machen. Oft gefördert. Auch auf Bundesebene soll der flächendeckende Aufbau von Gigabitnetzen bis 2025 erfolgt sein.

Sailauf hat sich nun mit vier weiteren unterfränkischen Gemeinden im Westspessart zur Kommunalen Allianz namens "Wespe" zusammengetan. Bessenbach, Haibach, Laufach, Waldaschaff und Sailauf wollen ihre digitale Zukunft selbst absichern. Die Deutsche Glasfaser Holding GmbH, die sich offenbar vermehrt auf die ländlichen Regionen fokussiert, will in jede der Gemeinden Glasfaser bis ins Haus bringen. In englischer Fachsprache auch genannt: Fiber To The Home (FTTH). Dafür mussten sich 40 Prozent der Haushalte für einen Glasfaseranschluss entscheiden, um den eigenwirtschaftlichen Ausbau der Deutschen Glasfaser rentabel zu machen.

Anbieter fehlen

Fehlende Anbieter sind nicht das einzige Problem. Beim Ausbau werden oft Subunternehmen aus dem europäischen Ausland eingesetzt. Viele bayerische Kommunen beklagten Verständigungsprobleme, nicht eingehaltene Fristen oder Probleme bei der Qualitätssicherung, sagt Stefan Graf vom Bayerischen Gemeindetag. In Bessenbach, einer der fünf Gemeinden der Allianz "Wespe", wurde zum Beispiel eine Gasleitung bei Bauarbeiten mit einer Erdrakete angeschossen. "Das ist eine Gefahr für Leib und Leben", sagt Sailaufs Bürgermeister Dümig.

Auch die Straßen wurden in der Vergangenheit manchmal "ziemlich grausam" hinterlassen, wenn Unternehmen nach der Verlegung wieder abziehen, erzählt Graf. Nicht selten blieben sie aufgerissen und würden nicht ordnungsgemäß verschlossen. "Viele Gemeinden übernehmen nun freiwillig die Bauüberwachung und tragen die Kosten dafür selbst." Auch die Allianz "Wespe" hat auf eigene Kosten ein Ingenieurbüro beauftragt, den Ausbau in der Region permanent zu überwachen. Für ländliche Regionen scheint es also auch zum super-schnellen Anschluss ein holpriger Weg zu bleiben.
(Carolin Gißibl, dpa)

Kommentare (1)

  1. Zweiter Bürgermeister am 29.07.2020
    30 MBit pro Sekunde sind kein „schnelles Internet“ und das weiß der Füracker. Als „schnell“ hat schon vor 10 Jahren der Martin Zeil 50 MBit/s definiert. Das ist doch Verarsche der Bürger.
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