Kommunales

16.04.2010

Wandern auf zwei Rädern

Immer mehr Touristen erkunden mit einem so genannten „Segway“ die bayerischen Alpen – ein Erfahrungsbericht

Das“, sagt Peter Beierl, „ist eine Genießertour!“ „Aha“, denke ich mir und sehe hinunter auf das seltsame Gefährt, auf dessen Bodenplatte fünf Leuchtdioden grünlich leuchten. „Jetzt kannst aufsteigen“, sagt der Peter, und dann stehe ich auf diesem Ding mit seinen zwei Rädern, die mit immerhin vier PS dahinrollen können, stehe da oben, halte diesen fahrradähnlichen Lenker in den Händen und dann bewegt sich dieses Gerät wirklich und der Peter gibt freundliche Ratschläge: „Den Kopf, den musst du ausschalten!“ „Aha“, denke ich mir wieder, und was dann folgt ist eine mehrstündige Tour entlang der Wege des Obersalzberges bei Berchtesgaden. Der Peter, der ist ein Hiesiger, wie es in Bayern heißt und beruflich macht er mit seiner Firma „Mountain Entertainment“ so alles, was man in den Bergen an „Events“ halt so anstellen kann: Vom „Paragliding“ über „Schnupftabaken“ bis hin zu jenem „Kramperl laufen“, was auch ein gebürtiger Bayer wie ich noch nicht so richtig identifizieren kann. Mit Tempo 20 über die Schotterwege Mit dabei bei diesen Veranstaltungen sind gerne Gruppen von Managern, die sich auf diese Weise geistig für den firmeninternen Kleinkrieg rüsten und natürlich auch normale Touristen. So wie die vierköpfige Familie Hover, die sich jetzt wie ich auf diesen Hightech-Geräten vorwärtsbewegt. Segway ist der Name dieser „Personal Transporter“ aus den USA, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern fahren können, eine Reichweite von 38 Kilometern aufweisen und Strom als Energiequelle nutzen. Sie sehen ein bisschen aus wie antike Streitwagen – zwei Räder und vorne dran eine Lenkgabel. Kommen einem Menschen mit diesen Gefährten entgegen, glaubt man, in einem dieser Science Fiction-Filme aus den 1970er Jahren gelandet zu sein. Seit drei Jahren hat der Peter nun geführte Segway-Touren im Programm, sechs an der Zahl, und die heutige führt in einem großen Schlenker rund um das Kehlsteinhaus, das in schwindelnder Höhe am Fels klebt. „Mit diesen Dingern zu fahren, das bringt einfach Spaß“, sagt Michael. Der 52-Jährige macht hier im Berchtesgadener Land Urlaub mit seinen beiden Kindern und seiner Schwester, und sie sind auf den Geschmack gekommen: Das ist bereits ihre zweite Tour. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sie unbekümmert Gas geben und wie Zinnsoldaten aufrecht stehend auf ihren Elektro-Rollern dahinzurollern beginnen. Ich hingegen bin noch im Experimentierstadium. Gewicht nach vorne verlagern: Das Ding fährt. Gewicht nach hinten verlagern: Das Ding bremst. Lenkstange nach links: Es fährt nach links. Sonst ist nichts. Kein Hebel, kein Gaspedal, keine Bremse. „Du musst einfach Vertrauen haben“, muntert mich der Peter auf und sagt: „Dann pack ma´s“. Also packen wir es an. Solange ich mich mit diesem Science-Fiction-Gerät auf ebener Ebene befinde, geht es gut. Gewicht nach vorne verlagern, es fährt! Lenkstange nach links: Es fährt nach links! Doch das sind nur die Vorspiele des Kommenden. Denn der Peter, der vor mir fährt, biegt jetzt in einen Waldweg ein, und der geht ziemlich, also ich muss sagen wirklich sehr steil, nach oben. Das ist dann der Moment, in dem der Peter wieder sagt: „Den Kopf, den musst ausschalten!“. Weil mein Kopf sagt, wenn es so schräg nach oben geht, muss das mein Körper irgendwie ausbalancieren, des Gleichgewichts wegen. Dafür aber, so lasse ich mich belehren, ist nicht mehr mein Kopf zuständig. Sondern die fünf Gyroskope und die zwei Kreiselsensoren. Die messen das sich verändernde Terrain und meine Körperposition 100 Mal pro Sekunde, angeblich schneller als mein Gehirn denken kann, sagt der Werbeprospekt. Ich bin mir nun nicht sicher, wie schnell mein Gehirn normalerweise denkt, aber anscheinend hat der Segway mich jetzt überholt: Plötzlich habe ich es geschafft und stehe unversehrt oben auf dem Abhang. „Geht doch“, sagt der Peter. Wir fahren weiter über Stock und Stein, überqueren die eine oder andere Straße und nähern uns auf dem Waldweg wieder der Urlauber-Familie. Für den 16-jährigen Christian und die 15-jährige Sofia scheint das Segway-Fahren das Normalste auf der Welt zu sein, es geht flott dahin. Wir passieren eine Herde Kühe, die uns stoisch, aber mit einem gewissen Interesse mustert. Zwischendurch lichtet sich der Wald und gibt den Blick frei auf die Berge des Berchtesgadener Landes. Schließlich schwenkt unsere Segway-Kolonne nach rechts, und wir machen bei einer unbewirtschafteten Berghütte Rast: Ein Brünnlein, ein WC mit ausgeschnittenem Herzchen, ein weitschweifender Blick ins Tal. Ich bin froh über die Pause, mir tun irgendwie die Fußsohlen weh. „Das vergeht“, sagt der Peter, und wir Männer vertiefen uns in ein Fachgespräch über die möglichen Kapazitäten von Strom-Akkus, Solarzellen und

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