Kommunales

Am 18. März findet der zweite Internationale Recycling-Tag statt. (Foto: dpa/Wolfgang Steinberg)

14.03.2019

Wider die Wegwerf-Gesellschaft

Bayerns Landkreise und Städte haben bei der Müllvermeidung große Erfolge erzielt – doch die Abfallverwerter stoßen zunehmend an Grenzen

Naturschutz ist derzeit in aller Munde – viele Bayern unterzeichneten etwa das Volksbegehren gegen das Bienensterben. Doch wie steht es um die eigene Umweltbilanz im Haushalt und im Heimatort, etwa beim Recycling? Und wie nachhaltig ist die Ökobilanz der Wideraufbereitung von Müll tatsächlich? Diese Fragen dürften sich so manche Bürger und Bürgermeister anlässlich des zweiten Internationalen Recycling-Tags am 18. März stellen.

Im Landkreis Kitzingen zum Beispiel. Dort sind viele Menschen sehr daran interessiert, dass ihr Müll nicht einfach vernichtet wird. „Deutlich wird das an den erfreulichen Zahlen unserer jährlichen Abfallbilanz“, sagt Reinhard Weikert von der Kommunalen Abfallwirtschaft. Weil die Kitzinger ihren Abfall so gut trennen, gelangen inzwischen 82 Prozent des Mülls ins Recycling. Das ist mehr als etwa im Kreis Aichach-Friedberg, wo die Verwertungsquote derzeit 75 Prozent beträgt.

Man wirft ja auch sein Auto nicht gleich weg

Groß ist die Hoffnung, dass solche Quoten noch weiter gesteigert werden können. Warum die Rückgewinnung von Rohstoffen so wichtig ist und was politisch geschehen müsste, damit der Recycling-Anteil weiter steigt, darauf will der „Global Recycling Day“ aufmerksam machen. 2018 fand er zum ersten Mal statt. „Bei uns landeten im letzten Jahr lediglich 68 Kilo Müll pro Einwohner in der grauen Restabfalltonne“, freut sich Weikert im Landkreis Kitzingen. In den späten 1980er Jahren lag der Wert noch bei 261 und 1990 immer noch bei 126 Kilo. Die positive Entwicklung führt der Abfallexperte auf das gestiegene Umweltbewusstsein in der Bevölkerung zurück. Es gibt allerdings noch einen weiteren Grund, warum in der unterfränkischen Kommune immer mehr Rohstoffe zurückgewonnen werden. Weikert: „Wir haben die Wertstoffsammlung kontinuierlich ausgebaut.“ 1991 wurde in Kitzingen die Bio- und im Jahr 2003 die Papiertonne flächendeckend eingeführt. 95 Prozent aller Bürger sind heute angeschlossen.

Im neuen, zentralen Wertstoffhof werden mehr als 30 Wertstoff- und Abfallfraktionen angenommen. An 27 Sammelstellen in den Gemeinden des Landkreises können Papierabfälle, Metallschrott, elektrische und elektronische Kleingeräte, Batterien, Druckerzubehör und digitale Datenträger abgegeben werden. Der wachsende Druck, Müll zu vermeiden, hat einen weiteren Ausbau zur Konsequenz. „Aktuell planen wir, Flachglas am Wertstoffhof separat anzunehmen und zu verwerten“, informiert Weikert. Das Projekt „Gebrauchtwarengarage am Wertstoffhof“ zielt auf die direkte Wiederverwendung ab: „Unsere Bürger können hier gebrauchsfähige Sachen abgeben.“ Zum Beispiel funktionstüchtige Möbel, gut erhaltenes Geschirr, Dekorationsgegenstände, Spielsachen oder Bücher. Diese Dinge werden an das Gebrauchtwarenkaufhaus des Vereins „Aplawia“ weitergegeben und dort als Second-Hand-Ware verkauft. Ähnliche Ziele verfolgen „Umsonstläden“, etwa das „Luftschloss“ in Würzburg.

Die Frage, wie mehr wiederverwendbare Materialien als „siebte Ressource“ neben Wasser, Luft, Kohle, Öl, Erdgas und Mineralien gewonnen werden können, treibt auch die Abfallexperten im oberbayerischen Landkreis Traunstein um. In der Abfallberatung werden Bürger über Möglichkeiten des Recyclings und der Müllvermeidung aufgeklärt. Die Nachfrage ist groß, berichtet Astrid Steinkirchner, die für die Traunsteiner Abfallwirtschaft verantwortlich ist. Insgesamt werden im Landkreis mit seinen 175 000 Einwohnern jährlich um die 100 000 Tonnen Abfall erfasst. Durch einen onlinebasierten Tausch- und Verschenkmarkt soll die Müllmenge weiter verringert werden. Es gibt außerdem einen Flohmarktführer sowie eine kostenlose Abfall-App, die etwa über Öffnungszeiten der Wertstoffhöfe sowie über Containerstandorte für Altpapier, Weißblech und Glas informiert. „Wir sind immer bestrebt, Neuerungen, die zu einer Vermeidung des Abfallaufkommens beitragen, aufzugreifen“, betont Steinkirchner. So steht ein „Re-Use-Zentrum“ in den Startlöchern.

Auch im schwäbischen Landkreis Aichach-Friedberg wird versucht, noch weiter Müll zu reduzieren. „Wir überlegen gerade, weitere Stoffe auf den Wertstoffsammelstellen zu sammeln und diese dem Recycling zuzuführen“, sagt Michael Haas, der die Kommunale Abfallwirtschaft leitet. Bereits 2018 wurde die Abfallberatung ausgebaut: „Von einer auf 1,6 Stellen.“ Außerdem erstellt die Kommune gerade einen Katalog mit Ideen zum ressourcenschonenden Handeln im Alltag.

Im Kreis Bayreuth forciert man ebenfalls eine Entwicklung hin zu weniger Müll. „Sicherlich ist Recycling ein wichtiger Bestandteil der Abfallwirtschaft, jedoch ist die Abfallvermeidung als noch bedeutender einzustufen“, unterstreicht Peter-Michael Habermann, Fachbereichsleiter der Bayreuther Abfallwirtschaft. Habermann propagiert deshalb Mehrwegsysteme für Getränkeverpackungen. Auch jede Art von Weitergeben, Verschenken oder Verkaufen gebrauchter Gegenstände sei letztlich besser, als Sachen wegzuwerfen und sie zu recyceln. Neues Material durch Wiederaufbereitung und Recycling herzustellen, kostet nach seinen Worten viel Energie. Meist würden zur Herstellung von Recyclingprodukten, also etwa von Umweltschutzpapier aus Altpapier oder Fleecepullovern aus Kunststoffen wie Shampooflaschen, auch neue Rohstoffe benötigt. Habermann: „Daher steht das Recycling erst an dritter Stelle der Abfallhierarchie.“ Der beste Abfall sei der, der gar nicht erst entsteht.

Im Dialog mit den Bürgern ist man in der oberfränkischen Kommune seit 20 Jahren bemüht, Abfall zu vermeiden. „Let’s Go Mehrweg“ heißt der Titel der Umweltkampagne, die eine Vielzahl an einzelnen Projekten umfasst. 1998 wurde erstmals eine „Mehrweg-Gaudi-Ralley“ veranstaltet. Die Initiative „Umweltfreundlich feiern mit dem Spülmobil“ zielt auf Abfallvermeidung bei größeren Veranstaltungen ab. Vereine, Kirchengemeinden und Schulen können das „Spülmobil“ für 65 Euro am Tag entleihen. Um die Nachfrage nach Mehrwegwindeln zu steigern, gewährt die Stadt Bayreuth einen „Windelzuschuss“.

Solche Initiativen haben allerdings nur dann eine Chance, wenn sie „locker“ rüberkommen, meint Habermann: „Die Initiatoren der einzelnen Aktionen versuchen, eine bildhafte Sprache zu verwenden.“ Durch Radiospots, Gewinnspiele, Kinder- und Sportveranstaltungen sowie in sozialen Medien werden im ganzen Landkreis multimediale Informationen gestreut. Das Motto lautet: „Dein Auto wirfst Du doch auch nicht weg, wenn der Tank leer ist!“ Die Organisation eines abfallarmen Lebens stellt allerdings eine Herausforderung dar. Einweg, räumt Habermann ein, sei bequemer und oft billiger. Ob der Traum „Zero Waste“ sich dennoch in naher Zukunft erfüllt? Michael Haas aus Aichach ist skeptisch. „Für bestimmte Abfälle müssen auch künftig Deponie- und Verbrennungskapazitäten vorgehalten werden.“ (Pat Christ)

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