Kommunales

Bedürftige Kinder bekommen in einem Sozialzentrum ihr preisgünstiges Mittagessen. Das ist dringend notwendig, kostet die Kommunen aber immer mehr.

18.02.2011

„Wir fordern alle auf, zu klagen“

Kommunen werden den Widerstand der Sozialverbände gegen die neuen Hartz-IV-Regelungen als Erste spüren

Im Bund schaffen die schwarz-gelbe Koalition und die rot-grüne Opposition keine Einigung zur Erhöhung der Hartz-IV-Sätze – und ausbaden müssen werden den Streit wohl die Kommunen. Denn Bayerns Sozialverbände bringen derzeit ihre Klientel gezielt gegen die unmittelbaren Leistungserbringer in Stellung – die Landkreise und kreisfreien Städte. Hintergrund: Seit 1. Januar 2011 haben Betroffene ein Anrecht auf einen höheren Regelsatz und weitere Unterstützung in Sachform.
Nur reicht der Bildungsgutschein, den Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Patentlösung für die Teilhabe von Kindern aus sozial schwachen Familien propagiert, ähnelt einem Tropfen auf den heißen Stein, ebenso die angekündigte Erhöhung der Regelsätze um fünf Euro. Allein eine Stunde Nachhilfe oder Musikschule dürfte dies bereits aufzehren. Die finanziell angeschlagenen Träger der Einrichtungen, die Kommunen, haben wiederum bei den Kosten keinen Handlungsspielraum mehr. Ganz nebenbei entstehen noch neue bürokratische Monster wie das „Flötenunterrichtskostenübernahmeformular“. Der Name allein dürfte viele Eltern abschrecken.
In München hat der organisierte Widerstand bereits konkrete Formen angenommen. Wobei es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis sich ähnliche Formen des Protestes auch in anderen bayerischen Städten etablieren. Im Namen des Bündnisses München Sozial – ein Zusammenschluss von Paritätischem Wohlfahrtsverband, GEW, Caritas, VdK und Mieterverein – fordert Karin Majewski , Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, dass Hartz-IV-Empfänger für stärkere finanzielle Unterstützung beziehungsweise günstigere Tarife klagen sollen. Diese Klagen landen dann in den Rathäusern und Landratsämtern von wo aus, so die Kalkulation der sozialen Lobbyisten, der Druck auf den Bund verschärft werden muss, endlich mehr Geld locker zu machen. Freilich bekennt sich das Bündnis im gleichen Atemzug dazu, dass der Staat den Kommunen genügend Geld zur Verfügung stellen müsse.
Konkret denkt man an eine Erhöhung der Regelsätze beim ALG II auf zunächst 440 Euro und die „bedarfsgerechte Erhöhung der Regelsätze für Kinder und Jugendliche auf der Basis eines eigenen Warenkorbs sowie die „Kostenfreiheit von Erziehung und Bildung“ – was de facto auf eine Gratisnutzung aller kommunalen Bildungsangebote hinauslaufen dürfte. Ebenfalls abgelehnt werden Sanktionen gegen Verweigerer unter den Empfängern – hier übernimmt München mit einem Stadtratsbeschluss gegen Totalsanktionen eine Vorreiterrolle im Freistaat – sowie eine Ausrichtung der Mietbeihilfe an der Kassenlage.
Johannes Reile, Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistags, hat für diese provokative Strategie kein Verständnis. „Das ist unerhört“, meint Reile und lasse jedes Augenmaß vermissen. Der Gedanke, sich als Empfänger von steuerfinanzierten Leistungen auch mal zu bescheiden, sei völlig verschwunden, statt dessen würden nur immer neue Forderungen erhoben. „Wir verlieren immer mehr das notwendige Abstandsgebot zu den Menschen, die zu niedrigen Löhnen arbeiten und keinen Anspruch auf solche Leistungen haben, völlig aus den Augen“, kritisiert der Verbandsgeschäftsführer. Was die Sozialverbände geschickt verschweigen: Klagen Hartz-IV-Empfänger, dann müssen sie das natürlich nicht selbst bezahlen, sondern bekommen die Prozesskosten vollständig erstattet. „Mit dieser Strategie erreicht man gar nichts, außer dass die Kosten für die Kommunen noch weiter ansteigen“, ist Johannes Reile überzeugt
Unterdessen bangt man beim Bayerischen Städtetag, dass „die Grundsicherung zum Gegenstand eines Kuhhandels“ wird. Konkret befürchtet der Verband, dass die Verhandler, zu denen auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gehört, die Grundsicherung mit „sachfremden Bereichen“ – etwa der Reform der Kommunalsteuer“ – koppeln. „Wir brauchen transparente Regeln für die Finanzierung von Aufgaben“, fordert Hans Schaidinger, der Vorsitzende des Städtetags. „Es darf zu keiner Vermischung der Finanzierung unterschiedlicher Aufgaben kommen, etwa zwischen den Kosten für das Bildungspaket und dem Teilhabepaket für die Unterkunftskosten.“ Die Städte würden keine Aufgaben übernehmen, die nicht voll finanziert wäre, so Schaidinger. (André Paul)

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