Kultur

Einblick in die Refugien männlichen Lustgebarens – Motive werden aber nicht sichtbar. (Foto: Peter Rigaud)

06.07.2012

Abklingbecken der Sinnlichkeit

"Böse Buben/Fiese Männer" in den Münchner Kammerspielen

Der Österreicher Ulrich Seidl blickt als Dokumentarist gern dorthin, wo andere lieber wegschauen, erfreut sich vor allem immer wieder an troglodytischen Formen und Verformungen menschlicher Libido. Weil er sich dabei der Medien Film und Theater bedient, bannt er auch den Blick des Publikums. Das ist im Großen und Ganzen auch der Kern seines aktuellen Theaterunternehmens Böse Buben/Fiese Männer, das die Münchner Kammerspiele uraufführten: Ausgeleuchtet werden Refugien männlichen Lustgebarens, zu sehen ist eine Bloßstellung des Intimen. Und grübeln darf man darüber, ob und welche Relevanz das alles hat.
Seidl lässt seine Schauspieler, gelernte und ungelernte, Texte von sich und aus David Foster Wallace’s Kurze Interviews mit fiesen Männern sprechen, legt Blicke frei auf eine eher sinistre Methodenlehre der Verführung, in der es weniger um die Suche nach Partnern als um das Erlegen, Erliegen und Erledigen von Opfern geht. Manchmal ist das sogar komisch. Etwa wenn sich ein nach Deutschland emigrierter Moslem liebeshungriger hiesiger Hausfrauen erbarmt – ein verblüffendes Spiel mit Vorurteilen und Überfremdungsängsten.
Meistens aber ist es arg anstrengend in diesem Bestiarium männlicher Sexualpathologie: Es geht um die Entwürdigung des sexuellen Gegenübers. Es geht um die Gefahr, die darin steckt, wenn der Gedanke an Dominanz im Vordergrund steht. Es geht um den Kern sexuellen Missbrauchs.
Derlei Monologe sind verbunden in einem vernachlässigbar übertünchten Rahmen, die Bühne dient allein als Abschussrampe von rhetorischen Querschlägern: Wir befinden uns im tristen Betriebsraum der Männlichkeit, im Abklingbecken der Sinnlichkeit mit Pförtnerloge und Waschkabinen (Bühne: Duri Bischoff), wo die Spieler zwischendurch Gymnastik und allerlei eigenwilligen Schabernak bis hin zur Penetration einer Milchtüte vermittels eines Stangenweißbrots treiben.
Das derzeit beliebte Dokumentationstheater bedarf manchmal derlei verquält-bemühter Bereicherungen, deren Funktion weniger der intellektuellen Einhausung des Geschehens als vielmehr dem Vernichten von Zuschauerzeit dienen. Denn die Monologe allein würden für ein abendfüllendes Spiel nicht reichen.
Letztlich sind solche Abende Schwundstufen des Theaters. Natürlich zeigen die Monologe, aneinander montiert, Mechanismen von Sexualität; aber derlei Demaskierungen bedeuten nicht besonders viel, wenn sie, wie in diesem Fall, als bloße Bebilderung eines gesellschaftlichen Um- oder Missstands daher kommen: Sichtbar und ausgestellt werden die Menschen, ihre Motive werden es nicht. (Christian Muggenthaler)

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