Kultur

Ausschnitt aus einem Stillleben von Ernst Weil aus der Zeit um 1953. Die Gesamtansicht finden Sie im Beitrag. (Foto: Kunstvilla/Frank Altmann)

14.08.2020

Abstraktes in den Farben des Südens

Die Kunstvilla Nürnberg zeigt in einer Ausstellung, wie sehr Ernst Weil von der französischen Kunst und Lebensart geprägt war

Die Ausstellung heißt Abstraktion in Nürnberg. Ernst Weil hat sie nicht in Nürnberg erfunden, aber sie maßgeblich dorthin vermittelt: besonders in den 1960er-Jahren, als er dort Akademieprofessor war. Weil wäre letztes Jahr 100 geworden (allerdings starb er schon 1981), in naher Zukunft soll wohl sein Werk mit etwa 300 Aufrufnummern unter den Hammer kommen: Anlässe sind das genug für die Kunstvilla im KunstKulturQuartier, an den Maler zu erinnern – zugleich an eine Reihe seiner früheren Schüler*innen und an Gerhard Wendland, seinen Kollegen der abstrakten Malerei.

Was in der Kunstvilla auf mehreren Stockwerken des schönen Gründerzeitbaus entsteht, ist das umfassende Bild einer Künstlerpersönlichkeit, in der sich die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt. Auf den ersten Blick ist es die französische Kunst dieses Dezenniums, die ihn beeinflusst hat, aber auch die französische Lebensart: Er war ein Mann, der schnelle Autos und schöne Frauen liebte, in Paris Boxer und ihre Bewegungen zeichnete und sich in Südfrankreich mit Pablo Picasso traf.

Architektur und ihre Strukturen waren der Ausgangspunkt für die berufliche und künstlerische Laufbahn dieses Nürnberger „Abstrakten“. Schnell hat man in der Kunstvilla erkannt, dass nicht nur Picasso, sondern auch Fernand Léger und ganz besonders die Farben und Strukturen von Robert Delaunay die künstlerischen Väter von Ernst Weil waren. Delaunay ganz besonders, dessen erste Pariser Nachkriegsausstellung 1946 nachhaltigen Einfluss auf die Generation ungegenständlicher Künstler*innen hatte – ganz besonders in Deutschland, zu dem Delaunay immer eine besonders intensive Beziehung hatte – auch in der Kritik an Hitler. Wenig später hat auch Weil in einer Ausstellung in München das entdeckt, was an abstrakter Kunst den Deutschen vorenthalten worden war.

Klare Bildarchitektur

Bei Weil findet man viele Themen, die die französischen Klassiker der Moderne betonten. Und man findet die Farben, die ein Teil der Faszination sind, die der Süden zeitlebens auf Weil ausübte: Ob in dem Gemälde Landschaften oder Blick auf die Stadt: Überall entdeckt man das Blau des südfranzösischen Lavendels, das Glühen sommerlicher Temperaturen, die Farben der Häuser.

Mitte der 1960er-Jahre wurden die Galeristen auf diesen frankophilen Weil aufmerksam. 1965 bekam er die Professur an der Nürnberger Akademie. Mit dem damals aktuellen abstrakten Expressionismus und dessen wilden, revolutionären Bildern hatte Weils klare Bildarchitektur wenig zu tun – selbst wenn eines seiner Bilder erregt heißt. Überall sieht man bei ihm stark Strukturiertes, Komprimiertes, und das nie ohne eine Spur von malerischer Eleganz. Dafür mit einer Spur von Geheimnis: Seine Zahlenmystik hat man bis heute nicht entschlüsselt.

Womanizer im Unterhemd

In der von Andrea Dippel fein kuratierten Ausstellung lohnt sich auch ein Blick in das Kabinett mit Weils Anfängen als Student an der Münchner Akademie, wo manches noch etwas Unentschiedenes oder Geschmäcklerisches hat (zum Beispiel Prozession). Wie in einem Film noir sitzt er dann während seiner Pariser Zeit in einer Boxerhalle: ein bisschen wie Jean Marais, im Unterhemd, mit angriffslustigem Lächeln und einem ganzen Bündel von Pinseln in der Hand. Dort hat er den Wirbel der Bewegungen eines Boxers festgehalten: Der Kampf verdichtet sich geradezu futuristisch, die Muskelpakete werden zu abstrakten Konglomeraten. Bewegung ist Weils Credo auch später geblieben, Farbflächen nehmen es miteinander auf, Felsen werden getürmt. Vielleicht hat Picasso Weils Skizzenbuch deswegen signiert, weil er in ihm einen Geistesverwandten gesehen hat – auch im Savoir-vivre. (Uwe Mitsching)

Abbildung: Stillleben von Ernst Weil aus der Zeit um 1953.    (Foto: Kunstvilla/Frank Altmann)

Information: Bis 13. September. Städtische Kunstvilla, Blumenstr. 17, 90402 Nürnberg. Di. bis So.10-18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr.

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