Kultur

Von Slapstick über Mikrofonansagen bis Publikumsbefragung: Sebastian Blomberg (links) und Michele Cuciuffo. (Foto: Residenztheater)

09.12.2011

Alle Schrecken dieser Welt

Am Münchner Residenztheater bringt eine junge Mannschaft eine Kurzversion von Voltaires „Candide“ auf die Bühne

Leben wir nicht in „wunderlichen“ Zeiten? Geld geht in Verwesung über. Lügner und Betrüger werden hofiert. Der Planet ächzt unter der Milliarden-Kreatur Mensch und deren Plastik-Welt. Bald haben fanatische Extremisten allumfassende Vernichtungswaffen – Zeit also, sich an Martin Luther und seinen Entschluss zum „morgigen Weltuntergang“ zu erinnern: „…doch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Danach hat 1985 Hoimar von Dithfurt sein Abschiedsbuch benannt, erwachsen aus der Einsicht: „Endzeit... es steht nicht gut um uns.“
Schon 1759, in deren erster Hochblüte, hat der französische Aufklärer Voltaire in seinem ironisch entlarvenden Roman Candide oder der Optimismus einen reinen Toren, eine „weiße“, gleichsam unschuldige Seele alle vernunftlosen Schrecken der Welt durchleiden lassen. Da die Theaterkunst mitten hinein ins Leben greifen und parallel das Bayerische Staatsschauspiel einer Frischzellenkur unterzogen werden soll, hat ein junges Team Candide in einer Kurzfassung auf die Bühne gestellt. Diese Fassung vereint nun Erzählpassagen, Spielszenen, Mikrofonansagen, aktionsreiches Körpertheater bis zum Slapstick, Publikumsbefragung, Projektionen auf dem Rundhorizont, Rollenwechsel und dazwischen live auf der Bühne musizierte mal balladeske, mal fetzig reinknallende Rock-Songs der Band „Kante“.
Lead-Sänger Peter Thiessen hat auf die Candide-Handlung bezogene, sozialkritische Texte geschrieben, sang sie und durfte auch mal kurz mitspielen. Das zunächst leere, hellgraue Weltenhalbrund der offenen Bühne verwandelte Ausstatterin Sabine Kohlstedt mit einer Fülle aus dem „Himmel“ herabfahrenden und dann waldartig herumhängenden Plastik-Utensilien in diese unsere Welt. Darin beeindruckten Jörg Ratjen als verstiegene Optimusmus-Philosophen-Karikatur, Michele Cuciuffo als eitler Bösewicht wie pfiffiger Diener, Hanna Scheibe als kess sich „so-durch-liebende“ Baronesse Kunigunde und vor allem Elisabeth Schwarz mit ihrem anrührenden Lebenselend als „Alte“. Im Mittelpunkt aber stand, fiel, taumelte, hing (kopfüber!), raste, stolperte und lag schlussendlich Sebastian Blomberg als Candide. (Wolf-Dieter Peter)

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