Kultur

Elisabeth Pratscher als die schöne Galathée und Mathias Frey als Monsieur Pylargon. (Foto: Mayer)

13.01.2012

Antiker Mythos und frivole Bohème

Franz von Suppés „Die schöne Galathée“ und Jacques Offenbachs „Häuptling Abendwind“ in München

Kaum ist Schluss mit der Süßer-die-Glocken-nie-klingen-Besinnlichkeit, da lässt die Kammeroper München den Faschings-Frivolitäten freien Lauf. Und das am richtigen Ort, dem „Sammelplatz und Mittelpunkt von Frohsinn, Rat und ernster Tat“, Münchens Künstlerhaus am Lenbachplatz, und in der richtigen Kombination: ein doppelter Kultur-Crash aus den Zeiten der Belle Epoque.
Regisseur Dominik Wilgenbus und seine Arrangeure Vladimir Genin/Alexander Krampe kramten ganz tief und ließen antiken Mythos mit frivoler Bohème zusammenprallen, kannibalistische Südseewilde mit Pariser Friseur-Chic, will sagen Franz von Suppés Einakter Die schöne Galathée und Jacques Offenbachs Häuptling Abendwind, Lieblingssujet auch eines Johann Nestroy oder Karl Kraus.


Handyklingeln im Krokodil


Zusammen gibt das einen veritablen Operettenabend von drei Stunden und einen doppelten Spielplatz für himmelschreienden Blödsinn und höchstens einen Hauch von Tiefgang. Dazu praktische Lebenshilfe für heute: Wenn man sein Handy sucht, ruft man es einfach an. Da klingelt’s dann in der Hosentasche oder im Krokodilbauch, bei Jacques Offenbach klingt die Taschenuhr im Bauch von Häuptling Hasenzahn, der offenbar den eigenen Sohn verspeist hat.
Das klingt nach antiker Mythologie, spielt aber in der Südsee, wo sie am pariserischsten ist. Dort haben die Häuptlinge Abendwind und Hasenzahn einst auch gegenseitig ihre Gattinnen verspeist, jetzt wollen ihre Kinder heiraten: die putzig ausstaffierte Atala und der effeminierte Paris-Heimkehrer Arthur – glücklicherweise war von diesem doch nur die Taschenuhr im väterlichen Bauch gelandet.
Vent du soir ou l’Horrible Festin (Abendwind oder Das schreckliche Fest) hieß das Suppentopf-Opus von 1857 im Original, Uraufführungsort waren die legendären „Bouffes-Parisiens“. Südsee-Geschichten waren seit Daniel Defoes Robinson Crusoe en vogue, und der Uraufführungserfolg war allein schon durch das nur 500 Gramm wiegende Kostüm von Marie Garnier als Atala garantiert.
Ansehnlich und im ziemlich knappen Tigerfell auch die Münchener Menschenfresserin: Elisabeth Pratscher leugnete ihre österreichische Herkunft nicht, spielte und sang rank und schlank, um sie herum bananengekrönt der „Lapin courageux“ von Tenor Georg Führer und der Kannibalen-Feldmarschall „Vent du soir“ mit dem spielfreudigen Maximilian Nowka – zusammen mit Mathias Frey und den Zotteltieren des Puppenspielers Moritz Trauzettel ein stilistisch authentisches Ensemble.
Auch für die Musik, die Offenbach, von der Südsee inspiriert, leichtfüßig, komponiert hat. Und die das Orchester der Kammeroper unter Nabil Shehata locker und luftig über die Bühne schweben ließ: herrlicher, allerdings auch ein bisschen gedehnter Blödsinn ist das alles und ohne die witzig kompilierten Kostüme von Uschi Haug nur die halbe Miete wert.


Einheitsbühnenbild


Im eher immerhin praktikablen Einheitsbühnenbild von Peter Engel gab es zuvor Franz von Suppés Schöne Galathée. Die Rotweinflaschen sind leer, der Künstler ist besoffen, die Statue fertig: Ausgangssituation für den berühmten Mythos vom Bildhauer Pygmalion, der sich in sein Werk verliebt. Das Sängerensemble war dafür ins skurrile 19. Kostümjahrhundert geschlüpft, Wilgenbus mischte ein bisschen Feydeau und Labiche in seine Belle-Epoque-Fassung.
Und man ergötzte sich an genialer Musik dieses Suppé, der sonst nur in seinen Ouverturen überlebt hat: eng ist die Nachbarschaft zwischen Offenbach und ihm, interessant die Mélange zwischen Wien und Paris. „Die Büste lebt !“ - sehr lebendig wird diese „Galathée“ durch einen Schuss Kabarett mit Leitkultur und Griechenpleite, hübsch sind die Couplets, waghalsig die Duette der menage à quatre. Oft genug weiß man nicht, ist das jetzt Offenbach oder Suppé?
(Uwe Mitsching)

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