Kultur

Max Slevogts „Danae“ (1895, hier ein Ausschnitt) wurde als allzu aufrührend und anstößig empfunden. (Foto: Lenbachhaus)

26.06.2020

Auf den rechten Fleck kommt’s an

Das Münchner Lenbachhaus zeigt die Kniffe meisterhafter Malerei

Das Münchner Lenbachhaus bietet derzeit Sonderausstellungen für jeden Gusto: Kunst aus Kuhdung (Sheela Gowda) oder Kunst unter dem Diktum von Max Liebermann. Der fand, dass eine gut gemalte Rübe genauso gut sei wie eine gut gemalte Madonna. Damit betritt man im Lenbachhaus die Säle für Das Malerische, und es empfängt einen, in drei Tagen gemalt, geradezu überwältigend Lovis Corinths Hymnus an Michelangelo: eine verschwenderische Fülle zwar nicht von Rüben, aber von Rosen, Mohnblumen, Schwertlilien und Nelken, aus den „Treibhäusern herangeschleppt und um eine Sklaven-Büste von Michelangelo drapiert“, wie sich Corinths Frau, Charlotte Berend-Corinth, an Geburtstagsstrauß und -bild erinnert.

Diese abundante Fülle von Farben, mittendrin die schwellenden Marmorlippen des Sklavenhaupts – da wird einem bei einem solchen Entree schnell klar, worum es in dieser opulenten, von Karin Althaus intelligent kuratierten Sonderschau geht: um das Wie, nicht um das Was, darum, wie die richtige Farbe auf den richtigen Fleck gesetzt wird und wie die Großen der Malerzunft das gemacht haben.
Sie taten es nicht mit extravaganten Motiven, sondern mit der Qualität der Farbe, deren Wirkung, dem gegensätzlichen Chiaroscuro, dem Trick, wie man bleichen Mondschein über die glatte Fläche des nächtlichen Walchensees schimmern lässt.

Knallhart kalkuliert

Solche Landschaften, Gärten und Porträts wirken zunächst wie Momentaufnahmen, wie zauberhafte Augenblicke – aber sie waren von den Künstlern in der Regel lange vorbereitet, kalkuliert: die Wahl des Blickwinkels, des Zeitpunkts im Tagesverlauf, der Zauber des Dunkeln mit der magischen Erscheinung des Hellen.

„Spannend“, das Lieblingswort aller Kunstvermittler*innen und Kurator*innen – im Lenbachhaus wird es zum Ereignis: Denn der Rundgang schult den Blick, gibt interessante, durchaus lösbare Rätsel auf. Da können die Motive noch so alltäglich sein wie Liebermanns verbale Rübe oder findet Corinth den richtigen Fleck nicht nur bei der Opulenz seiner floralen Orgie, sondern auch im nüchternen Memento mori von Selbstbildnis mit Skelett vor den rauchenden Essen einer Stadtlandschaft.

Auch Max Slevogt hat einen solchen malerischen Kick in seine Danae eingebaut: den Kontrast zwischen dem unattraktiv hingestreckten Frauenkörper und der Dienerin, die in einem dunklen Tuch den goldenen Regen auffängt: Zeus beim Liebesakt – kein Wunder, dass das Bild 1899 bei einer Ausstellung der Secession als anstößig entfernt wurde.

Überall findet man dieses raffiniert kalkulierte Malerische: in der weißen Kellnerschürze vor einem Pariser Boulevard (Albert Weisgerber), dem Kontrast zwischen Weiß und Grün der Hüte und Bäume, wobei der Münchner Hofgarten als Schauplatz nebensächlich bleibt.

Ein ganzes Kabinett mit Porträts, namentlich von Wilhelm Leibl, setzt das überzeugende Konzept fort. Man bewundert auch den feinen Blick des Malers Johann Sperl aus Bad Aibling: Der lässt den Betrachter durch ein Wäldchen von Apotheker Wimmers Garten auf das helle Schimmern der entfernten Gebäude blicken.

Dieses Malerische beherrschten viele: Franz von Lenbach, Wilhelm von Diez, auch die einzige Frau im Malercercle, Emilie von Hallavan-ya, mit ihrem fast jugendstilhaften Leuchten. Dazu passt das Zitat des Literaten und Journalisten Otto Julius Bierbaum (1865 bis 1910) über den Bildern: „Das, was der Mensch an Farben mehr sieht, ist eine Bereicherung seines ganzen Wesens an Fröhlichkeit und Lustbewusstsein.“ Davon beschwingt, findet man im Museumsshop auch noch passend das hübsche Bändchen Die Magie der Farben von Hermann Hesse. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 3. Januar 2021. Städtische Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, 80333 München. Di. 10-21 Uhr, Mi. bis So. 10-18 Uhr. www.lenbachhaus.de

Abbildungen:
Für sein Gemälde „Hymnus an Michelangelo“ (1911) soll Lovis Corinth alle möglichen Blumen aus Treibhäusern organisiert haben.    (Foto: Lenbachhaus)

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