Kultur

Das göttliche Auge blitzt inmitten all des Chaos auf: "Und es ward Licht" hat Paul Klee seine Aquarell/Feder-Arbeit aus dem Jahr 1918 betitelt. (Foto: Von der Heydt-Museum, Wuppertal)

10.01.2014

Aus Trümmern herausfliegen

Kunstsammlungen Augsburg zeigen Bilder Paul Klees aus der Zeit seines Kriegsdienstes

Paul Klee gehörte nicht zu den Künstlern und Intellektuellen des deutschen Kaiserreichs, die den Ersten Weltkrieg mit großem Enthusiasmus begrüßten. Ganz im Gegenteil. Gehobener Nationalismus und die selige Erwartung eines erhofften, wie auch immer gearteten Neubeginns waren ihm völlig fremd. Dennoch musste er „einrücken“. Seine Kindheit und Schulzeit verbrachte Paul Klee in der Schweiz – sein Vater war Deutscher, die Mutter Schweizerin. Die Eltern hatten ihn jedoch nicht einbürgern lassen – 1916 kam sein Einberufungsbescheid. Er war in Landshut, München, Schleißheim und schließlich in der Fliegerschule V Gersthofen stationiert. Er hatte Glück: Weit entfernt von der Front hatte er eine Stelle als Schreiber und konnte sich so weiterhin dem Malen widmen.
Klees Ablehnung des Krieges wurde verstärkt, als sein Malerkollegen Franz Marc im März 1916 fiel. „Ich habe diesen Krieg in mir längst gehabt. Daher geht er mich innerlich nichts an“, schrieb er seinerzeit. Sein Werk aus jener Zeit ist eine Flucht in innere Landschaften, in die Erinnerung, die Abstraktion. Und zum anderen eine Reaktion auf den – ihm höchst dämonisch erscheinenden – Versuch des Menschen, es dem Vogel gleichtun zu wollen. Dieser thematischen Zusammenschau widmen die Kunstsammlungen und Museen Augsburg mit 80 Werken des Künstlers eine Sonderausstellung; die Bilder sind während des Krieges oder in späterer Erinnerung an ihn entstanden.
Es gibt zahlreiche Bilder in der Ausstellung, die das Thema Vogelflug und Absturz konkretisieren. In der Fliegerschule, in der vor allem an der Front schon ausgemusterte Flugzeuge zum Einsatz kamen, gab es immer wieder tödliche Abstürze der Flugschüler. Feldpostkarten, Fotos der verunglückten Maschinen, Gruppenaufnahmen von Uniformierten rund um Klee: Die alltäglichen Umstände von Klees Stationierung werden in der Ausstellung dokumentiert – die Exponate erklären manches vorweg: Das aufs Hallendach gekrachte Flugzeug steht in Bezug zu Bildern wie dem Fliegersturz, der Luftjagdscene und dem öfter auftauchenden Motiv des abstürzenden Vogels.
So ein abstürzender Vogel spielte auch eine Rolle als abgetrennter Bildteil von Auserwählter Knabe (1918): Der Knabe hält wie Klee in dem Selbstbildnis Versunkenheit die Augen geschlossen und betrachtet innere Landschaften, Bilder der Erinnerung. Denn dem teuflischen, dämonischen Treiben der äußeren Welt, der Bruchlandung hochfliegender Kriegspläne in Katastrophen, kann man einen inneren Schwebezustand entgegensetzen: „Um mich aus meinen Trümmern herauszuarbeiten, musste ich fliegen. Und ich flog.“ So liest man denn auch im Ausstellungskatalog von Klees „Konzeption einer abstrakten Kunst als entschiedene Alternative und Antithese zum Ersten Weltkrieg“. Oben steht der in der innerer Phantasie fliegende Knabe, unten dräut der reale Todesflug der Flugschüler.
Aus dieser antithetischen Haltung zur Kriegswirklichkeit entstanden Bilder, die um Religiöses kreisen. So zum Beispiel die Dogmatische Komposition, ebenso Und es ward Licht: ein Aufblitzen vom Auge Gottes in all dem Chaos.
Es entstanden aber auch Landschaftsbilder als Ergebnis der Begegnung mit den Lechlandschaften rund um Augsburg, die Klee offenbar entscheidend bei seiner Sicht- und Malweise voranbrachten. Dabei steht nicht das tatsächlich zu Sehende im Vordergrund, denn Klee betrachtete die Natur als jemand, der, wie er damals schrieb, „etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich“ stand.
Die Welt, die sich im Krieg so lärmend und desaströs fragmentarisiert hat, bot nur noch Bausteine für die eigene Schöpfung. Klees Malerei ist also keine Abbildung des Geschauten, sondern die Dokumentation des vom Geschauten ausgelösten Schöpfungsprozesses. Klee selbst hatte dies einmal mit dem Gleichnis ausgedrückt, man könne ja auch nicht verlangen, dass ein Baum seine Krone nach dem Abbild seiner Wurzeln bilde.
(Christian Muggenthaler) Abbildung:
Nicht selten musste Paul Klee erleben, wie Flugschüler abstürzten.
Bis 23. Februar. H 2 – Zentrum für Gegenwartskunst, Beim Glaspalast 1, 86153 Augsburg. Tägl. 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr. www.kunstsammlungen-museen.augsburg.de

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