Kultur

Ausschnitt aus einem Tafelbild von Hans Wertinger (um 1516/25) mit der frühesten bekannten Ansicht Landshuts. Zudem ist es die einzige Darstellung eines Turniers in der altbayerischen Residenzstadt. (Foto: Haus der bayerischen Geschichte)

22.05.2020

Ausgeklügelter Landesausbau

Die Landesausstellung über Wittelsbacher Gründerstädte öffnet am 10. Juni – die Kataloglektüre macht schon neugierig

Die bayerische Landesausstellung Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte hätte am 29. April ihre Pforten öffnen sollen – doch die Beschränkungen durch die Corona-Pandemie haben alle Planungen erst einmal über den Haufen geworfen. Die Ausstellungsarchitektur an den beiden Standorten Aichach und Friedberg stand zwar schon eine ganze Weile und die Medieninstallationen warteten darauf, in Betrieb genommen zu werden – doch wegen des Shutdowns kommt eine Reihe von Leihgaben später. Aber am 10. Juni soll es so weit sein: Dann dürfen die Besucher*innen durch die Ausstellung und durch ein wichtiges Kapitel bayerischer Geschichte wandeln.

Der Katalog zur Ausstellung liegt bereits vor: Er weckt Vorfreude auf den realen Ausstellungsbesuch. Schon im Vorfeld kann man also eintauchen in die Zeit um 1200, als aus dem weitgehend städtelosen Herzogtum Bayern jenes Städteland wurde, das wir heute kennen.

1180 war mit Otto von Wittelsbach der Erste seines Geschlechts zum Herzog von Bayern ernannt worden. Fortan galt es, die Herrschaft im Land auszubauen und zu festigen. Der erste Schritt war – ähnlich wie in anderen Teilen des Reiches – ein Prozess, der von der Forschung als Landesausbau bezeichnet wird. Er bestand darin, dass Adel und Fürsten, unter ihnen die Herzöge, die Ausübungen königlicher Rechte übernahmen. Um 1200 waren viele Adelsgeschlechter damit beschäftigt, Regalien wie Zoll, Geleit und Rechtsprechung in ihre Hände zu bekommen.

Bayerns Geburtsstunde

Die Arrondierung des wittelsbachischen Eigenbesitzes sowie die Bündelung von Herrschaftsrechten führten zum neuen Typus der Landesherrschaft. Es entstand der moderne Flächenstaat – gewissermaßen die Geburtsstunde des modernen Bayern.

Zur Festigung ihres Herrschaftsbereichs schlossen sich die Wittelsbacher einem europäischen Trend an: Sie gründeten Städte als neue Zentren. Italien und Frankreich hatten es vorgemacht. Unter Herzog Ludwig I. dem Kelheimer, dem Sohn des ersten Wittelsbacher Herzogs, begann eine regelrechte Stadtgründungspolitik. Ludwig gilt als Gründer von Landshut (1204), Cham (1204), Straubing (1218) und Landau an der Isar (1224), nachdem er seit 1196 zudem, allerdings vergeblich, versucht hatte, dem Bischof und dem König das alte bayerische Zentrum Regensburg zu entreißen. Unter seinen Nachfolgern kamen noch Dingolfing, sowie Neuötting, Erding, Burghausen, Deggendorf, Ingolstadt, Rain am Lech und Vilshofen hinzu, die übernommen und vielfach rund um ältere Burgen ausgebaut wurden. Auch die nahe ihrer Stammburg Oberwittelsbach gelegenen Orte Aichach und Friedberg machten die Wittelsbacher zur Stadt.

Ungewiss bleibt, inwieweit Ludwig der Kelheimer zur Stadtherrschaft in München gekommen war. Zwar ist es ihm gelungen, Rechte des Freisinger Bischofs an sich zu bringen, die unter anderem den Bau der auf das frühe 13. Jahrhundert datierten Stadterweiterung ermöglicht haben. Der erste sichere Beleg für eine wittelsbachische Dominanz in München dürfte die Einberufung eines Landtags 1240 durch Herzog Otto II. sein. Bald darauf hatte sich dort die herzogliche Position gefestigt. Nach der 1255 erfolgten Bildung der neuen Teilherzogtümer Ober- und Niederbayern verweilte Herzog Ludwig II., dank der günstigen Lage der Stadt innerhalb des neuen Herzogtums Oberbayern, zunehmend in München. Er ließ den Alten Hof ausbauen – der Aufstieg Münchens zur späteren Residenzstadt begann. Für Niederbayern jedoch erfüllte Landshut weiterhin seine Aufgabe als zentraler Ort für den Herzog und seine Familie.

Die neuen Städte stellten die Infrastruktur für Handel und Gewerbe, die sich in ihnen konzentrierten. Sie waren Verkehrsknotenpunkte. Zudem wurden dort nach und nach herzogliche Amtsinhaber angesiedelt, die zuvor auf den herzoglichen Burgen residiert hatten. Die neuen Städte, die Steuern zu zahlen hatten, waren Teil einer Strategie der Intensivierung der herzoglichen Landesherrschaft.

Doch wie sah es in den Städten aus? Welche Gesetze und Regeln galten dort? Die neuen Gründerstädte waren Verwaltungssitze und Handelsorte mit eigenen, vom Herzog verliehenen Stadtrechten. Zum einen wurden moraltheologische Vorstellungen der Zeit rigoros durchgesetzt. Belustigungen wie das Glücksspiel waren ebenso reglementiert wie die Prostitution. Fluchen wurde streng geahndet.

Doch boten die Rechte den Untertanen auch neue Möglichkeiten. Zünfte regelten das Handwerk; Händler und Handwerker konnten ihre Erzeugnisse auf dem freien Markt anbieten. Die wichtigste Errungenschaft jedoch betraf die persönliche Freiheit: Wer „binnen Jahr und Tag“, also ein Jahr und einen Tag lang, in der Stadt wohnte, der war frei. Voraussetzung für die Aufnahme in die Bürgerschaft war die Erfüllung von Bürgerpflichten. Die Bürger zahlten zwar Steuern, unterlagen aber nicht den Abgaben und Diensten von Leibeigenen. Das hieß auch, sie konnten von der ehemaligen Herrschaft nicht mehr einfach zurückbeordert werden. „Stadtluft macht frei“, wusste man schon vor Jahrhunderten, auch wenn diese gleichermaßen prägnante Formulierung erst Historikern aus dem 19. Jahrhundert zu verdanken ist.

Bald entwickelten sich aus den einfachen Siedlungen der Frühzeit stolze Gemeinwesen mit einer selbstbewussten Bürgerschaft. Sie zeigte ihre Wehrhaftigkeit durch Stadtmauern mit trutzigen Türmen, reichen Bürgerhäusern und prächtigen Stadtpfarrkirchen. Auch das Leben, vor allem der gehobenen Bürgerschicht, wurde immer luxuriöser. Und es dauerte nicht lange, bis sich Patrizier gar gegen den angestammten Herrscher aufzumucken erlaubten.

Erinnern an die Konkurrenz

Das Leben in den aufstrebenden Städten wird die Landesausstellung schlaglichtartig anhand unterschiedlicher Exponate veranschaulichen, wie im Katalog zu lesen ist. In einem über 70 Seiten umfassenden Essayteil werden zudem weiterführende Themen behandelt, darunter etwa die Entstehung der Städtelandschaft im östlichen Franken durch die Andechs-Meranier. Sie waren die wohl einzige Familie, die im Bayern des späten 12. Jahrhunderts noch ernsthaft mit den Wittelsbachern konkurrieren konnte, eine Position, die jedoch spätestens mit dem Erlöschen der Andechs-Meranier im Jahr 1248 ein Ende fand. (Cornelia Oelwein)

Information:
Ab 10. Juni. Im Wittelsbacher Schloss Friedberg und im FeuerHaus Aichach. Information: www.hdbg.de
Der Katalog „Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte“ kostet 24 Euro (zuzüglich Versandkosten bei Onlinebestellung) für die kartonierte Ausgabe und 29,95 Euro für die fest gebundene Ausgabe im Buchhandel oder im Pustet-Verlag, Regensburg.

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