Kultur

Wie Figuren in einem Computerspiel bewegen sich die Darsteller im düsteren Zwielicht, in das der irrsinnige Kampf zwischen Islam und Christentum getaucht ist. (Foto: Marion Bührle)

27.02.2015

Bibel vs. Koran

Uraufführung in Nürnberg: Symbolisch überfrachtet, thematisiert „Angry Birds“ den Krieg der Religionen

Gott ist gut. Kinder glauben das – und verzweifeln daran, dass ihre Väter sich die Köpfe einschlagen, weil jeder seinen eigenen guten Gott mit Gewalt gegen den falschen Gott des anderen verteidigen zu müssen glaubt. Der georgische Stückeschreiber Basa Janikashvili greift diesen Irrsinn, der im Streit zwischen Islam und Christentum in blutigen Wahnsinn umschlägt, in seinem Theaterstück Angry Bird auf; er ging damit als Sieger aus dem osteuropäischen Dramenwettbewerb „Talking About Borders“ hervor. Jetzt brachte das Staatstheater Nürnberg zum Auftakt des neuen Theaterfestivals, bei dem künftig die preisgekrönten Stücke des Wettbewerbs vorgestellt werden, die Uraufführung des Stücks heraus.
Angry Bird ist der Name eines Killerspiels, in dem es gilt, mit ferngesteuerten Vögeln, die wie Bomben wirken, möglichst viele feindliche Schweine zu töten. In einem Dorf in Georgien, wo bis zum Ende der Sowjetunion eine christliche Mehrheit mit einer islamischen Minderheit friedlich zusammenlebte, spielen zwei Kinder das tödliche Spiel auf einem Smartphone: der Christenjunge Gio (Martin Bruchmann) und das Muslimmädchen Chatuna (Henriette Schmidt). Eine Romeo-und-Julia-Situation.
Als nach dem Ende des Sozialismus die Christen den Muslimen, die eine Moschee bauen möchten, den Kampf ansagen, wollen das Mädchen und der Junge den urplötzlich ausgebrochenen Religionskonflikt lösen, der plötzlich auch ihre Liebe unmöglich macht. Sie projizieren die virtuelle Realität ihres Bildschirms auf die Wirklichkeit ihres Dorfes: Sie hetzen mit Gerüchten und Lügen die Gottes-Streiter, die längst zu Gottes-Kriegern geworden sind, gegeneinander auf – in der vergeblichen Hoffnung, ihre verbotene Liebe zu retten, wenn die Christen den Muslimen den Garaus gemacht haben und Friede in ihr Dorf einkehrt.
Christoph Mehlers Inszenierung macht aus dieser klischeebeladenen Religionstragödie eine düstere, in die Absurdität gesteigerte Groteske, in der sich die Figuren wie schrille Comic-Gestalten eines Computerspiels bewegen. Im düsteren Zwielicht einer pendelnden Glühbirne und vor einer Bilderwand mit kindlichen Zeichnungen (Bühnenbild Christoph Mehler und Ayse Özel) verschwimmen virtuelle und reale Welt, wenn die Väter (Marco Steeger als Toma, der Christ und Dieter Scholz als Muslim Hasan) aufeinander losgehen, angeheizt von der muslimischen Mutter (Nicola Lembach) in schwarz aufgeschminktem Tschador.
Mit antikischer Wucht schleudern sich die gottverblendeten Kontrahenten Bibel-Sprüche und Koran-Verse, die die Güte und Barmherzigkeit ihres jeweiligen Gottes verkünden, in die blutig verschmierten Gesichter und bringen sich schließlich im Namen Gottes und Allahs um. Am Ende zerreißen die Gottesfeinde beider Seiten die Papierwand, auf die die Kinder die friedliche Idylle ihres Dorfes in naiven Zeichnungen festgehalten hatten.
Ein sichtlich beeindrucktes Publikum applaudiert einer symbolisch überfrachteten Uraufführung. (Fridrich J. Bröder)

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